Doppelmord in Koblenz-Horchheim - Ermittlung, Anklage, Prozess
09.01.2013 um 19:59
BERICHT / ZUSAMMENFASSUNG zum 3. Prozesstag im Doppelmordfall zum Nachteil der Eheleute Waltraud und Heinrich Schemmer gegen H S - 2010 Js 49274/11 - 3 Ks am Dienstag, den 8. 01.2013 :
Wesentliche Elemente des 3. Sitzungstages vorab:
1.)
Vorab waren aus meiner ganz persönlichen juristischen Sichtweise der Widerspruch des RA Schwenn zur Verwertung der Videovernehmung für das Verfahren gegen die Angeklagte HS.
2.)
Der aus meiner Sicht zweite wesentliche Punkt waren die Zeugenaussagen am Schluss des 3. Sitzungstages, in denen allesamt die Nachbarn der Schem-mers aus dem direkt gegenüber liegenden Haus (teilweise Sichtmöglichkeiten auf das Schlafzimmer mit Rolläden und den Briefkasten der Schemmers sen.)
Der 3. Sitzungstag begann mit einem Vortrag von RA Schwenn zur Zweifelhaftigkeit einer Zeugin der Anklage wegen Interessenkollission in diesem Mordfall.
1.Komplex:
Dann wurde das Fehlen von der Pflichtverteidigerin der Angeklagten, Julia von Dreden festgestellt. Nach Darstellung von RA Schwenn war diese wohl in einer anderen Strafsache beschäftigt und konnte deshalb nicht im Termin anwesend sein.
Dagegen kam dann sofort der Einwand von Frau Staatsanwältin Meier, daß sie gehört habe, dass Frau v. Dreden sich im Urlaub befände.
Dann griff Herr Schwenn das Thema „Verwertbarkeit der Videovorführung der ersten beiden Sitzungstage“ an und machte dazu sehr umfangreiche Ausführungen, die in zeitlicher Hinsicht ca eine halbe Stunde andauerten.
Im Wesentlichen griff er hier das Verhalten des KHK Lauxen vor und während der Beschuldigtenvernehmung vom 22.5.12 an und widersprach der Verwertung der auf DVD festgehaltenen Vernehmung für das Verfahren, was auch so später auf Anweis-ung des Vorsitzenden durch die Protokollführerin so im Protokoll festgehalten wurde.
Die aus Schwenn´s Sicht gegebene „fehlende Verwertungsmöglichkeit der Videovernehmung“ begründete dieser im Wesentlichen mit der „Verletzung der Abgeklagten auf Verteidigerkonsultierung“ und auf die „Müdigkeit der Angeklagten während der Vernehmung“
Er machte hierzu umfangreiche Ausführungen, vor allem zum Komplex der fehlenden Verteidigerkosultierung, die ich jetzt nicht in Gänze wiedergeben kann/will.
Hier monierte er sinngemäß hauptsächlich, daß es nicht ausreichend sei, daß einem in Strafverfahren nicht geübtem Angeklagten nur ein Telefonbuch zur Auswahl eines Anwalts hingelegt werde. Vielmehr müsse hie-sinngemäß!-wesentlich mehr dafür getan werden, um dem Beschuldigten zu einem RA während er Beschuldigtenver-nehmung zu verhelfen. Diese Ausführungen untermauerte er mit Rechtsprechung-szitaten des BGH.
Den Ausführungen von RA Schwenn widersprach die Staatsanwaltschaft und gab -sinngemäß- zu verstehen, daß hier alles ordnungsgemäß und im rechtlich erlaubten Rahmen gelaufen sei.
2.Komplex
Sodann erschienen nacheinander 3 Koblenzer Zeugen (alle um die 70 Jahre alt), die jeweils im Einzelnen vorgetragen haben, den Herrn Heinrich Schemmer oder seine Ehefrau und/oder deren Auto am Freitag, den 8. Juli 2011,- mithin also einige Stun-den nach deren Ermordung-in der Koblenzer Innenstadt gesehen zu haben.
Alle Zeugen wirkten zwar in der Sache des „Gesehen habens“ an sich glaubwürdig.
Erhebliche Zweifel kamen hier jedoch- sowohl im Publikum, als auch bei der StA und dem Gericht -an dem konkreten Zeitpunkt ( gegen 10 Uhr vormittags) auf.
Diese Zeugen treffen sich wohl seit langer Zeit schon jede Woche an gleichen Werktagen(Mo, Mittw. + Freitags ?) zur gleichen Uhrzeit im selben Kaffee.
Teilweise wurde hier von einem Zeugen auch vorgetragen, daß er/sie die Frau Schemmer sen. an der Bäckersteke gesehen haben will, wie diese „etwas Kleines“ gekauft habe, was sie in einer kleinen Tüte (?) weg getragen habe.
Um diese Aussage der drei vorbenannten Zeugen in ihrem Wahrheitsgehalt hinsicht-lich des angeblichen „Gesehenhabens der Schemmers“ an der Bäckerstheke zu verifizieren, wurden hierzu sämtliche Damen aus der relevanten Bäckerei als Zeug-innen geladen, die praktisch und theoretisch für einen Verkauf an der Verkaufstheke in Frage kamen.
Das waren ca. 5- 6 zum Teil sehr junge Damen, die so um die 18-20 waren, aber auch die Chefin und eine Dame Mitte 40.
Von all diesen Damen konnte jedoch niemand bestätigen, daß die Schemmers an dem in Rede stehenden Freitag, dem 8.07.2011 morgens gegen 10 Uhr dort im Laden gewesen seien.
Eine Dame (Azubi) gab auch an, die Schemmers sen.-visuell- überhaupt nicht gekannt zu haben.
3.Komplex
Hier war das wesentliche Thema, etwas zu den Lebensgewohnheiten der Ermordeten und deren Verhältnis zur Familie ihres Sohnes, aber insoweit teilweise auch explizit etwas zu dem Verhältnis der Schemmers sen. zu deren Schwieger-tochter HS zu erfahren.
Zu diesem Zwecke wurden u.a. 3 Nachbarinnen von den Prozessbeteiligten zeugenschaftlich befragt. Allen diesen Damen war gemein, daß sie im Haus genau gegenüber der Ermordeten wohnen, in welchem sie zum Teil (je nachdem, ob linke Wohnung, oder rechte Wohnung bewohnt) genaue Sicht auf die Seite des Schemmer Hauses haben, auf welcher die Einfahrt zum Grundstück, bzw. (bei rechter Wohnung) die Haustüre mit Briefkasten für diese sichtbar sind.
Ich habe mir dieses Haus im Anschluss angeschaut, um die jeweiligen Sichtmöglichkeiten zu ersehen, soweit das Strassenseitig/ ebenerdig eben möglich ist. Soweit das ebenerding möglich ist, kann ich mir absolut vorstellen, daß man sehr viel sehen kann, wenn man dort aus dem Fenster schaut !
Hier wurde zum Teil gesagt, daß am Freitagnachmittag, den 8.7.11 eine Zeitung „Blick“ ? (kostenloses Wochenblatt) bei Schemmers halb aus dem Briefkasten hing.
Hier tauchten alle diesbezüglich in XY benannten Zeugen auf:
Diejenige, die eine der Garagen auf dem Grundstück der Schemmers gemietet hatte.
Diejenige, die bei Abwesenheiten der Schemmers deren Hausschlüssel zur Verwahr-ung hatte, um dann „nach dem Rechten zu sehen“, wenn Schemmers im Urlaub, oder ansonst für länger abwesend waren.
Hier kam klar zum Ausdruck, daß dieser Schlüssel immer sehr zeitnah („am nächsten, spätestens am übernächsten Tag )nach der Rückkehr der Schemmers sen. von Frau Schemmer sen. höchstpersönlich wieder abgeholt wurde
Hier machte die Zeugin dies so auch sehr deutlich, daß Frau W. Sch. Das immer sehr schnell nach Rückkehr ganz persönlich und aktiv gemacht hat. Frau Sch. hat also nie darauf gewartet, daß ihr „der Schlüssel gebracht“ wurde, sondern „sie hat ihn (den Schlüssel) immer möglichst kurz nach deren Rückkehr von Abwesenheiten aktiv persönlich bei ihr wieder abgeholt!“
Von diesen Zeuginnen war eine dabei, mit der die ermordete W.Sch. „per Du“ war. Sie kannten sich schon mehrere Jahrzehnte und hatten einen freundschaftlichen Kontakt, der über einen „normalen“ Nachbarschaftskontakt deutlich hinaus ging.
Alle Nachbarinnen wurden nach den Rolladengewohnheiten /Sicherheitsbedürfnis-sen der Ermordeten befragt. Hier kam eindeutig und klar zum Vorschein, daß die Schemmers sen. äußerst/extrem auf Sicherheit bedachte Menschen waren, die selbst dann, wenn sie im Garten gearbeitet haben, „niemals eine Türe aufgelassen haben!“
Die Türen waren auch bei kleinsten Momenten, in denen sie sich nicht im Hausinneren befanden, immer sofort zugezogen worden !
Also das Thema, „na ja bei Gartenpflegen mal eben die Türe zur Terasse stundenlang aufstehen lassen, ist NICHT! Das kam hier ganz klar zum Ausdruck !
Zum Verhältnis der Schemmers zur Familie der Angeklagten konnten die meisten keine sehr intimen Angaben machen. Was jedoch von allen bestätigt wurde, war das Thema der Besuchsfrequenz der Schemmers sen. mit den Junioren.
Hier hieß es übereinstimmend, „ein bis zwei mal pro Jahr / vielleicht zwei bis dreimal pro Jahr kam die Familie jun zu Besuch“!. Also relativ selten. Der Sohn soll aber öfters dort bei seinen Eltern gewesen sein.
SEHR Interessant war die Aussage einer Zeugin, die sagte, daß sie im Sommer 2011 ein blaues Auto, ein älteres Modell mit den Anfangsbuchstaben EL- vor der Garage der Schemmers geparkt hatte“. Auf Frage, um welchen Typ es sich dabei handelte, gab sie sinngemäß an,“ daß das ein älteres Fahrzeug zb. ein Golf gewesen sein konnte, denn der war ja hinten so eckig, heute sind die Autos ja alle eher rund gebaut.“ Das Modell selbst wusste sie nicht.
Auf Frage, WANN sie das „blaue Auto“ dort gesehen habe , sagte sie sinngemäß : „So genau weiss ich das nicht mehr, aber das muss so gegen Ende Juni, Anfang Juli 2011 gewesen sein. Ich kann das nur mit dem „Beginns der Sommerferien in Rheinland- Pfalz festmachen.
Auf Frage gab sie an, EL ist Emland. Auf vFrage des Vorsitzenden gab sie an, daß sie hat mit dem Auto sofort verbunden habe,“ ach da sind die juniors vielleicht da“ .
ALLE Nachbarinnen haben zum Thema „Rolläden“ übereinstimmend ausgesagt, daß die Schemmers Frühaufsteher waren und in der Regel immer so zwischen 6:30 und 7 Uhr aufgestanden seien UND „dass die die Rolläden morgens auch um diese Uhr-zeit (6:30 – 7 Uhr) hochgezogen hätten. Abends hätten sie die Rolläden auch immer heruntergezogen.
Auf Frage des Vorsitzenden an die Nachbarinnen, ob diese es schon einmal erlebt hätten, das Schemmer zu Hause sind UND dabei die „Rolläden den ganzen Tag unten waren, haben alle Nachbarinnen übereinstimmend ausgesagt, „NEIN, das habe ich NOCH NIE erlebt.“
Aus dem Kontext ergab sich für mich, daß diese Nachbarinnen schon alle mindes-tens solange in diesem Haus gegenüber wohnen, wie auch die Schemmers dort vor Ort wohnten.
Eine andere Nachbarin, die immer mit dem Hund an dem Haus der Schemmers vorbei geht, wenn sie mit diesem Gassi ging, konnte nicht vielKlärendes zu den Fragen des Gerichts beitragen.
Insgesamt war es teilweise eine sehr, sehr quälende Befragung für mich und zwar in dem Sinne, daß ich das Gefühl bei einigen hatte, daß diese womöglich ängstlich inspiriert waren von der höchstens 1,5 m direkt neben ihnen sitzenden Angeklagten, die ihnen seitlich in deren Gesichter schauen konnte.
Es musste den letzten Zeuginnen /Nachbarinnen zum Teil jedes einzelne Wort mühsam aus den Poren gesaugt werden. Da kamen oft keine zusammenhängenden Sätze, sondern oft nur ein Ja oder Nein oder ich weiss nicht. Wenn sie was wussten – und das war im Ergebnis doch wesentlich mehr als ich dachte, dann musste man immer wieder nachfragen und nachfragen von Seiten des Gerichts….um schlussendlich zusammenhängende Sätze als Antworten zu bekommen.
Hier war sehr viel Feingespür und ausgefeilte Fragetechnik des Vorsitzenden gefordert, was er jedoch mit Brillianz geschafft hat.
Ich könnte jetzt, wo die Erinnerung noch ziemlich frisch ist, noch mehr schreiben, muss aber auch mal wieder ein bisschen arbeiten….