2320 schrieb:Dagegen stehen 100.000 Beispiele, die nicht im Eisberg endeten.
Anderes Gegenbeispiel: Kennst Du den Film "Meuterei auf der Bounty"?
Natürlich muss es weder beim Eisberg, noch dem Kentern eines Schiffes enden. Die Kausalität ist hier die entscheidende Frage. Ein rationaler, weitsichtiger Kapitän ist auch nicht das Problem, im Anarchismus gibt es keine Regel die es verbietet das es einen führenden Kopf gibt, es geht nur darum das sich die "mögliche" Überheblichkeit dieses über die Interessen und das Wohl der Crew hinweg setzt. Das Prinzip der Genossenschaft passt auch hier sehr gut, dabei geht es nicht darum auf einzelne verwaltende Organe und Entscheidungsträger zu verzichten (kopflose Gesellschaft), sondern darum die Macht und Privilegien einzelner einzugrenzen, so das es eben nicht mehr zu einer irrationalen Spannungspolitik kommt bei der ein Schiff kentert. Man begegnet sich auf Augenhöhe hat aber gleichzeitig auch Verantwortungs- und Entscheidungsbewusstsein. Man kann sicherlich nicht die perfekte Entscheidung treffen, jedoch ist es wichtig sich z.B. mit der Crew abzustimmen bevor man eine Entscheidung trifft. Wenn mehrere Mitglieder einer Genossenschaft ihre Bedenken bezüglich einer Entscheidung äußern, liegt es im Ermessen des Entscheidungsträgers diese zu berücksichtigen oder er stellt sich über die Bedenken hinweg und begeht möglicherweise einen großen Fehler. Manche Risiken werden erst zu großen Problemquellen wenn einzelne Entscheidungen treffen die nicht im Einklang mit der Basis sind.
Natürlich kenn ich die "Meuterei auf der Bounty", meine Gegenfrage wäre, kennst du "Moby-Dick"?
;)2320 schrieb:Sagt wer?
Die größten Schicksalshaften Entscheidungen in der Geschichte der Menschheit gingen von einzelnen Führungseliten aus, die ihre Interessen über das Volk und eben auch über die benachbarten Länder gestellt haben. Das es verantwortungsbewusste Führungspersönlichkeiten gibt streite ich nicht ab, es geht mir allein um die Egozentriker und Egomanen, eben die Despoten und Plutokraten. Die Manipulation und Propaganda durch bestimmte Ideologien war bisher überwiegend durch "Alpahs" und Eliten geprägt. Da reicht ein genauer Blick in die Geschichtsbücher. Man sollte als Spezies reifen über die Generationen und aufhören ständig diese Fehler zu wiederholen. Eine Dezentralisierung von Macht "könnte" eine mögliche Lösung des Problems sein. Die Gewaltenteilung war schon ein Schritt in die richtige Richtung.
2320 schrieb:In Argentinien gab es in den 90ern auch etwas ähnliches, okkupierte, selbstverwaltende Industrie.
Nicht nur da, auch in Spanien durch die CNT, zum Teil auch in Chile zur Zeit von Allende, oder im Ruhrgebiet mit der FAU-IAA, bei den Zapatisten der EZLN in Mexiko. Wobei es nicht immer nur um die Industrie ging, es ging um alles was mit der Produktion zu tun hatte. Leider haben die Faschisten unter Franco das in Spanien zerstört und im Ruhrgebiet wurde es durch die Nazis zerschlagen, in Chile gab es einen durch die CIA gedeckten Militärputsch. Man sieht also das die konterrevolutionäre meist einen kapitalistischen, faschistischen oder nationalistischen Hintergrund hatten.
2320 schrieb:Da werden einige Schwierigkeiten in der Umsetzung, wie z.B. Konkurenzfähigkeit, deutlich.
Der Sinn des Anarchosyndikalismus ist es eine bedarfsorientierte Gütergesellschaft zu etablieren, das Konkurrenzprinzip entstammte der marktwirtschaftlichen Akkumulation, diese basiert auf dem Irrglauben eines unbegrenzten Wirtschaftswachstums, mittels Expansion. Wobei sich irgendwann zwangsläufig Monopole und Großunternehmen bilden, die dann selbst wieder das "fairplay" einer gesunden Konkurrenz belasten oder gar zerstören. Unbegrenztes Wachstum ist aber in einer Welt mit begrenzten Rohstoffen nicht möglich, das mündet auch darin das die Umwelt erheblich belastet wird und ganze Regionen zerstört werden. Ohne billige Produktionsregionen (Schwellenländer) und billige Rohstoffregionen (meist 3. Weltländer) und dessen Ausbeutung ist ein weiteres Wachstum undenkbar und einfach nur noch irrational.
2320 schrieb:Was mich ganz besonders an den theoretisch sicher sehr interessanten Theorien zweifeln lässt, sind die Vorgänge in der Ukraine.
Nein in der Ukraine kollidieren nationale und zwischenvölkische Interessen, da war eine Umverteilung und Dezentralisierung bis jetzt noch überhaupt nicht zur Sprache gekommen. Die meisten Kräfte die dort wirken gegen von Nationalisten aus oder von Pro-EU/USA und Pro-Russland Kräften. Es ist vergleichbar mit der Situation einst in Serbien und dem Kosovo. Aktuell ist die Krim eine kleine Neuauflage des Kosovo.
2320 schrieb:Unter den Aktivisten dort gibt es wahrscheinlich auch einige, die solche oder ähnliche Vorstellungen vertreten.
Leider seh ich das nicht, da sind wirklich überwiegend nationale und regionale Interessen am Wirken, zwei Machtsphären die schon sehr viel länger als in der heutigen Zeit Anspannungen und Interessenverschiedenheiten hatten. Die Zündschnur wurde von Nationalisten der West-Ukraine angezündet. Diese und die West-Ukraine erhalten Rückendeckung von den USA und der EU, der Osten eben Rückendeckung durch Russland. Am Ende sind auf beiden Seiten Nationalisten. Die Aktivisten die an Dezentralisierung und Umverteilung interessiert waren, sind inzwischen durch Nationalisten und Faschisten übertönt und übergangen.
2320 schrieb:Wer garantiert, dass in einem solchen "Selbstläufer" nicht plötzlich Gestalten mit schweren Waffen auftauchen und einen vor vollendete Tatsachen stellen(ohne Abstimmung)?
Ein Anarchist mag vielleicht dann und wann auch mal Steine schmeißen, doch liegt es nicht im Interesse seinen Willen über andere zu stellen, denn dann wäre man wieder beim Despotismus. Ein Anarchist würde nicht zur Waffe greifen um eine Veränderung zu bewirken, es wäre mit einer Aufklärungsarbeit verbunden, Bewusstsein schaffen. Für einen Anarchosyndikalen Gedanken spricht mehr die Occupy-Bewegung, die mittels gewaltfreier Proteste agiert. Sie mag etwas eingeschlafen sein und gewiss auch sehr unterschiedliche Vorstellungen gehabt haben, jedoch hat sie bewusst gemacht das man daran interessiert ist den Finanzmarkt zu regulieren und ziemlich alle streben eine Umverteilung und Dezentralisierung an. Durch mangelnde Aufklärung in den Massenmedien wird solch eine Idee natürlich nicht bei den Massen ankommen, aber es reicht schon hier und da etwas mehr Bewusstsein zu schaffen. Der Film Zeitgeist ging schon in die richtige Richtung, besonders der Hinweis auf mögliche, realistische Alternativen. Das Venus-Projekt mag utopisch erscheinen, jedoch ist dessen dezentrale Basis durchaus schon Realität, eben OpenSource Netzwerke, NGOs die sich untereinander vernetzen und viele andere kommunale Netzwerke. Auch das Prinzip der Genossenschaft ist da interessant.
2320 schrieb:Was sind Hierarchien? Gibt es verschiedene Formen davon? Auf welchen Grundlagen entstehen sie, wie können sie sich (weiter)entwickeln?
Eine Hierarchie beginnt da wo jemand den unmittelbaren Willen einer höheren Instanz untergeben ist. Das kann schon eine kleine "Gang" sein mit einer Führungspersönlichkeit, eine Mafia, eine Regierung, ein zentralistisches Unternehmen, eine Diktatur, eine Theokratie. Eine Anarchie steht mehr für einen Freundeskreis von gleichberechtigten Menschen, eine Genossenschaft, eine Kommune, ein Kibbuz, ein dezentrales Netzwerk.
Eine Hierarchie schafft immer Spannungen, mit Druck von oben nach unten, gleichzeitig wird von unten nach oben umverteilt, zu viel Macht und Privilegien für die oberen Instanzen. Eben nach oben lecken, nach unten treten. Die Menschen untereinander bilden eine Hackordnung. Am Ende isolieren sich die Menschen mehr und mehr voneinander.
Man konnte es schon bei einigen Affenarten erkennen, wenn Alphas zu viel Druck auf die unteren ausgeübt haben, ging die Gewalt untereinander auch hoch, als man die Alphas entfernt hatte, stabilisierte sich das Rudel und das Miteinander wurde harmonischer. Das bedeutet auch weniger Stress! Wenn das mal kein Argument ist?
;) Das Problem ist, unter Menschen gibt es dominante und devote, daran kann man nichts ändern, ich finde man sollte diese Eigenschaften vielleicht auf Hobbys, Rollenspiele oder meinetwegen auf SM, verlagern, doch diese Eigenschaften sollten in einer vitalen Gesellschaft gleichberechtigter Individuen keine Rolle mehr spielen! Wir sind keine Affen mehr, auch wenn die Ähnlichkeit noch immer prägend sein mag, wir müssen die tierische Ebene und Primitivität durch Erkenntnis und Lernprozesse überwinden.
2320 schrieb:Ok, das grenzt es theoretisch etwas ab zu den aktuellen Vorgängen.
Die Frage bleibt, ob es mehrheitsfähig, stabil und konkurenzfähig wäre, zumal "stabil" in einem an sich dynamischen Prozess auch Flexibilität erfordert.
Es würde eigentlich schon völlig ausreichen wenn der Staat einfach mehr Freiraum für alternative Lebensmodelle lässt, keine Kommune hat den Wunsch einer Mehrheit ihre Lebensweise aufzuzwingen. Es geht mehr darum zu erkennen das sie funktionieren und sich vernetzen können, wenn da mehr und mehr Interesse gewinnen, wird man auch mehr und mehr eine Regierung obsolet machen. Vernetzung ist effektiver, dynamischer und auch flexibler, eben anpassungsfreudiger. Weil es keine Starrsinnigkeit durch Führer mehr gibt. Das ist schon der Kern des modernen Anarchismus
:)Die Stabilität stellt sich dann ein, wenn das Netzwerk anfängt ein bedarfsorientiertes Güterverteilungssystem zu etablieren, als Gegenstück zur Börse. Ab da könnte es auch für eine gesellschaftliche Mehrheit interessant werden.
2320 schrieb:Man könnte es z.B. als Unternehmensphilosophie innerhalb eines Systems interpretieren.
Wie ginge aber z.B. ein ganzes System, das einer der Ideen, z.B. Anarchosyndikalismus oder anarchistischer Kommunismus folgte, mit einem Unternehmen um, welches auf Grundlage einer bestimmten innovativen Idee mal gegründet worden war, über mehrere Generationen durch geschicktes Wirtschaften Kapital angesammelt hätte und sich schließlich als eines verschiedener elementarer Produzenten etabliert hätte?
Würde es vergesellschaftet werden, auch gegen das eigene Einverständnis? Wäre das gerecht?
Da empfehle ich einen Blick nach Schweden und Dänemark, mit dem schwedischen Modell, es geht im Anarchosyndikalismus im Gegensatz zum Kommunismus nicht mehr darum alles zu vergesellschaften, es geht da nur darum die Produktionsmittel in die Hände der Arbeiter zu geben. Wenn jemand eine Idee hat, wird er sie äußern und etablieren dürfen, nur geht es dann nicht mehr darum sich auf den Lorbeeren seiner Idee auszuruhen und für sich arbeiten zu lassen, es geht darum das die Idee nicht zum Selbstzweck einer reinen Vermarktung wird um daraus solange Profit zu schlagen bis jemand anderes eine bessere Idee hat. Das wird mehr so ein Geben und Nehmen Prinzip. Ist es nötig das einzelne sich allein mit einer Idee loben und auf Ewig daraus Kapital schlagen wollen und hauptsächlich nur sie davon am Ende profitieren? Ist das nicht eigentlich die Pervertierung des American Dream? Ich "glaube" daraus folgt nur Egozentrik und am Ende auch Isolation. Ich habe letztens gelesen das immer mehr CEOs unter psychischen Problemen leiden. Es gibt ziemlich antisoziale Unternehmer die am Ende vereinsamen. Ich weiß nicht ob es gesund ist sich auf Ewig an seinen Erfolg zu klammern und diesen künstlich aufrecht zu erhalten. Das erinnert mich an einen dahinsiechenden mit Lebenserhaltungsmaßnahmen, wobei diese auf Kosten der Arbeiter und Angestellten getragen werden.
Aber um es kurz zu machen, der Kommunistische Anarchismus und der Anarchosyndikalismus haben sich vom Marxismus distanziert, es geht nicht mehr darum alle Unternehmen zu vergesellschaften, es geht nur noch darum die Wirtschaft und Politik zu dezentralisieren und zu vernetzen. Hin zu einer bedarfsorientierten Gütergesellschaft. Da darf es auch noch Chefs geben, nur beanspruchen diese nicht mehr den Großteil des Kuchens, was für einen Sinn hat das überhaupt noch? Die meisten haben so viel Kohle das sie nicht mehr wissen wohin damit und suchen sich Steueroasen um ihren Geiz noch mehr unter die Nase zu reiben, ich find das ekelhaft, darauf kann man nicht neidisch sein! (was ja Revoluzzern gern mal unterstellt wird), nein da bleib ich lieber bescheiden und auf dem Teppich
:DDie Zaren mussten einst auch für ihre Dekadenz bezahlen, oder die Elite der Römer. In den Medien sieht man nicht selten die pure Dekadenz (Wolf of Wallstreet als Beispiel) und man verkauft es nicht als einen negativen Auswuchs der Gesellschaft, nein man idealisiert diesen Lifestyle, so das sich viele die naive Hoffnung machen auch mal dekadent sein zu können. Ich finde es ist an der Zeit dieses Zeitalter spätrömischer Dekadenz zu beenden! (bzw. es ist schon lange überfällig!)