CosmicQueen schrieb:Wieder nichts eindeutiges mal..
Hier ist es eindeutig eindeutiger:Das Wort Mischpoke bedeutete im Jiddischen, das vor 100 Jahren noch 10 Millionen Menschen weltweit gesprochen hatten, einfach Familie – „mischpoche“. Ganz wertneutral. Weder positiv, noch negativ. Eingedeutscht bekommt es einen düsteren Beiklang, eine Anrüchigkeit, wie eine verschworene Gemeinschaft.
„Es ist also ein Bedeutungswandel. Wenn man heute von Mischpoke spricht im Deutschen, hat es immer etwas Sinistres, Dubioses, entweder ein korrupter Zusammenhang oder irgendwie eine dunkle Seilschaft. Und dieser Bedeutungswandel ist nur dadurch zu erklären, dass ein gewisses Bild von Jüdinnen und Juden abgefärbt hat auf dieses Wort. Dieser Bedeutungswandel ist etwas, was antisemitisch ist. Deswegen von dem Wort Mischpoke in der Verwendung als irgendwie Negativ-Wort sollte man Abstand nehmen, um nicht dieses antisemitische Bild, dieses Stereotyp zu nähren und zu affirmieren.“
Ein anderes Beispiel ist das Wort Schachern. Im Buch schreibt Ronen Steinke:
„Geschacher um Ministerposten, so liest man manchmal. Gemeint ist übles, feilschendes Geschäftemachen. Es kommt vom Jiddischen sachern. Sachern bedeutet im Jiddischen ganz einfach Handel treiben, ohne jeden abwertenden Unterton. Abwertend wird es erst im deutschen Gebrauch als Lehnwort. Nicht der lexikalische Inhalt, sondern allein die jiddische Herkunft sorgt für eine negative Deutung dieses ansonsten wertneutralen Wortes. Die deutsche Sprache macht daraus ‚handeln wie ein Jude‘.“
Und das Ressentiment gegenüber jüdischen Händlern beinhaltete so etwas wie „unlauterer, profitsüchtiger Handel“. Je mehr man von diesem Bedeutungswandel erfährt, umso gruseliger wird einem bei der Lektüre. Viele Prägungen stammen noch aus der Zeit vor dem 19. Jahrhundert, wo das Wort Antijudaismus noch nicht erfunden war, aber in der Sprache durchaus anwesend ist. Bei dem Wort Mauscheln beispielsweise erschließt sich der Zusammenhang nicht sofort.
„Das Wort Mauscheln kommt ja heute häufig vor in den Medien: Mauschelei bei der Banken-Fusion oder Mauschelei im Gemeinderat fehlt in keiner Lokalzeitung als Schlagzeile. Das kommt historisch daher, dass der jüdische Vorname Moses oder Mosche – oder Mauschel im deutschen Sprachraum –, der hergenommen wurde als pars pro toto, Name für alle Juden, so ähnlich wie Ali auch in rassistischer Absicht für Türken verwendet wird.“
Der Mauschel, das war also der Jude. Und das Verb mauscheln sollte ausdrücken, dass jemand wie ein Jude redet. Und zwar negativ. Nichts anderes bedeutet dieses Wort bis heute. Abgeleitet von einem Spottnamen für Juden.
„Man mag es vielleicht mit der Intention verwenden, die vollkommen unschuldig ist, dass man ausdrücken möchte, hier werden irgendwie korrupte Dinge besprochen, hinter vorgehaltener Hand im Gemeinderat oder wie auch immer. Aber man greift damit ein altes antisemitisches Klischee auf und verbreitet es weiter.“
Die Ausgrenzung von Juden in der deutschen Geschichte ist bekannt. Juden wurden in früheren Jahrhunderten herkömmliche Berufe verboten, sie waren auf den Handel, auch mit Geld, festgelegt. Wenn es Missernten gab, wurden sie als angeblich Schuldige ausgemacht. Ein klares Feindbild. Aber es gab auch gut gemeinte Versuche, die Ausgrenzung von Juden aufzubrechen, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Es wurden Synonyme gesucht für das arg belastete Adjektiv „jüdisch“. „Mosaisch“ ist so ein Versuch. Leider geht dieser Begriff für die jüdische Religion völlig am Selbstverständnis der Juden vorbei.
Quelle:
https://www.deutschlandfunk.de/antisemitismus-in-der-sprache-wenn-die-mischpoke-schachert.886.de.html?dram:article_id=488405„Diese Sprechweise ist toxisch“
Ronen Steinke geht es nicht darum, Wörter zu verbieten. Es geht ihm um Aufklärung. Natürlich kann es nicht jeder wissen, wovon sich die verschiedenen jüdischen Begriffe ableiten.
Ronen Steinke: „Antisemitismus in der Sprache“
Duden Verlag, 2020, 64 Seiten, 8,30 Euro
Das erste Gesetz der Nazis war das erste Verbrechen, das Blutschutzgesetz.
Das zweite Verbrechen der Nazis war die
Entinduvidualisierung der zu diffamierenden Menschen.
Daran haben wir jetzt noch zu tragen!
Und daraus resultiert, dass wir über die von den Nazis verfolgten Menschen nichts wissen und das was wir wissen, falsch ist.
Das war alles vor dem Holocaust und hat diesen -so fassongslos uns das auch machen mag-, überdauert.
Wir leisten dem weiteren Vorschub, wenn wir uns nicht täglich bemühen, korrekt zu sprechen.
Ist meine Meinung!