Streuselchen schrieb:Darf ich kurz einhaken und fragen warum du die Diskussion um die Mohrenapotheke, den Ort Neger und die "satirischen" unlustigen antisemitischen Äußerungen von L.E als Nichtigkeit betitelst und wie du zu dem Schluss kommst, das man das auch noch aufblasen würde?
Und warum du dann dem Thread so aktiv beiwohnst, wenn es doch alles nicht diskutierwürig wäre? Welche Strategie genau steckt da dahinter?
Hauptsache ganz laut dabei?
Das kann ich dir erklären. Ich glaube, dass solche extrem vehement geführten teildiskussionen genau das Thema verwässern und kaputtmachen. Sie erzeugen Streit, ohne Mehrwert.
Natürlich ist das gut, darüber mal zu sprechen, dass auch historisch gewachsene Namen, die nicht auf eine rassistischen Denkweise fußen (ich glaube keiner hier behauptet, die Mohrenapotheke will bewusst Schwarze herabwürdigen), verletzend sein können.
Für mich ist das aber nur ein sehr kleiner Teilbereich dessen, worum es bei PC geht.
Es geht um das gemeinsame hinwirken und auch das GEMEINSAME diskutieren darüber, wie eine empathische Sprache aussehen kann und wie man miteinander umgehen möchte in unserer Gesellschaft. Da bleibt es nicht aus, dass es zu KOnflikten kommt, die nichts mit Rationalität sondern Weltanschauung zu tun haben.
Das sind keine mathematischen Probleme, die richtige Lösungen haben, sondern Konsensfragen.
Wenn ich es schaffe, gesellschaftlichen Konsens zu erzeugen z.B. beim Wort Neger, dann kann ich als gesellschaft das Wort nicht mehr verwenden. Tun wir auch nicht mehr. Die, die das machen, erfahren auch außerhalb von randgruppen der Gesellschaft Ächtung. Wenn ich Schwarze, selbst unter Weißen, ernsthaft (und nicht als Satire oder sonstwie) als Neger tituliere, werde ich von meiner Peergroup dafür für gewöhnlich zurechtgewiesen oder mindestens, je nachdem wie konfliktscheu, schief angesehen und verurteilt.
Und das ist gut so. Da herrscht ein Konsens in der Mehrheitsgesellschaft.
Das wird umso problematischer, umso weniger Konsens da ist. Wenn eine Meinungsminderheit extrem aggressiv auftritt und da eine mehrheit ist, die deren punkte nicht einsieht, führt das zu Trotz undzwar nicht nur gegen diesen einen Punkt, sondern gegen PC an sich. Und das nichtmal ganz zu unrecht. Man lässt sich nicht vorschreiben, wie man zu reden hat, wenn man es nicht einsieht. Und das einsehen ist eben keine Argumentationsfrage (weil es da durchaus verschiedene vollkommen legitime sichtweisen gibt), sondern eine weltanschauungsfrage in vielerlei hinsicht. Man kommt da gar nicht umhin, manchmal gegenteilige Meinungen stehen zu lassen. Außer man will jahrelang sinnlos streiten ohne mehrwert für die, für die man angeblich kämpft.
Um zu Lisa Eckhart zu kommen: da ist ganz klar die frage: Darf ich solche Worte und Klischees in Satire verwenden? Die meisten Leute finden: Ja, darf man. Oder es stört sie wenigstens nicht. Sonst wäre LE nicht erfolgreich auf den doch eher typisch liberalen Kabarettbühnen unterwegs, wo auch mal Serdar Somuncu, mal David Precht rumhängen.
Da kommt dann aber einer doch recht kleine meinungsminderheit, Megaphonartig von Onlinezeitungen verstärkt, und sagt: Aus die maus, das IST rassistisch. Nicht 'wir finden das nicht gut weil es trotzdem rassistische klischees fördert' als argumentationsbeginn, sondern 'das ist rassistisch und das darf man nicht machen' als Argumentationsende.
Es wird nicht offen als gesellschaft ausdiskutiert, wann aufgegriffene Klischees in Satire und Comedy problematisch sind, sondern einfach behauptet, dass das schon ein unumstößlicher fakt sei, dass LE rassistisch agiert. Natürlich lässt sich die Mehrheit aber das von einer Minderheit nicht vorschreiben. Im gegenteil: Es ist super Munition gegen jegliche PC bestrebungen, die von Rechten sehr leicht auch gegen die Punkte, für die die meisten Menschen offen wären benutzen können.
So können wir nicht zu mehr empathie in Sprache kommen, weil man in einer KOnfliktlogik steckt.
Bei der Mohrenapotheke ist das so ähnlich. Ich glaube, bei der Zersplitterung dieser Themen hat man nichtmal einen belastbaren konsens unter den vermeintlich diskriminierten gruppen bezüglich der frage, wie man das hand haben sollte. Beim wort Neger hat man das ganz klar. Ich bin sicher, die aller meisten Schwarzen lehnen das wort (genau wie zum glück die aller meisten weißen) ab. Aber wenn ich mal den Querschnitt der schwarzen Kabarettzuschauer in D nehme, da wäre ich mir nicht sicher, was da wohl rauskommt bei der Frage bezüglich Lisa Eckhart. Meist spielen sich diese Diskussionen fast ganz ohne Zutun der diskriminierten Gruppe ab (es sei denn, einzelne Stimmen werden von den einzelnen Meinungsbläcken gekapert wie ein Token).
Und das ist mein problem damit, diese kleinen randprobleme hochzustilisieren. Es sind nicht die grundsätzlichen Probleme, die wir bezüglich empathischer sprache und empathischen umgang miteinander haben, sondern teilprobleme, die wunderbar ablenken, ohne zu nutzen.