Zz-Jones schrieb:Ich würde auch nicht so weit gehen, hier von einem "Brechen des Bündnis" sprechen zu wollen.
Stalin forderte von Churchill und Roosevelt auf der Konferenz von Teheran ja die Eröffnung einer 2. Front.
Nun, da hätte man (mit etwas Weitsicht) halt dahingehend argumentieren können, dass dieses dann zur Folge hätte, dass die "Lend-Lease" - Lieferungen dementsprechend zurückgeschraubt werden müßten, da man dieses Material eben für die eigene Offensive benötigen würde.
Das hätte die russische Offensive dann etwas verlangsamt.
Dass Stalin aber ein einmal erobertes Polen nicht wieder zurückgeben würde, hätte eigentlich jedem klar sein müssen.
Theoretisch hatte man die Situation, dass England und Frankreich als die offiziellen polnischen Schutzmächte dann auch die eigentlichen Befreier Polens hätten sein müssen (wie hätte Stalin dem widersprechen sollen?).
Du hast natürlich recht das man hier und da etwas cleverer hätte agieren können. Aber grundsätzlich war die Situation 44/45 meiner Meinung nach nicht mehr zu ändern. Im Laufe des Krieges waren überall kommunistische Gruppen stark geworden, von Frankreich über Italien bis auf den Balkan, China und sogar in Indien. Die sich alle zum Feind zu machen um Polens Schicksal vielleicht noch zu ändern (und vielleicht auch nicht), macht wenig Sinn, denke ich. Zudem wusste man damals nicht wozu man die Sowjetunion und alle anderen Kommunisten noch braucht. Japan war noch nicht endgültig bezwungen. Das der Krieg in Fernost auch 45 zu Ende gehen würde, konnte niemand wissen. Die Lage in China war auch ungeklärt, ebenso auf dem Balkan.
Zudem hatte auch die Sowjetunion noch ihre Optionen. Siehe Spanien, Griechenland, Österreich oder Finnland. Überall hätte Stalin intervenieren können um den lokalen Kommunisten zu Macht zu verhelfen. Er tat es aber nicht. Natürlich nicht aus Herzensgüte und Menschlichkeit, sondern weil er seine strategischen Interessen verfolgte. Dennoch hatte meiner Ansicht nach auch die Sowjetunion 44/45/46 eine gewisse Zurückhaltung gezeigt. Bei einem konfrontativeren Verhalten des Westens, wäre auch das sicher anders gewesen.
Fichtenmoped schrieb:Genau so ist es. Und wenn wir uns die (frühen) 1990er so ansehen, was sehen wir in Russland? Ein Land, was sich gedemütigt fühlt, ein Land im Umbruch und maximaler Unsicherheit. Der kalte Krieg - verloren. Der Sozialismus - gescheitert. Die mächtige Sowjetunion - zerbrochen. Die Wirtschaft - am Boden. Demokratie - im Aufbau, aber ohne Erfahrung.
Hätte „der Westen“ was anders machen können? In vielen Köpfen spukt die Idee herum, dass „der Westen“ Russland allein gelassen hätte und deswegen die Situation so schlechterer, dass Putin ja zwangsweise so geworden ist wie er jetzt ist.
Aber es gab ja Wirtschaftshilfen, es gab Versuche die Demokratie zu stärken - aber zu viel wäre eine direkte Einmischung in die Politik Russlands gewesen und ging manchen Leuten schon zu weit.
Ich denke man muss sich erstmal von den Gedanken und Ideen freimachen, das Russland primär auf Impulse aus dem Westen reagiert und sein Handeln nach uns ausrichtet. Das ist meiner Meinung nach nicht so. Die Machthaber im Kreml sind mächtig und selbstbewusst genug um eine eigene Politik zu verfolgen und zu gestalten.
Putin und viele andere um ihn herum sind auch nicht zwangsweise so geworden, wie sie jetzt sind. Das ist schon ihre eigene Entscheidung gewesen. Allerdings hatten sie dafür ihre Gründe. Uns mag das teilweise absurd und bizarr anmuten, aber Andropows Schule wirkt nach: Stärkung der Sowjetunion im Inneren, aggressive Machtpolitik nach außen. Das sind die Lehr- und Leitsätze mit denen Putin groß geworden ist. Und so manch anderer im Kreml auch. Zu Andropows Schule gehört auch eine gewisse Paranoia, ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber allen, die anders denken oder auch nur anders denken könnten.
Dazu kommt meiner Ansicht nach noch schöde Machtpolitik. Wenn man so will: einfache Mathematik. Wirtschaft und Demographie entwickeln sich nicht gerade günstig für Russland. Wenn der Kreml noch irgendetwas erobern will, das muss er es ja wirklich *jetzt* tun. In 20 oder 30 Jahren wird das nicht mehr möglich sein.