Zarathustra80 schrieb:Nur ein - zugegeben eher belangloses - Beispiel ist etwa die Erwähnung ihrer Erfahrung als weiße amerikanische Schülerin, die in Baden-Württemberg aufgewachsen ist und dort bei Mitschülern und Lehrern mit ihrer "Fremdheit" punkten konnte. Dann vergleicht sie sich mit ihren türkischstämmigen Mitschülern und folgert daraus: "Dieses Privileg wird mir zuteil, allein, weil ich weiß bin." Ich bezweifle nicht, dass sie überwiegend positive Erfahrungen gemacht hat - allerdings bin ich mit sehr vielen Spätaussiedlerkindern aufgewachsen und konnte daher hautnah miterleben, dass es auch Weiße "mit Migrationshintergrund" gibt, bei denen die Herkunft (Osteuropa) kein positives Merkmal gewesen ist und die auch gesellschaftlich ausgegrenzt wurden. Und dies obwohl sie weiß/deutsch waren und in der Regel auch deutsche Nachnamen hatten. Der "Migrationshintergrund" den die Autorin im Artikel als abwertend und stigmatisierend einstuft, wurde meines Wissens nach gerade wegen der Spätaussiedler überhaupt eingeführt. In meinen Augen verallgemeinert sie da ihre subjektiven Erfahrungen und erweckt den Anschein ihre eigenen Erfahrungen müssten auch für alle anderen weißen Migranten in Deutschland gelten. Es dürfte wohl tatsächlich so sein, dass weiße Einwanderer aus den USA, Frankreich und Skandinavien eher ein positives Interesse bei ihren Mitmenschen wecken - es gibt aber auch Weiße, die aus Ländern stammen, die eher eine negative Reaktion bzw. Desinteresse auslösen.
Darüberhinaus ist es auch leicht, die eigene Geschichte rückblickend so zu erzählen, dass sie in ein bestimmtes Muster passt.
Im Artikel wird gesagt:
Die kritische Weißseinsforschung macht deutlich, dass man nie aus einer vermeintlich objektiven, neutralen Perspektive heraus schreibt oder spricht. So wird es spätestens jetzt Zeit in diesem Essay, dass ich meine eigenen Karten auf den Tisch lege:Also es geht gerade nicht um eine Verallgemeinerung.
Es geht darum, aus welcher Perspektive schreibe oder spreche ich, spricht der Einzelne.
Karten auf den Tisch legen:
Auf dem Foto unter Gerlind seht ihr meine Eltern.
Meine Mutter bäuerlicher Herkunft schon seit hunderten von Jahren familiär seßhaft im Dorf.
Von meinem Vater weiß ich nicht viel. Er kam aus der Stadt als jüngstes Kind einer proletarischen Familie.
Zog zu meiner Mutter aufs Land, wurde im Dorf "Peter" genannt, abgeleitet vom "schwarzen Peter" , weil er so schwarze Haare hatte. Er hieß eigentlich "Christian". In Briefen , die ich im Keller fand, nannte meine Oma mütterlicherseits meiner Mutter gegenüber meinen Vater "schwarzer Teufel."
Eine Psychoanalytikerin meinte zu mir, ich könne und wollte meinen Vater nicht verraten und hätte deswegen mein Studium abgebrochen. Sie hat Recht. Ich kann und will meine proletarische Herkunft nicht verleugnen oder verraten. Möchte meine Position in herrschender Gesellschaft aber dennoch vermitteln.
Erst so langsam begreife ich das Stigma, dass das Aussehen und die Herkunft(aus einer Stadt) meines Vaters im Dorf für unsere Familie ausmachte.
Ich will nicht jammern. Ich weiß nicht ob ich weiß oder schwarz bin. Ich habe keine eindeutige Identität.
Von da aus spreche ich, versuche ich Rassismus, Antirassismus, kritische Weißseinsforschung zu begreifen.
"Rassismus" kann im Grunde nur bedeuten, verschiedene menschliche Rassen zu konstruieren aufgrund äusserlicher Merkmale und seine so konstruierte Rasse, der man sich zugehörig fühlt höher zu werten als andere solcher art konstruierter Rassen.
"Antirassismus" kann so nur bedeuten, daran zu arbeiten, dass ich "Rassismus" erkenne, um ihn aufzulösen. Das geht aber nicht so, dass ich ständig nur auf andere und ihr rassistisches Verhalten zeige, um von meinen rassistischen Verinnerlichungen wegzuzeigen, um sie nicht zu sehen.
D.h. aber dann wiederum nicht auf offensichtlichen Rassismus nicht negativ zu reagieren.
Der Begriff "kritische Weißheitsforschung" ist mir nicht so deutlich.
Ich denke er geht ins Philosophische, hat was mit Differenz- und Identitätsdenken zu tun.
Dass Global ein Denken herrscht, es gäbe ein Denken für alle und jeden, dass im Lexikon steht.
Dieses Denken sei wahr für alle und jeden und es beruhe auf Fakten, die nur eindeutig interpretiert werden können. Es sei nicht einfach bloss, männlich, weiß, herrschend und vernünftig.