Russland das Buhland... aber warum?
12.04.2022 um 17:16Ein ausführlicher und wie ich finde guter Artikel zu Deutschlands Umgang mit Russland, der sich bis heute nicht geändert zu scheinen hat.
Lesenswert.
TAGEBUCH AUS DEUTSCHLAND (3): DEM DESPOTEN DIE TÜRE ÖFFNEN ODER DIE UNFÄHIGKEIT, SICH EINEM KONFLIKT ZU STELLEN
https://www.salonkolumnisten.com/tagebuch-aus-deutschland-3-dem-despoten-die-tuere-oeffnen-oder-die-unfaehigkeit-sich-einem-konflikt-zu-stellen/
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TAGEBUCH AUS DEUTSCHLAND (3): DEM DESPOTEN DIE TÜRE ÖFFNEN ODER DIE UNFÄHIGKEIT, SICH EINEM KONFLIKT ZU STELLEN
Man hätte eigentlich wissen müssen, dass man mit der bedingungslosen Diplomatie gegenüber Russland seit über einem Jahrzehnt auf dem Holzweg ist.1 Spätestens als Putin mit seinem Fait accompli 2014, der Besetzung der Krim und dem hybriden Krieg im Donbass, alle überrumpelte, wäre ein radikales Umdenken überfällig gewesen.
Das Irritierende ist die Kontinuität dieses Versagens. Der deutsche Sonderweg, der ein besonders nachgiebiges Verhältnis zu Russland propagierte, erschien schon vor 1989 unseren Nachbarn verdächtig. Ausgerechnet in Deutschland tat man sich auch auffallend schwer mit den emanzipatorischen demokratischen Bewegungen der Länder, die zwischen der Achse Moskau-Berlin lagen. Insbesondere im altlinken und sozialdemokratischen Spektrum war man beseelt von einem guten Verhältnis mit den Machthabern im Kreml. Sowohl Egon Bahr als auch Helmut Schmidt setzten auf die moskautreuen Kräfte und lehnten – anders als französische Poltiker – Besuche bei Vertretern der Solidarność ab. Diese Freiheitsbewegung, die den Epochenwandel von 1989 erst ermöglichte, erschien hierzulande als Bedrohung des Friedens.
Nach dem Schock 2014 begann indes doch eine Diskussion mit unseren Nachbarn über die Politik gegenüber Russland. Nach der Annexion der Krim fanden sich auch deutsche Spitzenpolitiker zum Austausch in Warschau ein – auch wenn das nicht immer den Weg in den Zeitungen fand. Polnische Wissenschaftler und Russlandexperten rieten den deutschen Sozialdemokraten dabei, die Politik Russlands realistischer zu sehen und nicht mit der eigenen – an den Wendepunkten 1945 und 1989 glücklich verlaufenen – deutschen Geschichte zu verwechseln. Der Hinweis der polnischen Politologen war klar: In Deutschland habe man im Wiedervereinigungstaumel und der Dankbarkeit gegenüber Politikern wie Gorbatschow übersehen, dass in Russland nach 1991, und noch viel ausgeprägter mit der Präsidentschaft des KGB-Manns Putins, der Apparat und seine Strategen an den alten Doktrinen gegenüber dem Westen festhielten.
Wiederum ins Kalkül Putins passt, das man in Deutschland deutlich mehr als in anderen Ländern über den Atomkrieg redet. Die Debatte zeigt ihm, dass seine Einschüchterungsversuche auf fruchtbaren Boden fallen. Die ausgerufene sicherheitspolitische Zeitenwende zeigt indes, wie schwach unser Wirtschaftswunderland tatsächlich ist: Kein Wunder, dass wir von unseren Nachbarn weiterhin nicht als wichtiger Eckpfeiler für ein stabiles Europa wahrgenommen werden, sondern im Zweifel eher als Problemfall für ihre Sicherheit.Quelle:
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