Nerok schrieb:Wo denn?
Im Elternhaus?
Die Eltern die eh schon chronisch überfordert sind und die Erziehung am liebsten an die Schulen abgeben?
Das ist interessant, dass du das sagst. Schließlich wurde hier oft schon der Punkt gebracht, die Schule habe sich aus der erziehung rauszuhalten, denn die sei Sache der Eltern.
Wenn aber erziehung auch Sache der Schule ist, und man sich auf die Überforderten Eltern da nicht verlassen kann, müsste das nicht wesentlich stärker in den Fokus rücken?
Denn diese oben genannten werte werden ja angeblich von den Jugendlichen gar nicht mehr verinnerlicht.
Nerok schrieb:Die Balance macht es. Der dauernde Querulant sein bringt dich im späteren Leben auch nicht weiter.
Inwiefern wird diese Balance denn in der Schule gelernt? In der Schule kommst du mit absoluter Fügsamkeit weiter. Wenn du einfach machst, was der Lehrer sagt, dann schreibst du (wenn die Fähigkeit da ist) eine zwei oder besser. Das wird gefordert, das wird dann auch belohnt.
Wenn du sehr klug bist und dich für das Fach außerschulisch interessierst, aber nie deine Hausaufgabe machst und dich nicht meldest, dann wirst du auch keine gute (mündliche) note bekommen. Dein außerschulisches Engagement wird also in der Regel nicht belohnt, wenn du nicht zugleich brav und fügsam den Unterricht absolvierst. Wo die Balance da belohnt wird, wüsste ich nicht.
paxito schrieb:Soziale Interaktion, Selbstorganisation, Fleiß, Konzentration, Ausdauer(ndes Arbeiten)
Wären für mich persönlich die wichtigsten Punkte.
Das sehe ich ähnlich, frage mich da aber, ob wirk wirklich sagen können, dass diese Dinge in der Schule gut gelehrt werden. Lassen wir mal die fachlichen Punkte bei Seite und konzentrieren uns nur auf diese soft skills. Ich finde, dass das Schulsystem dem erlernen dieser Punkte deutlich im wege steht.
Einzig beim Fleiß würde ich sehen, dass der in der Schule belohnt wird. Ansonsten:
Soziale interaktion In der Schule kommen Kinder und Jugendliche zusammen. So viel ist richtig. Das täten sie ja aber auch komplett ohne Schulunterricht (kann also denke ich nicht als guter Grund für unsere Schulsystem gelten). Und die Schule ist wohl einer der ORte, wo Kinder zwar zusammen kommen, aber am wenigsten sinnvoll interagieren können.
In der Schule hast du über 90% der Zeit, die du da verbringt, Unterricht. Im Unterricht sollst du (in der Theorie) still sein und zuhören, außerhalb von Antworten auf Fragen und ggf. Gruppenunterricht. In dieser Zeit findet soziale Interaktion höchstens gegen die Anforderungen des Unterrichts statt.
Natürlich lernen die meisten Kinder ihre ersten paar Freunde und ihre erste große Liebe in der Schule kennen. Wo auch sonst, da gehen ja alle hin und sehen sich täglich. Aber Sozialverhalten lernt man da außerhalb des Fakts, dass da andere Kinder sind, eigentlich nicht. Man lernt da ggf. ein paar Höflichkeitsregeln (von "wir schlagen uns nicht" zu "wir lassen uns ausreden" und was da so an den Wänden in Grundschulen für Regeln stehen), aber ich wüsste nicht, inwiefern die Schule z.B. fördert, anderen Kindern gegenüber empathisch und kollegial zu sein. Oder wie man sich in einer Freundschaft fair einander gegenüber verhält. Oder wie man sich in eine Gruppe einfügt oder sie verlässt.
Dass man sowas lernt würde ich eher noch einem Sportverein andichten, wenn man da lange Mitglied ist, als der Schule. In der Schule komme ich ohne weiteres als vollkommener Soziopath, der sich aber an die Regeln hält, weiter. Wenn wir ernst meinen, dass Kinder in der Schule soziale Interaktion lernen sollen, müssen wir schon mehr liefern, als 'naja da sind halt andere Kinder und die machen gruppenarbeit und so'. In Der Schule kann man, wie ich schon Paxito schrieb, als vollkommener Soziopath ohne weiteres einen guten Abschluss machen.
Selbstorganisation Warum haben so viele Studenten Probleme auf der Uni? Weil sie sich selbst organisieren müssen und das auf der Schule nie mussten. Auf der Schule läuft dir ein Lehrer hinterher. Der bittet und bettelt (zumindest die meisten), dass du bitte noch irgendwas machst, damit du auf die 4 oder 3 kommst. Der Lehrer sagt dir ganz genau was du machen sollst, die meisten aufgaben sind nach Schema F aufgezogen (und klausuren auch) und eigentlich musst du dich nur da hinsetzen und, von einigen wenigen wortmeldungen abgesehen, dich berieseln lassen.
Im Studium läuft das anders. Da musst du nicht hingehen und selbst wenn, reicht einfach da sein nicht aus. Du musst ernsthaft zu Hause arbeiten und in Eigenregie überlegen, wie du den Workload bewältigst (weil es dir keiner sagt). Sowas musst du auf der Schule nie.
Wenn wir das mit der Selbstorganisation ernst meinen würden, bräuchten wir ein Schulsystem, in dem Selbstorganisation notwendig ist.
In der Schule kann ich aber einen 2er oder 1er Durchschnitt haben, indem ich einfach mache, was mir der Lehrer sagt, ohne groß nachzudenken. Das geht im Studium nicht mehr.
Konzentration, Ausdauer(ndes Arbeiten) Die fasse ich zusammen, damit der Post nicht zu lang wird. Eines meiner größten probleme im Leben nach der Schule war der Fakt, dass man nicht einfach etwas 'fallen lassen' konnte.
Heißt, wenn ich im echten Arbeitsleben etwas mache, was noch nicht gut ist, dann kann ich nicht einfach sagen 'och naja, krieg ich halt einmal die 5 oder 4, was solls, kommt eh ein neues thema'. Man muss ime chten Leben zum Teil darum kämpfen, dass etwas letztendlich gut ist oder wenigstens funktionstüchtig.
In der Schule muss ich das nicht tun. Wenn ich in einer Klausur etwas nicht kann und eine 5 kriege, mündlich in dem Fach aber eine 3 hab, weil ich mich zu ein paar einfachen Fragen ab und zu mal melde, werde ich mit einer 4 bestehen. Wenn ich nur eine 5 auf dem Zeugnis habe, werde ich ebenfalls versetzt. Ich muss dinge, die ich nicht kann, nicht lernen oder dinge die ich verbockt habe ausbügeln. Sie verschwinden einfach, mit jeder neuen Unterrichtsstunde, mit jedem neuen Schuljahr.
Das verinnerlichen die Schüler natürlich auch. Niemand käme je auf die Idee, etwas nachzuarbeiten, was er nicht nochmal irgendwie in einer Klausur machen muss. Aber wenn auf der Arbeit irgendetwas nicht erledigt wird, kann man nicht einfach sagen "och naja, schreit mich der chef einmal an, aber ein neuer Tag löst das Problem". In der Schule kann man aber die meisten Themen aussitzen oder ausgleichen, ohne je dazu gezwungen zu sein, etwas,w as ich nicht auf anhieb einigermaßen kann, wirklich durchzuziehen.
Insofern nochmal zum
Fleiß
: Ja, auf der Schule wird Fleiß belohnt. Aber nur der Fleiß im Sinne von 'tun, was der Lehrer sagt, ohne intrinsische Motivation'. Fleiß ist keine Ambition. Diese Art fleiß übersetzt sich oft nicht in das 'Mitdenken', was man auf der Arbeit oder im Studium braucht, auf die Ambition, etwas besonders gut machen zu wollen. Denn du hast ja nur gelernt, zu tun, was man dir sagt. Nicht, selbst darüber nachzudenken, wie es wohl am besten wäre.