Political correctness, ein gescheitertes Experiment
09.03.2018 um 15:30
Kulturelle Aneignung findet in einer globalisierten und vernetzten Welt doch tagtäglich und durchaus wechselseitig statt.
Es gibt jodelnde Japaner oder rockende Rheinländer, Afro-Amerikaner im Trachtenanzug und Deutsche in Saris.
Wenn man mit Menschen aus anderen Sprachräumen zu tun hat, kann es ja auch nicht schaden, sich gegenseitig etwas beizubringen. Kultureller Austausch entsteht immer dann, wenn sich Menschen aus verschiedenen (Sub)Kulturkreisen begegnen. Ich empfinde es als ausgesprochen positiv, etwas über andere Menschen, ihr Denken, ihre Lebensumstände, ihre Traditionen zu erfahren und ihnen meine nahe zu bringen.
"Warum suchen Christen anlässlich des Todes ihres Propheten eigentlich nach bemalten Eiern?" war beispielsweise eine der Kulturfragen, die ich anlässlich einer internationalen Osterfeier beantwortete.
Aus einem anderen Thread ausgebuddelt:
Mir persönlich sind eigentlich keine Traditionen wichtig, aber ich respektiere die Traditionen anderer. Wer also meint, sich zum Schützenfest eine komische Uniform anziehen zu müssen oder zum Karneval eine komische Maske, der möge das gern tun.
Bei Kindern sehe ich das etwas anders. Sie fühlen sich ausgeschlossen, wenn ihre Freunde beispielsweise einen Nikolausstiefel haben, einen Tannenbaum, Ostereier, eine Schultüte oder einen schönen Kindergeburtstag. Ich habe Menschen kennen gelernt, die z.B. in Familien der "Zeugen Jehovas" aufgewachsen sind, wo es das alles eben nicht gab. Die Kinder waren Aussenseiter und haben darunter gelitten. Das geht denen als Erwachsenen noch nach.
Jetzt, da die Vorweihnachtszeit wütet, erkläre ich "meinen Flüchtlingen" schon, was es damit auf sich hat. Zumindest die Familien, vor allem die Kinder, sind davon begeistert. Witzig finden die meisten, dass wir als Ungläubige dergleichen mit machen. Aber so ist das eben mit Traditionen.
Inzwischen haben wir schon einige Kindergeburtstage organisiert, den Eltern erzählt, was bei uns so üblich ist: Deko mit Luftballons und Girlanden, Geburtstagskuchen, Geschenken, Gesang und Spielen. Begeisterte Eltern haben das mit ihren Smartphones gefilmt und an Verwandte in ihren Herkunftsländern oder in ihren Flüchtlingscamps irgendwo geschickt. Nach meinen Informationen wird in den meisten Herkunftsländern beispielsweise kein Geburtstag gefeiert.
Laterne laufen haben wir auch schon gemacht. "Hier kann man nach Einbruch der Dunkelheit tatsächlich mit den Kindern auf die Strasse gehen, ohne Angst haben zu müssen?" Erstaunen bei Menschen aus Somalia, dem Irak oder Afghanistan.
Jetzt basteln meine Kinder mit einigen Familien Weihnachtsschmuck. Ein internationales Frauenteam backt Weihnachtsplätzchen. Aber ohne Schmalz - weil haram. Geht auch. Ich checke augenblicklich den Bedarf an Weihnachtsbäumen und erkläre - als Unchrist - Muslimen die Adventszeit. Dass ich das noch mal erleben darf. :D
Am 21. Februar geht's ab zum Biikebrennen - das muss erlebt haben, wer ein echter Nordfriese sein will - egal, ob er aus Stuttgart oder Somalia, aus Bremen oder Burundi kommt.
Nordfriesisches Lotto, eine Art Bingo, haben wir auch schon erklärt. Dann kommt noch Bosseln und Ringreiten - und dann sind sie alle Nordfriesen h.c.
Schliesslich haben "wir" auch Valentinstag, Muttertag, Halloween, den 8. März, den 1. Mai übernommen. Oktoberfeste gibt's in jedem Kuhkaff im Norden, in Hamburg gibt's japanisches Kirschblütenfest und British Day - und überall, wo mal ein Ire war, St. Patricks.
Ungläubige, muslimische und christliche Kinder stellen in Kitas zum Nikolaus ihren Stiefel hin. Dänische Nachbarn adaptierten die Schultüte und den Weihnachtsbaum von der deutschen Minderheit, wir übernahmen St. Hans von ihnen und die Biike von den Friesen.
Geht doch alles!