Rassismus
02.04.2021 um 18:39Da heute scheinbar Lesetag ist, bin ich noch auf einen interessanten Artikel gestossen, der Antiziganismus zum Thema macht.
Darin wird unter anderem auch auf die Bezeichnung "Zigeuner" eingegangen.
Darin wird unter anderem auch auf die Bezeichnung "Zigeuner" eingegangen.
Die Heidelberger Forschungsstelle AntiziganismusQuelle: https://www.ruprecht.de/2021/03/18/die-heidelberger-forschungsstelle-antiziganismus-fsa/
Sie haben die Selbstbezeichnung angesprochen, seit Kurzem steht auch der Begriff „Antiziganismus“ teilweise in der Kritik, weil er diesen Wortstamm „Zigan“ für „Zigeuner“ beinhaltet. Was sagt die Forschung und was sagen Sie als Forscherin bzw. Forscher dazu? Steht es zur Diskussion, ob man vielleicht einen anderen Begriff finden soll?
Gress: Ja, gerade in den letzten Tagen wird wieder vermehrt darüber diskutiert. Der Begriff wird nicht von allen Betroffenen akzeptiert, weil einzelne Minderheitsangehörige bereits die Wiederholung des Lexems „Zigan“ als Verletzung empfinden. Allerdings sprechen sich auch viele Sinti und Roma explizit für die Verwendung des Begriffs aus, darunter die wichtigsten Selbstorganisationen wie der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma oder auch der baden-württembergische Landesverband Deutscher Sinti und Roma. Wissenschaftlich gesehen sprechen mehr Argumente für als gegen diese Bezeichnung. Die Forschung hat auch gezeigt, dass der Begriff von der Minderheit selbst eingeführt wurde. Russische Roma-Aktivisten verwendeten das Wort bereits in den 20er Jahren. Ausgehend vom russischen wurde dann auch der englische Begriff „Antigypsyism“ geprägt. Wir in Deutschland kennen den Terminus erst seit den 70er Jahren. Meines Erachtens nach hat sich keine bessere Alternative finden können. Wir haben bereits darüber gesprochen, dass sich die Antiziganismusforschung viel mit Konstrukten, Projektionen oder Stereotypen beschäftigt. Wenn wir jetzt zum Beispiel den Alternativbegriff „Antiromaismus“ verwenden, könnte dies zum Missverständnis führen, dass antiziganistische Bilder mit der realen Minderheit gleichgesetzt werden – die Roma sind aber nicht verantwortlich für den Rassismus gegen sie. Auch historisch gesehen würde der Begriff „Antiromaismus“ auf die Geschichte zurückprojizieren, dass lediglich Roma vom Rassismus betroffen waren, aber das ist nicht korrekt. Im Laufe der Jahrhunderte wurden noch andere Gruppen so stigmatisiert, zum Beispiel die Jenischen oder Irish Travellers. Ein weiterer Vorteil des Wortes Antiziganismus ist: Er ist zwar noch nicht sehr bekannt, aber was den meisten, die ihn erstmals hören, auffällt, ist die Analogie zum Antisemitismus-Begriff. Was Antisemitismus ist, wissen sehr viel mehr Menschen, dies kann auch dabei helfen, die Gesellschaft stärker für ein Engagement gegen Antiziganismus zu sensibilisieren.