Mr.Dextar schrieb am 13.08.2019:Ist Mathematik konstruiert oder hat sie eine ontologische Wirklichkeit? Dies gehört zweifellos zu den faszinierendsten philosophischen Fragen, die man sich meiner Auffasung nach stellen kann.
Schön, wenn sich dieser Thread hier weiterhin einer gewissen Beliebtheit erfreut und hin und wieder auch gehaltvolle Beiträge zu lesen sind...
:)Mr.Dextar schrieb am 13.08.2019:Das Interessante aber, das wir konstatieren können, ist, dass mathematische Resultate uns logische Grenzen setzen, die für *alle* Universen gelten, also nicht nur für unseres, in welchem bloß eine spezifische Menge von Naturgesetzen instantiiert werden.
Guter Punkt!
Mr.Dextar schrieb am 13.08.2019:Dann wäre Mathematik lediglich die Sprache, die wir verwenden, um jene Grundmuster zu erfassen. Es wäre nicht Mathematik selbst.
Das habe ich hier schon ad nauseam klarzustellen versucht, dass Mathematik gerade
nicht nur im Sinne einer Sprache zu verstehen ist. Ja, es gibt natürlich eine Sprache der Mathematik, die sog.
Mathematische Notation, welcher sich die Mathematik bedient, um logisch-mathematische Zusammenhänge sprachlich darzustellen und zum Ausdruck zu bringen. Und um genau jene
Zusammenhänge geht es (nicht um die
Mathematische Notation).
Es ist, zugegeben, manchmal schwierig, beides auseinanderzuhalten. Denn sobald wir über jene logisch-mathematischen Zusammenhänge nachzudenken, zu reden oder sie darzustellen versuchen, greifen wir automatisch wieder zum Mittel der Sprache, also zur mathematischen Symbolik & Notation.
Ich hatte es wohl mal versucht, am Beispiel der Chemie verständlich zu machen, die ja - wie so ziemlich alle Fachgebiete - ebenfalls mit einer eigenen (erfundenen) fachspezifischen Sprache & Symbolik daherkommt. Nehmen wir etwa die für die Chemie typischen Strukturformeln wie etwa die sog.
Valenzstrichformel. Derartige Formeln mögen in einem gewissen Sinne erfunden sein und letztendlich gibt es ja auch verschiedene Formelschreibweisen unterschiedlicher Abstraktionsgrade (siehe Link). Nichtsdestotrotz werden hier über die
Bedeutung oder Semantik wiederum
faktische Gegebenheiten zum Ausdruck gebracht, und nicht etwa frei erfundene Sachverhalte (obgleich man natürlich auch frei erfundene Strukturformeln niederschreiben könnte).
Ein weiteres Beispiel sind die sog. Reaktionsgleichungen wie etwa:
Hier erkennen wir auch aus der Mathematik entlehnte Symbole wieder ("2", "4", "+"), aber nicht nur ("C", "H", "O" und der
Reaktionspfeil). Und obwohl zwar Symbolik & Sprache der Chemie erfunden sein mögen, wäre es doch absurd, zu unterstellen, dass das, was die Chemie mit Hilfe von Sprache zum Ausdruck zu bringen versucht, ebenfalls frei erfunden sei.
Mr.Dextar schrieb am 13.08.2019:Nun ja, wie ich ausführte, kann dies auch daran liegen, dass zwischen den mathematischen Strukturen, die wir beobachten, und dem, was in der Tiefe des Universums als Grundmuster aufwarten könnte, eine Art Isomorphie besteht.
Etwas unglücklich formuliert ("...mathematische Strukturen, die wir beobachten..."), aber ich denke, dass du es in etwa so meinst, wie ich es verstehe: Es gibt
real-faktische Gegebenheiten einerseits, und unsere
Konzepte, Symbolik, Sprache usw. andererseits (siehe bspw.
Semiotisches Dreieck...!).
Ich weiß gerade nicht, ob ich das Beispiel vor ein paar Wochen/Monaten noch brachte, aber es gibt bspw. dieses schöne
Königsberger Brückenproblem, demnach es keine Möglichkeit eines Rundgangs durch Königsberg mit gleichem Start- und Endpunkt gibt, bei dem jede Brücke genau ein einziges Mal überquert wird. Das ist
Fakt. Das ist knallharte Realität.
:D Man kann es insbesondere auch mit Hilfe der Mathematik beweisen. Und da kann dann auch nicht irgendein Heini daherkommen und einfach eine neue Mathematik oder Logik erfinden, welche jenes Faktum obsolet macht.
Natürlich kann man zwar bspw. leicht eine
Gruppe konstruieren, wo 1+1=0 gilt (oder gar alternative Mengenlogiken usf.), aber das ist bei der u.a. hier diskutierten philosophischen Frage nach dem Realismus der Mathematik eben nicht gemeint und führt nur allzu häufig zu Missverständnissen in solchen Diskussionen.