kaktuss schrieb:Vielleicht ist der von mir oben verfolgte Ansatz der Philosophie auch falsch und man muss über die Erfahrung gehen.
Nö, auch falsch. Stichwort 'Sinnestäuschungen' etwa.
Im Kern geht es letztendlich um die Auseinandersetzung zwischen
Rationalismus und
Empirismus, tangiert Grundfragen der
Erkenntnistheorie und dreht sich insbesondere um die Frage, wie Erkenntnis zustandekommt und Wissen entsteht: durch Vernunft oder durch Erfahrung? Während Rationalisten glauben, dass wahres Wissen primär aus der Vernunft stammt, vertreten Empiristen die Ansicht, dass alle Erkenntnis vorrangig auf Sinneserfahrungen basiert.
Der Rationalismus, bspw. vertreten durch Philosophen wie René Descartes, Baruch Spinoza und Gottfried Wilhelm Leibniz, argumentiert, dass es Wissen gibt, das unabhängig von Erfahrung existiert
(a priori). Beispiele hierfür sind die Prinzipien der Mathematik oder Logik, wie auch weiter oben schon angemerkt wurde. Rationalisten gehen in der Regel auch von der Existenz angeborener Ideen aus, die dem Geist von Natur aus zugänglich sind, also ähnlich wie schon bei Platons Ideenlehre. Der Rationalismus betont also insbesondere die Wichtigkeit von Logik und abstrakten Ideen für Erkenntnis und Wissen.
Demgegenüber steht der Empirismus, der von Philosophen wie John Locke, George Berkeley und David Hume vertreten wird. Empiristen lehnen angeborene Ideen ab, für sie sind der Geist oder die Seele ein unbeschriebenes Blatt (tabula rasa), welche erst durch Erfahrungen und Sinneswahrnehmungen geformt werden. Für Empiristen ist Wissen immer
a posteriori, also durch Erfahrung begründet.
Rationalisten sehen also in der Vernunft die Quelle der Erkenntnis, während Empiristen dafür hingegen die Sinneserfahrung für unverzichtbar halten. Beide Ansätze haben Schwächen: Der Rationalismus riskiert, realitätsfern zu sein, während der Empirismus an der Grenzen der Wahrnehmung scheitert. Die scheinbare Unvereinbarkeit beider Ansätze führte Immanuel Kant später auch zu dem Vorschlag einer Synthese. In seinem Hauptwerk
"Kritik der reinen Vernunft" kombinierte er die empirische Bedeutung der Sinneserfahrung mit der rationalistischen Annahme angeborener Kategorien des Denkens wie Raum, Zeit und Kausalität. Kant argumentierte, dass Erkenntnis also nur durch das
Zusammenspiel von Erfahrung und Vernunft möglich ist.