Ich werde dir hier auf deinen POst antworten, damit das andere Thema nicht zu weit ins offtopic gerät:
sacredheart schrieb:Ich habe eigentlich den Eidruck, dass die zeiten von Fräulein Rottenmeyer und herrn Dr Prügelpeitsch schon lange vorbei sind. Die waren in den 80er Jahren eigentlich schon vorbei. Dass Schulen heutzutage zu hierarchisch wären, dürfte eher die Ausnahme sein.
Dass andererseits ein Mathe Lehrer nicht zu Beginn jeder Stunde diskutieren möchte, ob man sich den Niederungen der Mathematik widmet oder nicht doch auch mal chillen und zocken könnte, liegt in der Natur der Dinge.
Also ich kenne keine Kinder oder Jugendlichen, die von einer einschüchternden Hierarchie in der Schule abgeschreckt würden und das schon ziemlich lange. Wenn einer in Schulen Angst und Druck hat, sind das doch (Corona mal ausgenommen) eher Lehrer.
So wie ich dich in anderen posts verstehe, magst du Eigeninitiative und Selbstständigkeit. Ich mag das auch und ich glaub, wir müssen das Kindern beibringen.
Meine Frage ist nur: Wo sollen die das denn heute lernen?
Du führst an, dass es diese fiesen Oberlehrer heute nicht mehr gibt. Darauf entgegne ich: Ohne die ist es noch viel schwieriger, sich aufzulehnen und seine eigene Meinung zu bilden.
Wenn du in den 60ern auf der Schule warst und nicht gespurt hast, dann hast du eins mit dem Lineal oder sonstwie bekommen. Wenn du ne 5 nach Hause gebracht hast waren da auch deine Eltern, die sich mit dir auseinandergesetzt haben. Und zwar mit klarer Sprache.
Damit will ich ganz sicher nicht dafür plädieren, autoritärer zu werden oder gar wieder zu schlagen, aber eins muss man sagen: Es hat sich jemand mit dir auseinandergesetzt, wenn irgendwas nicht geklappt hat und es gab klare Regelsysteme. Und man konnte sich dann entscheiden, ob es eine Konfrontation mit diesem Regelmsystem wert ist oder nicht (ist ja nicht so, als hätte man da nicht in seiner Jugend ab und an die Regeln übertreten, nur weil man dafür ggf. Dresche bekommen hat, verbal oder physisch).
Diese Klarheit gab es auch im passiven: Die Eltern haben einem schon recht schnell klar gemacht, was man selber zu können hat und wobei man Hilfe erwarten kann. und die Schule und der Arbeitsplatz auch. Und auch die Bundeswehr.
Jetzt könnte man sagen: Heute haben es die Jugendlichen doch viel einfacher, die können machen, was sie wollen. Aber deren Gegner sind auf ihre Weise viel gemeiner als Herr Dr Prügelpeitsch. Wenn du bei Dr Prügelpeitsch ne 5 schreibst, dann verprügelt er dich und du kannst sagen "Mensch, dieses Schwein. Irgendwann werde ich mich rächen an diesem Monster" und du kannst dir deine eigene Meinung bilden durch Ablehnung dieser strikt vermittelten Werte.
Wenn aber du eine 5 bei der lieben Deutschlehrerin Evi Grünbusch ("wir können uns aber duzen") schreibst, sieht das anders aus. Die wird dir hinterherlaufen. Die wird dir noch einen Vortrag aufschwatzen, die wird mit deinen Eltern reden wollen und das schlimmste: Die guckt dich dabei ganz lieb aber enttäuscht an. Und am Ende, da wird sie sagen "ich hab alles versucht, aber leider kann ich dir nichts anderes als die 5 als Endnote geben". Und da kannst du nicht sagen "dieses Miststück". Nein, du bist jetzt der böse. Du bist ein schlechter Mensch, denn du hast die arme Evi traurig gemacht.
Dieses Beispiel geht auf Slavoj Zizek zurück. Bei dem war es, dass dich früher der Vater zum besuch zu den Großeltern geprügelt hat, heute sagt die Mama, dass Oma ganz traurig wäre, wenn du nicht mitkommst. In beiden Fällen musst du letztendlich mit (wenn du nicht ganz in fundamentalopposition treten willst), aber im zweiten bist du nur allein schon für den Willen zur Grenzübertretung ein schlechter Mensch.
Die heutige schule (und gesellschaft) lässt eigentlich gar keinen Raum mehr zur Grenzüberschreitung zu. Früher war das mehr so "naja es gibt grenzüberschreitungen und dann sanktionieren wir das, das ist aber in ordnung so, muss man bei jungen leuten halt machen".
Heute ist das System sehr offen, aber du kannst dich auch gar nicht dagegen sinnvoll auflehnen. Früher, da konntest du es vielleicht dieses eine Mal dem bösen Prügellehrer zeigen und stolz sein, dass du nicht klein beigegeben hast. Denn das System hatte einen Repräsentanten, der klar dessen Werte verkörpert hat und diese Werte wurden offen kommuniziert.
Es bereitet heute Schülern kaum befriedigung, sich gegen das System zu wehren. Wie auch? Dann kriesgt du ne schlechte note, aber kein Hahn kräht danach. Du bekommst ein Kopfschütteln ohne sanktion und wirst dann im system weitergereicht. Erst durchfallen, dann vielleicht schulwechsel. Irgendwann bist du im hartz 4, vielleicht im gefängnissystem. Und in jedem Schritt hast du leute, die es angeblich gut mit dir meinen (es oft auch tun), aber letztendlich ist klar, dass es keine auflehnung gegen das system geben kann. Und dass allein der fakt, dass du dich gegen diese dir wohlgesonnenen Menschen auflehnen willst, ein persönliche moralischer Makel von dir ist.
Wie soll da Eigenverantwortung entstehen, wenn so jede Auflehnung und Äußerung eigener Meinungen erstickt wird? Wenn alles offiziell in Ordnung ist, du alles studieren kannst, du alles machen kannst, NATÜRLICH deine Meinung ganz doll wichtig ist usw usf., aber in Wirklichkeit natürlich nur durch Anpassung an das System Erfolg erzielt wird, dann sorgt das dafür, dass gar keine eigene Meinung und Eigeninitiative herausgebildet werden kann.
Frau Rothenmeyer hat dir noch straight gesagt, dass du tun musst, was sie dir sagt. Heute lässt ein Lehrer da die Klasse diskutieren und tut so, als wäre das alles ganz wichtig. Und eigentlich wäre das auch gut, die Schüler ernsthaft diskutieren zu lassen und sich mit ihnen zu streiten. Aber die Schüler wissen ja: Am Ende wird gemacht, was der Lehrer meint, weil der dich dann einfach sehr freundlich und mit viel verständnis wegmoderiert, wenn du irgendeine entscheidung treffen willst, die er nicht will. So zuckersüß wegmoderiert, dass du ein wahrhaftes Monster sein müsstest, um dann noch Streit mit ihm zu suchen.