Libertin schrieb:Du glaubst also, daß im Regelunterricht kein Kind etwas wirklich lernt? Weder die "lernstarken" noch die "lernschwachen" Schüler? Oder sollte das Beispiel lediglich eine gezielte Zuspitzung sein?
Ein bisschen zugespitzt, aber nicht viel. Glaub ich wirklich, auch wenn das eine sehr streitbare These ist.
Ich glaube, dass sich schüler ein paar dinge merken, die da gesagt worden sind.
So vonwegen: "Ach ja, ich weiß noch, drei drei drei bei issos keilerei, richtig?"
Und dann denkt man, die haben ja was gelernt, die Jahreszahl von einer Schlacht (gut, das macht man so heute nicht mehr, aber der mechanismus ist der gleiche). Die wissen aber gar nix über die schlacht. Und selbst wenn sie was über die schlacht wüssten: Gut, wüssten sie halt dass nach dieser schlägerei bei Issos Makedonien de facto Persien besiegt hat und das gesamte westpersien eroberte. Und?
Das ist kein echtes Geschichtswissen, das sind Triviafragen.
UNd ich sehe nicht, dass es in irgendeinem fach auf der schule (selbst in den hauptfächern) groß darüberhinaus geht, auf diese art und weise triviawissen zu vermitteln. Dabei lernt keiner was.
Die Lernstarken arrangieren sich damit. Die setzen sich da hin, schnappen ein paar Fetzen auf und können ohne groß zu lernen wenigstens auf eine 3 oder wenigstens 4 kommen (in mündlichen fächern ist das eh kein problem, in den wenigen MINT fächern die man schriftlich hat muss man sich vielleicht mal ansehen, wie man den aufgabentyp, den man bekommt, halt löst, also das schema).
Die Lernschwachen machen da nicht mit, die schnappen gar nix auf und sind blockiert und bekommen dann Ärger.
Ist für beide schlecht. Die LernSTÄRKSTEN lernen auf diese art und weise sogar eine ganz falsche art der wissensanhäufung (reproduktion und abhängigmachen vom lehrer (eben gefällig sein für die note)).
Die Mittelstarken sind einfach da, denken vielleicht sogar, sie lernen da was, aber wenn du sie ein Jahr nach dem Abi fragst,was sie so substanzielles über ein beliebieges Fach in der Schule gelernt haben, wirst du da auf große Leere stoßen.
Die Schwächsten werden stigmatisiert und verlieren schlimmstenfalls jeglichen Spaß und Selbstbewusstsein an Wissen.
Libertin schrieb:Eben. Da steckt aber eben auch die Gefahr drin. Denn die Kinder, die mit dem Regelunterricht evtl. sogar besser klar kommen als mit individuellen Förderunterricht (es gibt Schüler, die in diesem Rahmen mit der Konstellation des "im Fokus stehen" nicht so gut zurechtkommen) würden in Deinem System hinten drüber fallen.
So meine ich das nicht. Ich meine nicht, dass alle Kinder in denselben Förderunterricht sollen.
Ich meine, dass bei jedem Kind vorher nachgedacht werden sollte, was wohl sinnvoll wäre (vor allem wenn es zwangsmaßnahmen betrifft).
Wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass für eine breite Klasse eines Jahrgangs Regelunterricht zum Lesen lernen sich als das beste bewährt hat, dann soll man alle die zum Regelunterricht lesen schicken, bei denen man das eben glaubt. Ich meinte das mit dem 'Förderunterricht muss regel' werden eher so, als dass Förderunterricht eben nur den Kindern gegeben wird, bei denen man sich sehr sicher ist, dass der unterricht bei ihnen etwas nutzt.
So müssen wir allgemein mit unterricht umgehen: Unterricht nur dann, wenn er etwas nutzt und das müssen wir messen und begründen.
Ich vertrete eben die these, dass der allermeiste unterricht heute niemanden etwas nutzt. Man perpetuiert ihn aus tradition und weil man sich einredet, er würde etwas beibringen, obwohl es dafür eigentlich keine stichhaltigen gründe gibt.
Libertin schrieb:Ich würde da eher eine Art Mischform befürworten, in der im Rahmen der aktuellen Schulsysteme je nach Bedarf noch mehr der Schwerpunkt in individuelle Förderung gelegt wird. Eine Komplettabschaffung der derzeitigen Schulformen stelle ich mir zudem schwierig vor politisch durchzusetzen und halte es in Form eines ad hoc Verfahrens auch nicht für vernüftig, solange die flächendeckenden Auswirkungen auf die Lernleistungen der Schüler nicht wirklich klar sind.
Ja, natürlich müsste man das langsam machen. Ich würde bei änderungen der Grundschule anfangen. Die ist vom Ablauf her am wenigsten steif und da kann man die meisten der Probleme der späteren Jugendlichen schon abfedern.