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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

20 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Welt, Denken, Erfahrung ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

24.11.2024 um 16:34
Es scheint so zu sein, dass egal was wir uns denken, wir dieses nur über Erfahrung verifizieren können.
Soll heißen, ich denke mir irgendetwas und muss anschließend nachschauen, ob es auch wirklich so ist.

Gibt es eine Möglichkeit das "nachschauen", hier als Erfahrung begriffen, im Denken zu vollziehen?

Also können wir über die Welt etwas erkennen, indem wir nur über sie nachdenken?


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

25.11.2024 um 15:51
@kaktuss
Denke an den Satz, "ich denke, also bin ich." Oder an die Möglichkeiten durch Mathematik.
Wir sind Teil von diesem Universum. Und das Universum neigt nicht selten zu Selbstähnlichkeit.


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

25.11.2024 um 22:28
Zitat von kaktusskaktuss schrieb:Also können wir über die Welt etwas erkennen, indem wir nur über sie nachdenken?
Wenn du dich selbst als Teil der Welt begreifst - sicher. Dein Denken kannst du nur denkend beobachten - und dabei etwas darüber lernen wie es funktioniert. Das ist (wenn du dem erstes Satz zustimmst) Wissen über die Welt, ganz ohne "nachschauen".


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

25.11.2024 um 22:44
Um über die Welt nachdenken zu können bedarf es einige Grundparameter, die wir nur über physische Erfahrung machen können, also wenigstens ein Mindestmaß an gesammelten Wissen. Mit dessen Hilfe lässt sich dann mit Kopfarbeit auf neue Informationen erarbeiten.

So als Beispiel: Wir wissen z.B nicht was im inneren von Schwarzen Löchern so los ist, da die einzige Informationsquelle von außen die Gravitation ist, sonst nichts. Das hat aber geniale Köpfe, wie Stephen Hawking nicht davon abgehhalten ganze Fachartikel rauszubringen, wie und was da so alles passiert.

Andere Beispiele sind da noch die Matematik und ihre Matematischen Beweise. So haben bereits die Menschen in der Antike herausgefunden, das die Erde Rund ist und welchen Durchmesser sie in etwa hat
und das alles ganz ohne Satelitten und Co.


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

02.12.2024 um 00:20
Zitat von SagittariusBSagittariusB schrieb am 25.11.2024:Andere Beispiele sind da noch die Matematik und ihre Matematischen Beweise
Nur der Vollständigkeit halber: solche Dinge hat man nicht erdacht (erfunden) sondern gefunden.


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

02.12.2024 um 12:28
Man unterscheidet in der Philosophie grundsätzlich von der Erkenntnis "a priori" ("vor der Erfahrung / unabhängig von der Erfahrung") von jener "a posteriori" ("nach der Erfahrung").

Schon Kant stellte fest, dass das "Ding an sich" - sofern man von der Existenz eines solchen oder Gruppe von solchen ausgeht - nicht von der Erfahrung erfasst werden bzw. keine Entsprechungen in jener Erfahrung vorgefunden werden kann. In den Formalwissenschaften - hier sei die Mathematik hervorgehoben - können wir in der Tat Erkenntnisse generieren, die keinerlei Erfahrung oder Empirie benötigen.

Ob man dadurch Erkenntnisse "über die Welt" erlangen kann? Nun, zweifellos benötigen wir in den Naturwissenschaften die Mathematik als Sprache für Gesetzmäßigkeiten, allerdings kann uns die reine Mathematik und Logik keine sichere Erkenntnis über die Welt im Allgemeinen liefern. Es ist zwingend eine Zusammenarbeit zwischen Empirie und Mathematik vonnöten, um ein robustes Modell zu generieren.

Inwiefern metaphysische Überlegungen, die heutzutage in der Analytischen Philosophie streng logisch formuliert werden, "Erkenntnisse" über die "Welt" liefern, ist am Ende auch philosophisch umstritten.


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

02.12.2024 um 16:25
@behind_eyes

Es gab dahingehend sogar schon ein Thema im Wissenschaftsbereich
Haben wir die Mathematik (etc.) "erfunden" oder "entdeckt"?

aber ja, wenn man die Matematischen Gesetze als etwas fundamentales betrachtet dann hast du natürlich recht.


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

02.12.2024 um 17:00
Zitat von Mr.DextarMr.Dextar schrieb:Ob man dadurch Erkenntnisse "über die Welt" erlangen kann? Nun, zweifellos benötigen wir in den Naturwissenschaften die Mathematik als Sprache für Gesetzmäßigkeiten, allerdings kann uns die reine Mathematik und Logik keine sichere Erkenntnis über die Welt im Allgemeinen liefern. Es ist zwingend eine Zusammenarbeit zwischen Empirie und Mathematik vonnöten, um ein robustes Modell zu generieren.
Gutes Beispiel die Tachyonen. In der Matematik ergeben sie sich als zweite mögliche Lösung einer Gleichung.
Ob es sie deshalb auch in der Realität gibt, bleibt dabei aber offen.
Bisher gibt es nicht den geringsten Beweis für ihre Existenz und sehr wahrscheinlich existieren sie auch nicht.

Einige Erkentnissgrenzen scheinen somit unüberwindbar ohne Beobachtung.


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

02.12.2024 um 19:49
Zitat von SagittariusBSagittariusB schrieb:In der Matematik ergeben sie sich als zweite mögliche Lösung einer Gleichung.
Ob es sie deshalb auch in der Realität gibt, bleibt dabei aber offen.
Genau, ein anderes Beispiel aus der Physik mit dem gleichen Problem: Die String-bzw. M-Theorie, welche ja eine GUT darstellt. Mathematisch schön und elegant; auch die Idee, dass Strings die ultimativen Bausteine der Realität sein sollen, finde ich interessant.

Doch völlig zu Recht ist diese umstritten, da es an Möglichkeiten der empirischen Überprüfung fehlt.


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

gestern um 15:34
Vielleicht ist der von mir oben verfolgte Ansatz der Philosophie auch falsch und man muss über die Erfahrung gehen.
Wir haben ja sozusagen einen Eindruck von dem was wir sinnlich wahrnehmen, vielleicht gilt es nun einfach diesen zu analysieren.

Dann müssten wir die Sache nicht a priori angehen, was tatsächlich unmöglich zu sein scheint...


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

gestern um 19:29
Zitat von kaktusskaktuss schrieb:Vielleicht ist der von mir oben verfolgte Ansatz der Philosophie auch falsch und man muss über die Erfahrung gehen.
Nö, auch falsch. Stichwort 'Sinnestäuschungen' etwa.

Im Kern geht es letztendlich um die Auseinandersetzung zwischen Rationalismus und Empirismus, tangiert Grundfragen der Erkenntnistheorie und dreht sich insbesondere um die Frage, wie Erkenntnis zustandekommt und Wissen entsteht: durch Vernunft oder durch Erfahrung? Während Rationalisten glauben, dass wahres Wissen primär aus der Vernunft stammt, vertreten Empiristen die Ansicht, dass alle Erkenntnis vorrangig auf Sinneserfahrungen basiert.

Der Rationalismus, bspw. vertreten durch Philosophen wie René Descartes, Baruch Spinoza und Gottfried Wilhelm Leibniz, argumentiert, dass es Wissen gibt, das unabhängig von Erfahrung existiert (a priori). Beispiele hierfür sind die Prinzipien der Mathematik oder Logik, wie auch weiter oben schon angemerkt wurde. Rationalisten gehen in der Regel auch von der Existenz angeborener Ideen aus, die dem Geist von Natur aus zugänglich sind, also ähnlich wie schon bei Platons Ideenlehre. Der Rationalismus betont also insbesondere die Wichtigkeit von Logik und abstrakten Ideen für Erkenntnis und Wissen.

Demgegenüber steht der Empirismus, der von Philosophen wie John Locke, George Berkeley und David Hume vertreten wird. Empiristen lehnen angeborene Ideen ab, für sie sind der Geist oder die Seele ein unbeschriebenes Blatt (tabula rasa), welche erst durch Erfahrungen und Sinneswahrnehmungen geformt werden. Für Empiristen ist Wissen immer a posteriori, also durch Erfahrung begründet.

Rationalisten sehen also in der Vernunft die Quelle der Erkenntnis, während Empiristen dafür hingegen die Sinneserfahrung für unverzichtbar halten. Beide Ansätze haben Schwächen: Der Rationalismus riskiert, realitätsfern zu sein, während der Empirismus an der Grenzen der Wahrnehmung scheitert. Die scheinbare Unvereinbarkeit beider Ansätze führte Immanuel Kant später auch zu dem Vorschlag einer Synthese. In seinem Hauptwerk "Kritik der reinen Vernunft" kombinierte er die empirische Bedeutung der Sinneserfahrung mit der rationalistischen Annahme angeborener Kategorien des Denkens wie Raum, Zeit und Kausalität. Kant argumentierte, dass Erkenntnis also nur durch das Zusammenspiel von Erfahrung und Vernunft möglich ist.


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

gestern um 20:14
@Noumenon

Lassen wir den rationalistischen Ansatz doch einfach mal sein... denn er scheint wie oben erörtert unmöglich zu sein...
Jedenfalls werden wir niemals das "anschauen" also den empirischen Nachweis, in das Denken ziehen können...

Was bei so einem Versuch herauskommt zeigt Immanuel Kant auf gekonnte und dennoch völlig absurde Art und Weise...
Nämlich der Transzendentale Idealismus... sprich die ganze Welt befindet sich nur in unserem Kopf...
Kant zieht einen Teil der Erfahrung, nämlich Raum und Zeit, in das Denken und versucht so zu synthetischen Urteilen a priori zu kommen...
Aber wie gesagt, dabei entsteht der krasseste Idealismus, den man schon aus dem gesunden Menschenverstand heraus ablehnen kann...

Ich glaube mittlerweile Kant hat die Metaphysik gar nicht weiter gebracht, sondern er hat sie verkackt !

Wir müssen zur guten alten Empirie zurück... zur Tabula Rasa in die sich die Erfahrung eindrückt wie ein Wachsabdruck...
Diesen Abdruck oder auch Eindruck können wir dann analysieren...

So vermeiden wir jeden Idealismus, ein Ding an sich und auch das Problem des Eingangsposts...


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

gestern um 21:17
Zitat von kaktusskaktuss schrieb:Lassen wir den rationalistischen Ansatz doch einfach mal sein...
Gut. Dann simple Frage: Machen Menschen und Tiere unterschiedliche Erfahrungen? Oder warum genau hat der Mensch ein weitaus umfangreicheres Wissen über die Wirklichkeit als jede andere Spezies auf der Welt?

SpoilerOhne rationale Erkenntnis wären Menschen auf einer ähnlichen Ebene wie Tiere beschränkt. Was den Menschen von anderen Tieren unterscheidet, ist offenbar nicht die Fähigkeit, gewisse Erfahrungen zu machen oder Sinneswahrnehmungen zu haben - das können Tiere zweifellos auch (und teilweise sogar besser als der Mensch) -, sondern die Fähigkeit, diese Erfahrungen rational zu verarbeiten, zu abstrahieren und systematisch zu nutzen. Diese rationale Verarbeitung macht den Unterschied zwischen bloßer Wahrnehmung der Wirklichkeit und wissenschaftlicher Erkenntnis über dieselbige.


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

gestern um 21:32
@Noumenon

Der Mensch hat auch die nötige Fingerfertigkeit um Werkzeuge herzustellen, mit denen man Experimente durchführen kann...
Natürlich muss so ein Experiment auch durchdacht sein, aber die Erkenntnis selbst ist eben nicht rational entstanden, sondern empirisch...

Du verwechselst hier unsere Fähigkeit zu denken, mit der Fähigkeit durch bloßes denken etwas zu erkennen...


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

gestern um 21:43
@Noumenon

Ich sage ja auch das wir denken müssen, aber wir können eben nicht nur durch denken Erkenntnisse über die welt gewinnen...
Es ist die Erfahrung die wir analysieren müssen... diese Analyse ist natürlich ein Denkakt...

Andernfalls bräuchten wir wohl wirklich so etwas wie intellektuelle Anschauung...
Und wie mir deucht wären wir damit auch schon bei deinem Namen angekommen...
Noumena sind für Kant eben Dinge die einer intellektuellen Anschauung zugänglich sind...
Nur das wir diese intellektuelle Anschauung eben nicht besitzen...


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

gestern um 21:46
@kaktuss
Ist doch aber genau das, was Kant sagte:
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Kant argumentierte, dass Erkenntnis also nur durch das Zusammenspiel von Erfahrung und Vernunft möglich ist.



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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

gestern um 21:46
Zitat von kaktusskaktuss schrieb am 24.11.2024:Also können wir über die Welt etwas erkennen, indem wir nur über sie nachdenken?
Ja. Denken oder fühlen.
z.B. Dass Gott und die Bibel wahr sind.
Durch Erfahrung geht das nicht. Die Ereignisse sind
schon lange vorbei. Ich kann sie nicht mehr "erfahren",
aber wenn ich darüber nachdenke, komme ich zu dem
Ergebnis, dass die Welt wohl so ist, wie sie die Bibel
beschreibt.
Das reicht natürlich nicht um Beweise zu liefern.
Die Wissenschaft braucht nachvollziehbare Beweise.
Das ist immer etwas greifbares z.B. in Form von Versuchen,
die dann zeigen dass es tatsächlich so ist, wie die aufgestellte
Theorie.


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

gestern um 22:11
Zitat von NoumenonNoumenon schrieb:Kant argumentierte, dass Erkenntnis also nur durch das Zusammenspiel von Erfahrung und Vernunft möglich ist.
Genau der selben Meinung bin ich auch.

Ihr müsst euch verlieren, alles was ihr wisst, an negativen Dingen, vergessen, dann mit reinem Geist in Geschehnisse eintauchen, erlebt eine neue Bedeutung


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

gestern um 23:00
@Noumenon

Nun es ist eben nicht das was Kant durchgezogen hat sondern geht mehr in Richtung Aristoteles...

Kant hantiert mit synthetischen Urteilen a priori... nach Kant ist unsere ganze Welt ein Produkt von Verstand und Sinnlichkeit...
Allerdings ist die Sinnlichkeit bei Kant zum Teil auch a priori... nämlich in Form von Raum und Zeit...
Dadurch entsteht ein krasser Idealismus, der Transzendentale Idealismus eben...

Was die eigentliche Quelle der Erfahrung angeht interessiert ihn herzlich wenig...
Das ist das sogenannte Ding an sich von dem wir nichts wissen können...

Ich weiß aber das der Kantische Idealismus falsch und mithin das Ding an sich nicht existent ist...

Mein Ansatz wäre die Erfahrung, als gesamte Erfahrung wie sie sich uns darstellt, zu analysieren...

Kants gesamte Kopernikanische Wende ist ein rationalistischer Ansatz der nur auf Abwege geführt hat...
Die Gegenstände richten sich eben nicht nach unserer Erkenntnis, sondern unsere Erkenntnis richtet ich nach den Gegenständen...

Ich glaube das führt hier zu weit aber durchaus interessant das ganze...

Früher war Kant mein Held... heute denke ich nicht mehr so...


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Können wir ohne Erfahrung Erkenntnisse über die Welt gewinnen?

um 00:10
@kaktuss
Geht doch aber auch nicht um Kant, sondern um Erkenntnistheorie und die Kontroverse zwischen Empirismus und Rationalismus. Und diese Kontroverse, die sich ursprünglich eben genau um die von dir aufgeworfene Frage drehte, endet natürlich auch nicht mit Kant, sondern mündet längst in einer Vielzahl moderner Positionen wie etwa dem kritischen Rationalismus (Karl Popper) oder radikalen Konstruktivismus (Ernst von Glasersfeld).
Zitat von kaktusskaktuss schrieb:Mein Ansatz wäre die Erfahrung, als gesamte Erfahrung wie sie sich uns darstellt, zu analysieren...
Und ohne Verstand keine Analyse.
Zitat von kaktusskaktuss schrieb:Früher war Kant mein Held... heute denke ich nicht mehr so...
Na ja, vergiss nicht, wann er gelebt hat (17. Jhd.) und welchen Wissensstand die Menschen damals hatten. Er war definitiv ein scharfsinniger Denker - für die damalige Zeit. Kant hatte bspw. null Ahnung von Evolutionstheorie, Urknalltheorie oder Atomtheorie. Entsprechend rückständig waren zum Teil auch seine Ansichten bzw. sein Wissensstand. Kant lebte noch vor Darwin, glaubte an die Unveränderlichkeit und Konstanz der Arten (was sich an den biblischen Vorstellungen orientierte und auch dem damaligen wissenschaftlichen Konsens entsprach). Die Frage nach einem zeitlichen Anfang der Welt hielt bzw. lag für Kant jenseits der Vernunft und Erfahrung, genauso wie bspw. die Frage, ob Materie kontinuierlich ist, oder aus kleinsten Teilchen besteht. Andererseits war Kant seiner Zeit aber auch weit voraus und ging bspw. davon aus, dass die Milchstraße, die ja auch damals schon mit bloßem Auge sichtbar war, eine scheibenförmige Ansammlung von Sternen ist, während bspw. Newton oder Herrschel glaubten, dass die Milchstraße eine Art Gasnebel sei. Kant vertrat bspw. auch die sog. Nebularhypothese, also die Annahme, dass die Erde und unser Sonnensystem aus einem rotierenden Gas- und Staubnebel entstanden sei. Er glaubte, dass dieser Nebel durch seine Schwerkraft zusammengezogen wurde, wobei die Materie immer dichter wurde und sich letztlich zu den heutigen Planeten und der Sonne formten. Auch das Alter der Erde war zu Kants Zeiten noch ein heiß diskutiertes Thema und orientierte sich - wie schon die "Theorie" von der Konstanz der Arten - stark an "Erkenntnissen" aus der Bibel (Stichwort: Ussher-Lightfoot-Kalender, 1650) - das könnte übrigens auch für @Morumotto interessant sein... :D
Mehr oder weniger ein Zeitgenosse Kants, Edmond Halley (der übrigens auch die Theorie der hohlen Erde aufstellte...), untersuchte 1715 den Salzgehalt von Flüssen und Meeren und kam zu dem Schluss, dass die Erde deutlich älter sein müsse, als von Ussher behauptet. Eine Ansicht, die später auch Kant in seinem Werk über "Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels" vertrat und damit den allermeisten Zeitgenossen weit voraus war.

Okay, irgendwie ging es jetzt doch ein bisschen um Kant... aber das eigentlich nur so am Rande.


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