@Realo Hm, interessant...
Modell "Kopfkonto"→ Dank der fortschreitenden Technisierung geht es sogar noch einfacher und übersichtlicher. Nach einem staatlich/gesetzlich festgelegten
Steuerpunktesystem werden alle Bankkonten und Depots mit einem virtuellen Punktekonto verknüpft, auf dem
Steuerpunkte (nennen wir sie aus Marketing-Gründen mal "Tax Points" oder "TPs") gutgeschrieben werden. Nach jeder Transaktion auf die Habenseite kommt die entsprechende Anzahl TPs in die Bilanz. Diese staffelt sich nach
Liquiditätsstand, ergo dem direkt verfügbaren Geldvermögen. Um Immobilien, Aktien oder Landstücke zu kaufen, muss man liquide sein. Auch, wenn das Girokonto mit dem Betrag des zu erwerbenden Vermögenswertes belastet wird und infolgedessen Liquidität abnimmt, erfolgt eine Gutschrift auf dem TP-Konto nach festgelegter TP-Anzahl für den äquivalenten Vermögenswert.
Wenn der Rich Man also 50 Millionen auf der hohen Kante hat und beschließt, sich eine Immo für 1 Million zu besorgen, hat er danach 49 Millionen auf dem Girokonto. Um die Immo angemessen als
Geldvermögen zu besteuern, wird einfach die 1 Million versteuert und als TP-Kredit auf dem TP-Konto gutgeschrieben. Um keine unnötige Anhäufung von TPs zu bewirken, die zu Lasten der Transparenz geht, sollte in kurzen Zeitabständen eine Abrechnung der TPs erfolgen, um den Kontostand wieder auf 0 zu bringen. Diese Technik wäre auch psychologisch sinnvoll, denn ein Reicher zahlt lieber kleine Summen an Steuern, als direkt einen ganzen Berg, selbst, wenn die Summe der Steuern am Ende die gleiche ist.
Börsengewinne, von denen aktuell 25% abgezwackt werden, könnte man vom TP-System separieren, sodass die gewohnte Kapitalertragssteuer erhalten bleibt. Da dieses Modell bekannt ist und schon lange funktioniert, könnte man es gleich dabei belassen, denn zu viele Neuerungen schaffen nur psychologische Hemmnisse.
Modell "Tempo-Selbstbestimmung→ Sehr guter Einwand. Je weniger Zwang von oben kommt, desto eher wird eine Sache angenommen. Steuern sind v.a. dadurch unbeliebt, dass der Staat wie ein mahnender Erzieher daherkommt und die Bürger finanziell entmündigt. Jeder möchte gern Herr über seinen Besitz sein*, und sich nicht von einer unpersonellen Instanz wie bei einer Schutzgelderpressung (was Steuern genaugenommen sogar sind) bevormunden lassen. Der Aspekt des Gemeinwohls wird a priori ausgeblendet. Schließlich heißt es auch nicht
"Die Allgemeinheit will an meine Mäuse", sondern
"Der Staat will an meine Mäuse". Deswegen sehe ich mehr Selbstbestimmung und auch mehr Aufklärung und Stärkung des sozialen Gewissens als Must-Dos, um dem Projekt Vermögenssteuer eine Chance zu geben.
*und Geld ist Besitz, solang es in Verbindung zu einer Person steht, die über es verfügt
Realo schrieb:Das ist der interessanteste und gleichzeitig umstrittenste Punkt, quasi die rote Linie, denn wenn diese Richtlinie eingeführt würde, ginge ein Schrei durchs Land, und zwar nicht nur bei den Reichen, sondern bei der gesamten Bevölkerung, denn das wäre ja "Sozialismus", und vor nichts haben die Leute mehr Angst, auch wenn sie gar nicht davon betroffen sind oder dadurch sogar profitieren würden.
Es wäre dennoch eine sehr gerechte Lösung. Wenn keiner über, sagen wir, 10 Millionen € Privatvermögen kommen kann, weil mehr schlicht nicht möglich ist (bspw. über Verweigerung von Transaktionen seitens der Bank), wird auch keiner neidisch auf denjenigen sein können, der mehr hat. Die Möglichkeit von Offshore-Zentren wäre ausgehebelt, wenn staatenübergreifend eine Vermögensobergrenze in Kraft träte, da steuerliche Interessen keinen Pfifferling mehr wert wären.
Analog zum
Modell "Kopfkonto/TPs" kann man auch über ein System nachdenken, das, ähnlich einer Strafverzinsung, automatisch Steuern vom liquiden Vermögen abzieht, und zwar auch bei Transaktionen in's Ausland, und diese auf ein zentrales Verrechnungskonto einzahlt. Problem hierbei ist allerdings wieder die finanzielle Entmündigung.
Essenziell sind also Entmystifizierung des Gottes "Staat" zu gerechteren und empathisch taktischeren Entwürfen. Gerecht können diese aber nur sein, wenn sie wirklich
alle betreffen. Ansonsten käme die ewige Neiddebatte aus dem Äther und das Projekt wäre schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt. Erst recht im Ego-Kapitalismus, in dem es sowieso immer darum geht, besser zu sein als der Andere resp. mehr zu haben.
Realo schrieb:Der Staat müsste in einen Dialog mit dem Bürger treten und ihm erklären, dass der Sozialstaat bald nicht mehr über die herkömmliche Rentenversicherung finanziert werden kann, bei der immer weniger Aktive immer mehr "Rentner" oder Sozialgeldempfänger finanzieren müssen
Nein, diese Vorstellung stimmt so nicht.
Die Sozialsysteme drohen aus ganz anderen Gründen zu kollabieren. Jahrelang hat man peu à peu die staatlichen Bezüge abgebaut und als Gegenoption die sog. private Altersvorsorge etabliert, deren volksfreundliches Antlitz längst entzaubert wurde. Gemessen an Erträgen ist das Realnettovermögen durch das klassische Rentenmodell mit den drei Säulen "Gesetzliche Rente - Betriebsrente - private Vorsorge" auf ein Allzeittief abgeschmiert. Die Altersarmut, die uns bald droht, gab es in der Form noch nie in der Geschichte der sozialen Marktwirtschaft. Ihr Usprung ist nicht die Zukunft mangels Einzahlern, sondern die Vergangenheit dank politischer Fehlentscheidungen aus neoliberaler Doktrin der ewigen Profitmaximierung.
Bedenke nur eins. Noch nie waren so viele Menschen arm. Aber es gab auch noch nie so viel Geld.