@Thorsteen Nope, hab ich nicht. Hatte mal eines, allerdings von wem anders (Drews), von vor exakt hundert Jahren. Der hatte in diesem Buch das ganze Markusevangelium als ägyptisches Mythenpotpourrie en detail interpretiert.
Um 1900 herum gab es zwei wesentliche theologische Debatten, den Bibel-Babel-Streit und die Leben-Jesu-Forschung. Bei ersterem wurde heftig gestritten, ob das AT eine authentische, unvergleichliche, gar historisch korrekte Historiographie (und Offenbarungsschrift) sei, oder ob nicht viel mehr alles aus mesopotamischer Vorlage geklaut sei. Der Streit war letztlich ein rein ideologischer, freilich auf dem Rücken und zu Lasten von Religionswissenschaft und Historischer Kritik, die damit zum Ziel und Opfer der einen bzw. zum Erfüllungsgehilfen und zur Geisel der anderen wurde. Bis heute hat der religionswissenschaftliche Vergleich und die historisch-kritische Exegese diesen ideologischen Makel: während die einen diese Forschungsrichtungen und deren Ergebnisse zum Beweis für das "Märchenbuch Bibel" anführen, verteufeln die anderen deren Arbeit, eben weil jene anderen diese in bibel- und religionsfeindlichem Sinne "vermarkten".
Die Leben-Jesu-Forschung hingegen kam damals zu einem gewissen Endpunkt (der dann doch nur ein Etappenpunkt war), nämlich daß das historische Leben Jesu nicht faßbar sei. Auch hier gab es zwei Extrempunkte, nämlich zum einen, daß Jesus gar nicht historisch sei, und zum anderen, daß historisches, wissenschaftliches Forschen versagt (und den Glauben zerstören wolle).
Gerade angesichts der beiden Extremstandpunkte: das AT ist altorientalische Mythenübernahme und Jesus ist nicht historisch (
greifbar) stürzten sich im Anschluß auch Leute darauf, das NT, speziell die Evangelien, als ahistorische Übernahme von Mythen aufzuzeigen. Bevorzugterweise diesmal von Ägypten her.
Dieser "Jesus-Mythos" bzw. englisch die "Christ-Myth-Theory" schlief dann aber aus Mangel an Fundierung am Ende des ersten Drittels des 20.Jh. wieder ein. Nachdem Bultmann 1941 sein Werk "Neues Testament und Mythologie. Das Problem der Entmythologisierung der neutestamentlichen Verkündigung" veröffentlichte, kam es in der zweiten Hälfte des 20.Jh. zu einem erneuten Aufleben der Idee vom ahistorischen Jesus / NT als nacherzählter ägyptischer Mythologie. Und spätestens seit dem Internet wird der Kram halt immer wieder mal "neu" aufgekocht. Dabei meinte Bultmann mit Mythos und Entmythologisierung etwas anderes. Nämlich daß jede Zeit und Kultur ihre eigenen Vorstellungen und Mythologeme hat, und um die damit vermittelten Inhalte in einer anderen Zeit / Kultur verständlich und glaubhaft erfassen zu können, müsse man die mythologische Verkleidung halt abstreifen (eigentlich sogar, man müsse es von der einen Mythologie in die andere übersetzen). Doch auch hier wieder übernahmen die Extremstandpunkte und die Ideologen die Debatte um Bultmann: für die einen war Bultmanns Entmythologisierung das überfällige Aufräumen mit der Religion, für die anderen der böse Angriff auf die Religion.
Dem Verfasser wurde keiner damit gerecht; ihm als Christ und Theologen ging es um die Aktualisierung des Wort Gottes und der Botschaft Christi für Christen des 20.Jh. in einer modernen Welt. Seine Frage war z.B. weniger "gibt es Wunder" als vielmehr "warum berichten die Evangelien Wunder, was wird damit zum Ausdruck gebracht im Erzählzusammenhang". Um es mal zu verdeutlichen: Markus erwähnt zwei Blindenheilungen, 8,22-26 und 10,46-52. Direkt nach der ersten Blindenheilung folgt das Christusbekenntnis (8,27ff) und direkt nach der zweiten der Einzug des messianischen Königs in Jerusalem (11,1ff). Hier wird geradezu der Leser vorbereitet und aufgefordert, nicht blind für das nun Folgende zu sein. In der Tat ist denn auch das Blindsein mit sehenden Augen (oder das Nichthören derer, die doch nicht taub sind) ein wiederkehrendes Motiv. Oder man denke an das "Blindsein" der Emmausjünger, die nach Jesu Kreuzestod in ihre Heimatstadt zurückgehen und den Auferstandenen nicht erkennen. Aber als er das Abendmahl mit ihnen feiert, erkennen sie ihn, und sie verstanden jetzt die Predigt, die sie von ihm auf dem Weg hörten. Vordergründig, geradezu mythologisch, werden hier wundersame Begebenheiten erzählt, aber eigentlich wird erzählt, worauf es ankommt. Das Christusbekenntnis, das Kommen des Messias, das Erleben und Bekennen des Auferstandenen in Predigt und Abendmahl... Dies durch "Entmythologisierung" herauszuarbeiten und herauszustellen ist Predigt des Auferstandenen, es ist kein Bestreiten des Auferstandenen. Hat also nichts, wirklich gar nichts mit dem ideologischen Streit zu tun.
Na und sollte es in irgendeinem altägyptischen Mythos mal ne Blindenheilung gegeben haben, dann hilft diese nicht ansatzweise, die Botschaft des NT damit nun besser zu verstehen oder die Historizität Jesu zu bestreiten. (Genauso wenig läßt sich Jesus beweisen, seine Auferstehung beweisen, sein Sohngottessein oder sein Messiassein beweisen.) Die Blindenheilungen stehen bei Markus aus einem Grund, der sich nicht von irgendwelchen außerjüdischen Mythen mit Blinden herleiten ließe.
Und auch die Jungfrauengeburt Jesu hat nichts mit einer Geburt des Horus aus der Isis, die zuweilen "Jungfrau" genannt wurde, zu tun. Der Clou der Jungfrauengeburt Jesu ist der, daß Jesus dank seiner menschlichen Mutter "ganz Mensch" ist, aber durch den fehlenden menschlichen Vater "ganz von Gott her" stammt. Horus' Mutter hingegen ist schon ne Göttin, und daß Horus ebenfalls einer ist, weiß man auch ohne diese Geburtsstory. Was also will die Horus-Geburtsstory besagen, und was will die Jesus-Geburtsstory besagen? Und dazwischen gibts null, aber wirklich total Null Bezug.