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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

15.767 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Vorfall, Dyatlov, Dyatlov Pass ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Der Dyatlov-Pass-Vorfall

10.03.2021 um 18:50
Zitat von wabwab schrieb:........
Ich habe eine Bitte an die Moderatoren oder Admins: da ist mein Beitrag gestern um 18:40. Es ist mit Formatierungsfehlern versehen. Daneben wird eine korrigierte Meldung angezeigt. Ist es möglich, den falschen Beitrag zu löschen?


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

10.03.2021 um 19:27
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Vielen Dank, @wab, für die viele Mühe, die Sie sich machen (vor allem, weil es sich überwiegend um deutsche Texte handelt).
Danken Sie mir nicht. Wenn ich etwas von meinem Wissen weitergeben möchte, tue ich das wie üblich.

Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Die Links zu den Hypothermie-Artikeln müssen Sie nicht extra übersetzen. Es ist, wie Sie sagen - die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Hypothermie sind im Russischen die gleichen wie im Deutschen.
Schwierigkeiten bei der Übersetzung können mit guten Software-Übersetzern vermieden werden. Es ist schwieriger zu verstehen, was dort geschrieben steht, da es unterschiedliche Begriffe und unterschiedliche Konzepte von Wörtern geben kann. Aber ich bin diese Artikel bereits durchgegangen und habe dort (nur oberflächlich) nichts Neues gefunden, was nicht schon hier veröffentlicht wurde. Sehr interessante und nützliche Methode der Präsentation in der Öffentlichkeit. In dieser Richtung gibt es einiges zu lernen.
Wir haben sehr gute Forschungen zum Thema Kälte, insbesondere zur Kleidung und zur Anpassung an kalte Bedingungen. Insbesondere von Prof. Rul. Afanasieva.

Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Zu den Ursachen der Flucht aus dem Zelt:
-----------------------------------
wab schrieb:
Nein, Sie liegen hier falsch, wenn Sie glauben, dass die Kälte irgendeinen Einfluss auf den Beginn der Ereignisse hatte.
=============================
Sie haben mich auf eine Idee gebracht, WAB. Ob sie letztlich gut ist, weiß ich nicht, aber ich möchte das gerne einmal durchspielen.
Unsere Annahme: Kälte ist keine vorhanden und daher als Ursache für die Zeltflucht auszuschließen.
Wenn es draußen zwar windig gewesen wäre, aber ... sagen wir mal 20 Grad plus. Dann wäre das auslösende Ereignis Ihrer Auffassung nach also trotzdem passiert. Lassen wir die Kälte also mal komplett außen vor.
Bei dieser Annahme ist es richtig zu verstehen, dass es keine Kälte nur im relativen Sinne gab. Die Temperatur betrug zum Beispiel -10 C oder sogar -15 C, aber solche Temperaturen waren für sie gewöhnt und sie hatten sich bereits daran angepasst. Natürlich nicht in der Kleidung, die sie trugen, als sie liefen, sondern in der Kleidung, die sie hatten, als sie zu diesem Ort gingen. Im Zelt schufen sie Bedingungen für eine zusätzliche Wärmeisolierung für die Kleidung, die sie in einer speziellen Hülle trugen. Sie bauten eine "Schlafeinheit", die sie mit dieser zusätzlichen Isolierung von der Außenkälte versorgte.
Wenn dies berücksichtigt wird, dann können wir ganz auf Ihre Annahme zurückgehen.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Es geht starker Wind. Starker Wind aber reicht allein auch nicht zu einer panikartigen Zeltflucht. Wind hätte den erfahrenen, robusten Jungs und Mädels nichts ausgemacht. Sie wussten, dass sie im Zelt noch am besten vor Wind geschützt waren.
Es muss also mehr als Wind gewesen sein. Wir haben in der Annahme also bisher Wind und 20 Grad plus.
Auch hier muss ich Ihnen sagen, dass der Wind selbst nicht die Ursache sein kann. Sie sind schon oft in Winde unterschiedlicher Stärke geraten. Und das auch bei stärkerer Kälte.
Hier sollten wir die Ursachen betrachten, die die Wind- und Geländebedingungen miteinander verbinden, sowie die Ableitungen dieser Verbindung. Das sind die physikalischen Phänomene, die für diesen Komplex charakteristisch sind.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Für einen katabatischen Fallwind ist der betroffene Hang zwar wie prädestiniert, fällt als Ursache aber weg, da er zwingend mit zusätzlicher Kälte verbunden ist. Kälte aber lassen wir als Ursache in unserer Annahme außen vor.
Kataboler Wind ist ein relativ gut bekanntes Phänomen, das aber auch für andere Landschaftsbedingungen und Klimazonen charakteristisch ist. An diesem Standort kann es sich bei dem kalten Wind nur um einen nördlichen Wind handeln. Zum Zeitpunkt der Ereignisse herrschte mit ziemlicher Sicherheit ein Westwind in der Gegend.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Windchill? "Bei höheren Windgeschwindigkeiten (gegeben) genügen schon weniger tiefe Lufttemperaturen oder kürzere Expositionszeiten, um zu Erfrierungen zu führen, da der Wärmeabfluss vom Körpergewebe nach außen mit der Windgeschwindigkeit steigt. Besonders betroffen sind dabei unbedeckte Hautpartien wie etwa das Gesicht. Winddurchlässige Kleidungsstücke, wie eine locker gestrickte Wollmütze oder auch Öffnungen (Ärmelöffnungen, geöffnete Taschen, weite Jacken) erlauben Luftströmungen bis in Körpernähe. Winddichte Kleidung sollte daher besonders am Rand am besten mit Gummisaum eng am Körper anliegen, um die Wirkung des Winds abzuhalten." Aber Kälte lassen wir in unserer Annahme ja außen vor, also war es auch nicht der Windchill.
Wenn wir uns (mit Ihnen!) darauf geeinigt haben, dass wir Kälte nicht als einen Faktor betrachten, der den Beginn von Ereignissen scharf und negativ beeinflusst, dann sollte der Grund im psychischen Zustand der Teilnehmer von Ereignissen gesucht werden. Weil sie extrem unlogische und sogar sehr unüberlegte Handlungen ausführen. Manchmal widerspricht es sogar den primären Zeichen des Selbsterhaltungstriebes.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Kaltlufttropfen? "Der Durchmesser kann von wenigen 100 bis 1500 Kilometern betragen." (https://www.wetter.net/wetterlexikon/eintrag/kaltlufttropfen) In der Regel sind diese zwingend mit anhaltenden, heftigen Niederschlägen verbunden. Davon war in dem betreffenden Gebiet aber keine Rede, auch nicht von den Mansi oder anderen, die sich in relativer Nähe aufhielten. Außerdem haben wir Kälte als Ursache der Zeltflucht in unserer Annahme ja ausgeschlossen.
Das ist eine interessante Idee. Wie ich aber aus dem von Ihnen gegebenen Hinweis verstanden habe, ist es charakteristisch für Gebiete mit wärmerem Klima, wo sie aus der global kalten Zone durchbrechen.
Aber die Grenze dieser "global kalten Zone" kann genau als das westsibirische Tiefland betrachtet werden, das direkt von dem Ort ausgeht, an dem alles passiert ist. Zum Zeitpunkt der Ereignisse gab es ein Eindringen von kalter Luft nach Osten aus dem Ort, und es hat teilweise den Ort der Ereignisse betroffen. Es ist noch nicht klar, wann genau (in welchen Stunden) es zu einem Kälteeinbruch gekommen ist. Er konnte aber nur ganz unten (im Bereich der Zeder) auf die Gruppe einwirken, da der Wind aus Westen und Nordwesten, der oben - in der Nähe der Stelle, an der das Zelt stand - wehte, bereits keinen Einfluss mehr hatte.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Lawine? Schneebrett? Sehr unwahrscheinlich, in dem betreffenden Gebiet wurde bis heute kein einziger signifikanter Schneeabgang festgestellt, auch die Suchtrupps von damals schlossen das aus. Lawine / Schneebrett schließen wir also aus.
Zu diesem Thema möchte ich mich gar nicht äußern, denn ich habe schon in der Praxis dafür gesorgt, dass hier nur sehr uninformierte Leute mit einer Lawine herumspielen können.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Für unsere Annahme bleibt es also bei Wind und 20 Grad plus.
Hängen Sie sich nur nicht ständig an +20C auf. Sie können davon ausgehen, dass die Temperatur für normale Bedingungen und normale Kleidung gerade noch akzeptabel war.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Was ist mit Schnee auf dem Zelt, der den Platz im Zelt nach und nach geringer werden ließ und die jungen Leute sukzessive "erdrückte"? Starker Wind, kaum Schneefall, dafür aber Schneeverwehungen, starkes Zeltgeflatter, ein locker gespanntes Zelt – bleibt Schnee auf dem Zelt liegen? Kann sich alternativ Schnee am Zeltrand zum oberen Hang hin aufstauen? Zumindest denkbar.
Nein, auch das ist ausgeschlossen.
1.Das Zelt stand an einem gut verblasenen Hang, so dass der meiste gefallene und mitgeführte Schnee vom Zelt weggeblasen wurde.
2.Das Zelt wurde mit viel Durchhang aufgestellt, so dass es im Wind stark schwankte, was auch dazu beitrug, dass es vom Schnee befreit wurde.
3. wenn sich dort so viel Schnee angesammelt hatte, dass es bedenklich wurde, dann würde die diensthabende Person oder die diensthabenden Personen (es waren 2 Personen, die sehr gut gekleidet waren) aus dem Zelt gehen und den Schnee abschütteln.
4.Schnee lagert sich praktisch nicht an der Vorderkante des Zeltes ab, sondern sammelt sich an der unteren (in Bezug auf den Wind) Kante an, da dort ein aerodynamischer Schatten entsteht. Dies sind die Muster der Schneeablagerung.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Hätte das auch zwingend zur Folge, das Zelt panikartig zu verlassen? Ich bin überzeugt davon, dass eine so routinierte Truppe so einen Schneeeintritt auf dem Zelt zu "handeln" gewusst hätte und zumindest einen geordneten Auszug aus dem Zelt und Mitnahme der Jacken hinbekommen hätte, zumal da auch alle Gegenstände im Zelt unbeschadet blieben. (Langsam anwachsenden) Schnee auf dem Zelt als Ursache der Zeltflucht ist daher auszuschließen.
Ich habe gerade Ihre Fragen zu Schneeverwehungen vollständig beantwortet.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Kommen wir zu Infraschall / Infrasound: Wenn ich es richtig einordne, sind das vor allem nicht hörbare Schallfrequenz, ähnlich der eines sehr tiefen Basses. Oder auch durchgehende Vibrationen. Diese können theoretisch auch Panik auslösen, wenn ich verschiedene Artikel dazu lese. In der Regel aber ist es ein schleichender Prozess, ehe sich die Auswirkungen von Infraschall (insbesondere in der Nähe von Windkraftanlagen) bemerkbar machen. Die mehr als 100 Expeditionen in diesen Nordural-Bereich haben so ein Phänomen bisher nicht belegt. Oder irre ich mich? Falls ja - was waren die Auswirkungen auf die diejenigen, die den Infraschall erlebt haben? Panik? Warum ist dann nicht Gleiches wie den Dyatlovs passiert? Infraschall / Infrasound ist daher eher auszuschließen.
Es gibt eine Menge verschiedener Gerüchte, Lügengeschichten, Zweifel, Skeptiker und Fälschungen über Infraschall. Dies liegt daran, dass es sehr schlecht untersucht ist. Nur sehr wenige Wissenschaftler haben es untersucht. Die führenden Wissenschaftler der Welt waren und sind heute kaum mehr als 20 oder 30. Noch weniger ist die Psychophysiologie ihres Einflusses auf den Menschen untersucht worden. Buchstäblich sehr wenige Wissenschaftler haben es untersucht.
Soweit ich weiß, gibt es bereits eine Reihe von Arbeiten, die ganz eindeutig zeigen, dass der Einfluss bestimmter Frequenzen den Effekt hervorrufen kann, den man als "Panik" bezeichnen kann, obwohl er in Wirklichkeit keiner ist. Es ist eine äußere Störung der Psyche, im Gegensatz zu einer inneren.
Ein Beispiel für einen Fake können Sie anhand der Tatsache veranschaulichen, dass Sie ein anderes gefälschtes Mem wiederholt haben: "Mehr als 100 Expeditionen in diese nördliche Uralregion haben ein solches Phänomen bisher nicht bestätigt."(c). Ich verstehe, dass Sie nicht sein Autor sind, aber ich möchte erklären, was es bedeutet und wie wahr es ist.
1. es gab noch viele weitere Expeditionen und verschiedene Reisen durch diesen Ort.
2 Von allen hielten nur 3 (ich schreibe groß - drei) an dieser Stelle mit einer Genauigkeit von + / - 300 ... 400 m. Es waren: a) die Gruppe Dyatlov - 1959, b) die Gruppe UPI (Leiter A. Markov) - 1999, und c) die schwedische Gruppe von Richard Holmgren - 2019.
3.Alle anderen Gruppen passierten diese Stelle innerhalb von 15...30 Minuten und gingen direkt hinunter in den Wald, wo dieser Effekt entweder ganz erloschen ist oder nur unbedeutend auftritt.
4.Wir haben mit Shura ein wenig an anderer Stelle angehalten - in Felsen. Denn ich weiß, wie und unter welchen Bedingungen es auftritt, und wir haben Maßnahmen getroffen, dass es geschützt wird. Unter den Bedingungen der Mehrfachreflexion von Schallwellen an externen Objekten gibt es keinen reinen Klang der gewünschten Frequenz, so dass dieser Effekt sehr verschwommen oder sogar überhaupt nicht auftritt.
5.Wenn wir bei starkem Wind an einem Hang spazieren gingen (z. B. im Januar 2015), hatten wir einzelne Anzeichen einer vagen Störung, aber es dauert länger, bis die volle Wirkung eintritt. Da braucht man eine kumulative Dosis, und da ich mir dieser Eigenart bewusst war, ging ich an einen Ort, wo ich mich davor schützen konnte. Über dasselbe, aber ohne sich dieses Effekts bewusst zu sein, sprach in den Protokollen der Verhöre im Jahre 1959 der Direktor des örtlichen Museums, Iwan Uvarov (Blatt der Strafsache #60 - https://dyatlovpass.com/case-files-60-61?rbid=17743 - es ist auf Englisch, aber ich habe die Angemessenheit der Übersetzung nicht analysiert, ich habe alles auf Russisch im Original gelesen). Es heißt, dass ein einheimischer Jäger vor Schreck vom Berg in den Wald lief. Er war besser gekleidet und wusste, wo er Schutz vor dem Winter finden konnte, also blieb er am Leben.
6.Es ist sinnlos, diejenigen zu fragen, die damit in Berührung gekommen sind, wenn sie nicht wissen, was es ist. Sie verstehen einfach nicht, was mit ihnen passiert ist. Und es gibt viele andere Gründe, warum es dasselbe gewesen sein könnte, so dass es schwer ist, zu unterscheiden, was es war. Nun gibt es nicht einmal Techniken, um die für Infraschall charakteristischen Zeichen verbal genau zu isolieren. Ich habe bereits geschrieben, dass dieses physikalische Phänomen noch sehr schlecht verstanden ist.
7.Einige Anzeichen des bereits Bekannten können auf Infraschall zurückgeführt werden, aber noch gibt es kein vollständiges Bild für ein eindeutiges Verständnis. Gegen die von der Wissenschaft bereits gesammelten Erkenntnisse konnte jedoch bisher niemand etwas einwenden, außer, dass die persönliche Meinung in der Regel auf nichts beruht.
Zusammenfassend kann man sagen: Man kann nicht ausschließen. Man kann nur die gleiche Reihe von Argumenten (in der Wissenschaft bekannt), die so viel Zufall und keine anderen Sackgassen Gedanken geben wird.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Auf andere Theorien (Yeti, KGB und US-Spione, giftige Gase aus Raketen, Überfälle usw.) möchte ich nicht eingehen, da die Faktenlage diesen Theorien im wahrsten Sinne des Wortes den Wind aus den Segeln nimmt.
In diesem Punkt stimme ich Ihnen vollkommen zu.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Was als Ursache in unserer Annahme bleibt, ist Wind und 20 Grad plus. Kälte schließen wir ja aus.
Was ist mit dem Wind? Es gab gewiss heftige Windgeräusche / ein regelrecht unheimliches Heulen und Pfeifen des Windes, extremes Flattern der Zeltbahn, innen im Zelt verstand man kaum sein eigenes Wort.
Aber reicht das, um eine psychisch stabile Truppe aus dem Gleichgewicht zu bringen? In unserer durchgespielten Annahme sind es 20 Grad plus.
Die Gruppe könnte das Zelt verlassen haben, weil es innen einfach zu laut war, die Windgeräusche unerträglich, wie neben einer Standbox bei einem Konzert von Venom:
Venom - Heaven's On Fire
Schön laut hören. Dann entscheiden, ob man neben dem Lautsprecher stehen bleiben würde oder nicht. Ob man das Zelt panikartig verlassen würde oder nicht. ... ... Ich weiß aber gerade selbst nicht, ob ich das ernst nehmen soll ;-)
Warum also nicht die vorgeschlagene Theorie mit Bedacht behandeln? Eine andere Sache ist, sollte es als ernsthaftes Argument genommen werden? Wenn Sie dies auf ein Zelt am Hang übertragen, gibt es keine solchen Geräusche. Und es gibt keine Schalldruckpegel, die dazu führen, dass man sich schneller vom Lautsprecher entfernen möchte. Außerdem, wenn man Sie vor die Wahl stellen würde, entweder dort zu stehen und zu überleben, oder zu gehen und möglicherweise zu sterben, was würden Sie wählen? Natürlich, bei normalem Bewusstsein?
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Aber Spaß beiseite - gibt es Untersuchungen, die die Lautstärke im Innern eines flatternden Zeltes am Dyatlov-Pass bei starkem Wind nachgestellt haben?
Wenn ich neben so einer Musik an den Lautsprechern stehen würde, ich wüsste jedenfalls, was ich zu tun hätte ... Weg hier. Ohne lange nachzudenken.
Nein. Ich kenne die Forschung nicht, aber ein flatterndes Zelt kann diesen Effekt nicht erzeugen.
Erstens: Es erzeugt eine Menge Obertöne und Rauschen, was die Wirkung auf die Psyche drastisch reduziert.
Zweitens: Es kann keine ausreichend große Leistung oder Intensität der Luftwelle erzeugen.
Drittens: ergreift die Gruppe unter solchen Bedingungen (Beginn von starken Vibrationen des Zeltdaches) Maßnahmen, die sie zum Erlöschen bringen würden. Sie versuchen zum Beispiel, das Dach zu halten, wie wir es bei starkem Wind getan haben, als wir Angst hatten, dass der Dachständer das Zelt zerreißen könnte.
Viertens: Ich denke, dass die Quelle hier die Resonanz der Luftschwingungen im Tal des dritten Nebenflusses der Lozva ist. Es ist sehr nahe am Ort und dort ist die Leistung des Luftstroms um mehrere Größenordnungen höher (10...100...1000 mal mehr). Außerdem kann dort aufgrund der großen Größe eine sehr reine Wellenform erzeugt werden.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Aber voraussichtlich würde ich vorher noch nach meiner teuren Jacke greifen und sie mitnehmen - vorausgesetzt, sie ist in greifbarer Nähe.
Sie bringen wieder alles auf den Punkt, dass der Zustand der Menschen normal war. Wenn es so wäre, hätten sie das Zelt nicht aufgeschnitten und die notwendigen Dinge mitgenommen, auch wenn sie von dort fliehen wollten.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Wenn es also weder die durchdringende Kälte noch plötzlich eintretende Schneeereignisse oder sonstige plötzliche Ereignisse waren, wäre für mich dauerhafter ohrenbetäubender Lärm in der Tat ein Grund, das Zelt zu verlassen, zumal da es ziemlich niedrig gespannt war, die Enge käme noch dazu. Man konnte sich nicht "normal" unterhalten, es war schlicht zu laut. Sie mussten ihren Nebenmann quasi anschreien, um überhaupt gehört zu werden.
Sie konnten sich wegen des flatternden Zeltes, das auf einen niederprasselte, auch mit Handzeichen kaum untereinander verständigen.
Was ich auch gerne wüsste: Kann in einer solchen Situation als Faktor hinzukommen, dass einige Teilnehmer das Gefühl hatten, keine Luft mehr zu bekommen? Gibt es Erkenntnisse, die belegen, dass im Innern eines beschädigten und extrem flatternden Zeltes das Gefühl von Atemnot aufkommen kann?
Ich weiß nichts über solche Gefühle und solche Faktoren. Obwohl ich mindestens ein paar hundert Übernachtungen in baumlosem Gelände und bei starkem Wind hatte.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Jemand, der unbedingt rauswollte, aber nicht am Eingang des Zeltes positioniert war, und sich nicht verständlich machen konnte, war dadurch gezwungen, sich selbst zu befreien. Vielleicht waren nachher sogar alle erstmal froh, dass jemand das Zelt aufschnitt und sie endlich diesen extrem lauten und engen Ort, in dem sie eingepfercht waren, verlassen konnten.
Bei diesem Szenario kommt es zwingend auch zu einer Panikreaktion:
"Der ursprüngliche Reiz ist eigentlich harmlos, er erzeugt jedoch eine Massenreaktion, die zu einer Panik führt. Auslöser kann dabei das Phänomen der »psychischen Ansteckung« sein. ... Panik entsteht dann, wenn durch eine Vielzahl von Handlungsimitationen ein Gedränge entsteht, das dann als lebensbedrohlicher Reiz ... wahrgenommen wird."
(https://link.springer.com/chapter/10.1007%2F978-3-642-15308-2_32)
Nein. Es ist ein sehr schwacher Anreiz, das zu tun, angesichts der Tatsache, dass sie genauso leben wollten wie jeder andere auch.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:@wab: Mittlerweile bin ich auch überzeugt davon, dass die Ursache der Zeltflucht in der Tat nicht die Kälte war.
These zur Ursache der Zeltflucht: Es war eine Verkettung aus extremem Lärm und dem Gefühl, durch die rasend schnell flatternde Zeltplane niedergedrückt zu werden und dadurch eingepfercht zu sein mit der Konsequenz, keine Luft mehr zu bekommen.
Ich nenne es einmal die "Noise-Crammed-Theorie".
Ich weiß, es sind jetzt wieder Spekulationen. Mir geht es letztlich um die Frage: Angenommen, es war nicht die Kälte – gibt es Studien zu ohrenbetäubendem Lärm im Innenraum von Zelten?
Ich habe keine Informationen über solche Studien. Ich habe auch keine Informationen über solche Ereignisse in meiner eigenen oder in der mir zur Verfügung stehenden Praxis. Es sind mehrere tausend verschiedene Gruppen. Auf jeden Fall hat niemand von den Teilnehmern der verschiedenen Reisen darüber geschrieben.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Au Mann, ich habe jetzt ziemlich viel herumgeschwallt, sorry dafür. Aber ich wollte es einmal bildlich durchspielen und wäre dankbar, wenn wir das Thema Lärm einmal intensiver behandeln würden.
Zunächst müssen wir eine Begründung dafür finden, dass Lärm (im wissenschaftlichen Sinne) eine solche Wirkung haben kann.
Andernfalls wird es nur "Informationsrauschen" sein... :)

Ich werde heute keine Zeit haben, etwas anderes zu schreiben.


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

10.03.2021 um 20:31
Was meinen denn die Kälte-Skeptiker über die Parallelen zum Anaris-Vorfall?


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

11.03.2021 um 01:23
Zitat von NemonNemon schrieb am 21.07.2020:Beitrag von Nemon (Seite 585)
Nemon schrieb am 06.01.2020:
The Anaris group’s warming equipment stayed in their backpacks which were not reachable due to their numb hands.
The last joining persons that requested shelter together with the other six, repeatedly tried to fix the constantly failing uppermost part of the bivouac, this from the outside - but had to give up. Unable to fit inside the crowded and by snow blocked entrance, they eventually wandered out apathetic in the storm. Only one of them survived since he was in constant movement and was fortunate to be saved by two persons later on - although losing all his extremities.
Zitat stammt von Richard Holgren.
Wenn ich es richtig sehe:
Die Übereinstimmung mit dem Anaris-Fall besteht insbesondere in den vergleichbaren äußeren Bedingungen, einer vergleichbaren Umgebung, in den sich plötzlich ändernden Wetterverhältnissen und dem möglicherweise entstandenen katabatischen Fallwind, dem Windchill und dem Umstand, dass die Teilnehmer insbesondere noch Kleidung zur Verfügung hatten, die sie hätten anziehen können (bei Anaris in den Rucksäcken). Derjenige, der sich bei Anaris am meisten bewegte / in Bewegung blieb, überlebte sogar.

Die Unterschiede:
- Bei Anaris waren sie bereits sehr erschöpft, als sie ihr Lager aufbauen wollten, und wurden dabei von den sich schnell ändernden Wetterbedingungen überrascht.
- Sie waren nicht in einem schützenden Zelt, sondern in einem völlig ungeeigneten und provisorischen Schneeunterschlupf, der den widrigen Bedingungen aber nicht standhielt. Dem Windchill und dem kalten Fallwind völlig hilflos ausgeliefert.
- Die Teilnehmer versuchten verzweifelt, das Schneebiwak mit Hilfe ihrer Hände zu errichten. Sie waren hart am Arbeiten, was ihre Körpertemperatur anfangs sogar eher ansteigen ließ. Danach waren sie geschwitzt, was eine schnelle Unterkühlung deutlich fördert. Die Teilnehmer konnten die Kleidung nicht mehr anziehen, da ihre Finger und Hände bereits zu weit gefroren waren, um ihre Rucksäcke geöffnet zu bekommen. Die Fehler lagen wohl darin, sich nicht zuerst vollständig anzuziehen, danach einen windgeschützten Unterschlupf zu suchen und sich darin zu bewegen.

Wenn ich es richtig sehe, war die Dyatlov-Gruppe zumindest noch im Zelt in der Lage, ihre Finger und Hände normal zu benutzen. Sie wurden auch nicht während des Zeltaufbaus von einem denkbaren katabatischen Wind überrascht, sondern erst später, als sie bereits im Zelt waren.
(Oder ist es auch möglich, dass ihre Finger bereits im Zelt gefroren waren, deswegen der Eingang nicht mehr geöffnet werden konnte und daher auch die Schnitte gemacht wurden, weil sie zu was anderem nicht mehr in der Lage waren? Mmhhh ... nicht wirklich, oder?)

Bei Anaris waren sie körperlich objektiv nicht in der Lage, sich wärmer anzuziehen; bei Dyatlov waren es andere, nicht körperlich-bedingte Gründe.

Dass Kälte die Todesursache in beiden Fällen war, ist auch klar. Es geht uns aber nicht um die Ermittlung der Todesursache, sondern um das auslösende Element der Zeltflucht. Für was sollte die Kälte das auslösende Element beim Anaris-Fall gewesen sein? Anders als die Dyatlovs gerieten sie unvermittelt und ungeschützt in eine extreme Kältesituation, waren letztlich auf Grund ihrer gefrorenen Finger nicht mehr in der Lage, etwas Zusätzliches anzuziehen und erfroren an Ort und Stelle bitterlich.

Holgrens / Günther Wolfs Studie, auf die Du Dich beziehst,
(--- Danke für die wertvolle Arbeit! ---)
belegt ja nicht die Ursache der Zeltflucht, sondern in erster Linie die grundsätzliche Möglichkeit des Vorliegens eines katabatischen Fallwindes im Dyatlov-Gebiet sowie eines Windchills innerhalb des Zelts.

Dass beim Anaris-Fall allein die plötzlich auftretende Kälte für alle Entwicklungen verantwortlich war, liegt nach dem beschriebenen Szenario auf der Hand. Bei den Dyatlovs taugt das Argument der anwachsenden Kälte im Zelt aber höchstens als Zusatzargument, da die Umstände völlig andere waren.

Wie auch immer – es bleibt spannend. Gute Nacht und einen guten Start in den neuen Tag.


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

11.03.2021 um 09:40
Einen Knebelverschluß am Zelteingang bekommt man immer irgendwie auf. Notfalls reißt man die Leinen der Knebel ab, die ja nur mit Garn angenäht sind.

Bei diesen Temperaturen zieht man sich komplett an und arbeitet nur so, daß man nicht zu sehr schwitzt. Der Schweiß kühlt einen später aus. Mit Membranklamotten ist der Effekt gemildert, aber mehr auch nicht. Man verliert massiv Wärme.

Die Fälle sind nicht vergleichbar. Die Dyatlov-Gruppe war bereits in der Situation, die die "Anaris"-Gruppe ja verzweifelt versuchte zu erreichen, wobei sie scheiterten. Weil sie zwei grobe Fehler gemacht hatte.
Bei der Dyatlov Gruppe verlief alles planmäßig und wie zu erwarten, bis....?


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

11.03.2021 um 10:33
@Stecknadelkopf
Du betreibst Cherry Picking.
Hier ist der gesamt Beitrag (einer von mehreren zumThema), und über Hypothermie wurde hier auch schon einiges gesagt.
Beitrag von Nemon (Seite 585)

Ach, was solls, ich zitiere einiges davon noch mal herbei:
Das Geschehen bewegt sich innerhalb einer angenommenen Schwankungsbreite von ca. -20°C bis -65°C (gefühlt) bei Windgeschwindigkeiten von bis zu rund 40 m/s.

Ich stelle mal ein paar Passagen von @RH zusammen, der sich auch auf die Parallelen im schwedischen Ansaris-Fall bezieht (oben verlinkt). Diese Absätze folgen im Original nicht unmittelbar aufeinander.
The Anaris group’s warming equipment stayed in their backpacks which were not reachable due to their numb hands.
The last joining persons that requested shelter together with the other six, repeatedly tried to fix the constantly failing uppermost part of the bivouac, this from the outside - but had to give up. Unable to fit inside the crowded and by snow blocked entrance, they eventually wandered out apathetic in the storm. Only one of them survived since he was in constant movement and was fortunate to be saved by two persons later on - although losing all his extremities.
Now, any person that haven’t experienced falling winds, would probably argue that no wind in the world can blow up this fast and with such a great force, that there would at least be time to put on clothes or shoes. They´re wrong. Any such wind as described above, would completely take anyone off guard - such in the case of Anaris with its following consequences.
Yes, the tent would have been better secured with the group inside, but the cooling effect under a gravity wind would eventually have killed them. Furthermore the torn tent was already made unsuitable for this option. In fact - it was exactly this that killed the Anaris group, where the only survivor escaping the shelter, was the only survivor. He was in constant movement and ventured elsewhere, while the rest froze to death.
It is important to note though that as time passed, irrational behaviour should be expected. In this instance it might explain peculiarities in decisions and behaviour. Hypothermia means that the body core temperature sinks below 35 degrees Celsius. This usually gives symptoms of fatigue, impaired coordination ability, confusion and hallucinations. Eventually, apathy usually kicks in. With a body temperature of around 30 degrees Celsius, most become unconscious.
Quelle: ebenda

Mit dem Einsetzen des extremen Windes ist ein Schock-Ereignis gegeben. In einem löchrigen Zelt, das für extremen Windchill sorgt, auf die Camper schlägt und zu zerreißen droht — und all dies in einer unmittelbar lebensbedrohlichen Gesamtlage. Mehr Schock-Erlebnis ist hier in der Szenerie nicht zu bekommen. Und es reicht. (Auch wenn unsere Panzergrenadiere das als „ein bisschen ungemütlich“ klassifizieren ;) Die Nachkriegsrussen, nicht zuletzt der Veteran Zolotaryev, waren garantiert noch ein Stück härter). Wenn noch ein Schall-Effekt, über den wir gerne mehr wüssten, on top kommt — okay. Aber auch ohne liegt eine Extremsituation vor.


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

11.03.2021 um 12:25
@Nemon
Die ganze Zeit ging ich ja auch von Hypothermie im Zelt aus. Aber ich bin mittlerweile davon nicht mehr überzeugt. Vielleicht bin ich auch einfach nur zu unstet ...

"Cherry picking" wollte ich übrigens nicht betreiben (das siehst Du auch, wenn Du auf Deinen Beitrag draufklickst – es stand dort nicht mehr drin, als ich zitiert habe; im Übrigen war ich gestern Nacht schlicht zu müde, um noch mehr über Anaris rauszusuchen).

Der Ablauf einer Hypothermie ist in dem folgenden Artikel ganz gut aufgegriffen "Accidental hypothermia and local cold injury: physiological and epidemiological studies on risk" von dem Schweden Helge Brändström (https://www.diva-portal.org/smash/get/diva2:527959/FULLTEXT01.pdf). U.a. schreibt er dort:

Seiten 20 / 21:
Pathophysiology: Exposure to cold leads to a generalized stress response involving intensive sympathetic nervous system stimulation, with increased heart rate and general vasoconstriction (centralization of blood volume) along with increased oxygen consumption and increased respiration (ventilation, seen most simply as increased respiratory rate). With decreasing body temperature, the initial cold ‘stress’ disappears, and a general slowing of all bodily functions occurs.
Nervous system: ... Mentation during hypothermia initially involves trying to find warmth and protection,as well as food. With decreasing body temperature, the affected person’swill to struggle and get out of the danger is blunted. Typically, hypothermia victimscan be apathetic, reason poorly, and have impaired memory. Hypothermiavictims often make poor decisions. They typically have slurred speech and an apathetic appearance, mixed with aggressive confusion which can appear similar topsychosis. Level of consciousness decreases with progressive decrease in corebody temperature, and most victims with a temperature of 30°C are somnolent orobtunded. At 28-26°C and below, unconsciousness can be expected. There areexceptions. There are anecdotes of children, but also adults, typically
Seite 25:
The clinical manifestation: During exposure to cold, and before cooling of core body temperature, there is a period where a potential hypothermia victim will/should consciously try to find shelter and protection from the cold, and where hypothermia can be recognized by appearance and behavior. Early clinical manifestations include hunger, nausea, fatigue, aggressiveness, impaired motor coordination, ataxia, apathy, and confusion. With further decreases in core body temperature, the victim becomes anxious and neurotic or displays unpredictable behaviour, and ultimately hallucinates. A score body temperature decreases successively to around 30°C, mentation slows significantly, and at 28-26°C, most victims become unconscious.
Was mich eben zweifeln lässt, ist, dass es vor dem Eintreten von Hypothermie eine Phase gibt, in der bewusste Handlungen durchgeführt werden, um sich vor Kälte zu schützen. Also insbesondere Kleidung anlegen. Selbst dann, wenn der Fallwind unglaublich plötzlich auftritt. Dein Zitat betrifft ja nur den Fall Anaris und ist m.E. nicht auf Dyatlov zu übertragen. Sie waren ja nicht im Freien, sondern – wenn auch in einem beschädigten, aber immerhin doch eng zusammensitzend in einem relativ geschützten Raum. Die Körpertemperatur fällt ja nicht innerhalb von Bruchteilen von Sekunden auf unter 35 Grad, das ist ein Prozess. Und während dieses Prozesses besteht der Bedarf, sich vor Kälte zu schützen.

Und noch eins, was nicht logisch ist (wir sprachen schon darüber): Wenn die Truppe (alle oder nur einzelne) bei diesen Umständen einmal von Hypothermie im relativ geschützten Zelt ergriffen wurden – durch welches Ereignis sollen sie wieder zurückgefunden haben zu rationalen Handlungen, wie sie im Wald / im Tal ergriffen wurden? Also raus aus der Hypothermie und wieder rein in eine angemessene Körpertemperatur?

Aber was ist in diesem Fall schon logisch?
(Und dass Handlungen auch bei normalem Bewusstsein oft nichts mit Logik zu tun haben, sieht man seit geraumer Zeit ja auch bei den ergriffenen Maßnahmen gegen Corona. ;-))


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

11.03.2021 um 12:41
Das Zelt war doch erst nach den Schnitzereien so richtig löchrig.
Es war sogar mit einer Wind-Schleuse ausgestattet (die Plane hinter dem Eingang). Auf den Lappen hätten sie schon aus Gewichtsgründen verzichtet, wenn er nicht gewirkt hätte, weil überall anders der Wind reinblies..
Wäre der Windchill-Faktor im Zelt wirksam gewesen, hätten sie ihre winddichten Überklamotten getragen.
Es sind einfache Gleichungen:
Sie haben keine winddichte Schicht getragen=kein nennenswerter Windchill-Effekt im Zelt.
Das Zelt liegt noch in Aufbauposition, nicht vom Wind zerfetzt und rumgewirbelt=Kein gar so fürchterlicher Wind, daß man deswegen fluchtartig das Zelt und das Umfeld verlassen müßte.

Wind und Kälte bedeuten Komforteinschränkungen, geh mal zB. mit vier Lagen Klamotten bei -20°C und 140km/h Windgeschwindigkeit draußen vor dem Zelt pinkeln. DAS sind Probleme.
Oder öffne nach einer Nacht bei -18°C morgens deinen Kontaktlinsenbehälter, den du Idiot nicht mit in die Penntüte genommen hast...
Linsen in Gellee...
Noch schlimmer: Du hast Durst, öffnest eine schöne kühle Bierflasche, die bei -8°C in ihrer gemütlichen Kiste innen an der Zeltwand schlief und mußt entsetzt zusehen, wie der leckere Inhalt nach Abheben der Kapsel von innen nach außen in einer Sekunde durchfriert und kein Tropfen aus der Flasche rauskommt. Und du hast so einen fürchterlichen Durst.
DAS sind Probleme beim Wintercampen.


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

11.03.2021 um 12:51
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Und noch eins, was nicht logisch ist (wir sprachen schon darüber): Wenn die Truppe (alle oder nur einzelne) bei diesen Umständen einmal von Hypothermie im relativ geschützten Zelt ergriffen wurden – durch welches Ereignis sollen sie wieder zurückgefunden haben zu rationalen Handlungen, wie sie im Wald / im Tal ergriffen wurden? Also raus aus der Hypothermie und wieder rein in eine angemessene Körpertemperatur?
Wir werden in diesem Punkt nicht zu einem abschließenden Ergebnis kommen.
Aber nochmals: Hypothermie ist Teil eines tödlichen Cocktails in diesem Fall. Und sie kann sehr schnell eintreten, ich krame jetzt nicht noch mal Links heraus. Und die Zustände der div. Kategorien überlagern sich unter Umständen, lassen sich nicht auf 35°C Körpertemperatur oder welche Marke auch immer klar abgrenzen. Leute zeigen unterschiedliche Verhaltensweisen von getriebener Aktivität bis Stagnation. Hinzu kommt das Symptom der beschriebenen Überlastungsreaktion. Die Kälte verleiht dem Ganzen den tödlichen, unentrinnbaren Aspekt. Und dem sahen sie sich, noch rational denken, ausgesetzt. Das Zelt war jetzt kein Schutz mehr. Irreversibel. Und ab dem Punt kann es den Rationalsten, kühlsten Kopf in den Irrsinn treiben. Es ist ein Dilemma: Du musst aktiv bleiben, um zu überleben. Aber wenn du dich bewegst, ist die Option Zelt verloren, die eh schon keine mehr ist. Dann gibt es zu diesem Zeitpunkt aber bei Einsetzen des schlimmsten Windes keine Zeit und Möglichkeit für Meinungsaustausch und sachliche Abwägungen etc. Eine Impulshandlung eines Einzelnen kann die Kettenreaktion in Gang setzen. Ich habe es mehrmals mit unterschiedlichen Worten beschrieben. Und heute wieder.

Dass die Symptome bei denen, die den Wald erreichen, - vorübergehend - nachlassen, passt ins Bild von Hypothermie und Psychische Belastungsreaktion. So sie nicht erfrieren, sobald die Akkus am schwachen Feuer leerlaufen, lebensgefährlich verletzt sind oder im Schnee auf dem Hang erfrieren. Wovon reden wir also hier im Plural? Am Ende von min. zwei Personen, die noch nennenswert gearbeitet haben - und einer Person, die noch gerackert hat und es am längsten überstanden hat. Also 2 x Yuri + Kolevatov. Zwischenzeitlich noch jene, die Tibo in den Wald mitgenommen haben.

Wir haben mehrere Faktoren plus den "X-Faktor" on top, der aber momentan noch spekulativ ist: Schall-Effekt. Das Ganze hat aber nur in dem Setting mit extremem Sturm und tödlicher Kälte die Brisanz, die zum Top der ganzen Gruppe führte.


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

11.03.2021 um 13:36
Zitat von PGR156PGR156 schrieb:Es sind einfache Gleichungen:
Sie haben keine winddichte Schicht getragen=kein nennenswerter Windchill-Effekt im Zelt.
Das Zelt liegt noch in Aufbauposition, nicht vom Wind zerfetzt und rumgewirbelt=Kein gar so fürchterlicher Wind, daß man deswegen fluchtartig das Zelt und das Umfeld verlassen müßte.
Diese Schlussfolgerungen sind aber nicht zwangsläufig stringent.
Bei einem schlagartig einsetzenden Ereignis bestand in der Sardinenbüchse keine Möglichkeit für 9 Leute, sich zweckmäßig darauf einzurichten. Es reicht auch schon, wenn eine Person mit dem Messer ausrastet - und du hast ab sofort kein Zelt mehr. Wie sich der Windchill und Energieverlust bei welchem Luftaustausch auswirkt, wurde vorgerechnet. Das ist auch ohne die zusätzlichen Schnitte schon grenzwertig. Sie konnten bei Einsetzen der höchsten Terror-Stufe durch den Wind die reale Gefahr nicht sachlich-fachlich abschätzen und wussten nicht, ob es dann noch mal schlimmer werden würde. Dass das Zelt noch an Ort und Stelle war heißt nichts. Es war gut befestigt und ballastiert. Sogar das nicht ballastierte Testzelt wurde nicht weggeblasen. Aber vom Wind zerfetzt, wie das Original zumindest teilweise auch. Nicht geklärt ist der Zustand des Zeltes beim Auffinden und die Sache mit dem zerteilten Skistock, der möglicherweise als niedrigere Stütze hätte dienen sollen.

Na gut, du hättest dir in aller Ruhe die 5. Lage Klamotten angezogen und erstmal nen leckeren Grog zubereitet, eine Pfeife geraucht und das gemacht, was ein Seebär so macht, wenn es ungemütlich wird: Aussitzen. Da waren aber neun Leute nicht so cool.
Im Prinzip sagt WAB das auch, der glaubwürdig behauptet, 100 Mal und mehr unter solchen Bedingungen gezeltet zu haben. Nur ist auch bei ihm das Ende prädestiniert, sobald das Zelt nicht mehr intakt ist. Wenn ich es richtig im Kopf habe. Es war wahrscheinlich schon vor den ominösen Schnitten kein Ort mehr, an dem man diese Situation hätte überleben können.

Hier noch mal, was Günter Wolf in seinem Experiment ermittelt hat (kleiner Auszug):
The tent entrance was opened after 2 hours to the value A1 = 0.062 m2 (1 sheet DIN A4). About 15 minutes
later, the temperature fell. Then it increased again.
After 4 hours, the tent entrance was opened to A2 = 0.124 m2 (2 sheets of A4). Again, the temperature
dropped but it did not rise again. Therefore, I assume that with about A = 0.09 m2 = 1% (1.5 sheets of DIN
A4) of defective tent area, a balance would occur, with a constant +5°C temperature loss.
These values also apply to the "Dyatlov tent" with a tendency to a slightly higher temperature loss due to
the poorer surface/volume ratio.
I suspect that the Dyatlov tent had about 1.5 to maximum 2 sheets of A4 damage. If there had been more
damage, major repairs would necessarily have been carried out immediately, even if there had been no wind. The problem was that the group could not know the absolute temperature loss because they did not
have thermometers outside and inside like I did.
Quelle: G. Wolf

Ab einer gewissen Öffnung des Zeltes kippt das Verhältnis und die Personen können den Wärmeverlust nicht mehr ausgleichen. Dies wird man nicht ad hoc als Temperatursturz empfinden, weil man ab einer gewissen Kälte eh kein genaues Empfinden von Temperaturen mehr hat. Nun kommen aber die drastisch schlimmer werdenden Windverhältnisse mit dazu, die das dramatisch gestalten. Und auf einmal ist alles verloren.

Weiterer Auszug aus der Wolf-Studie:
7. Presumably the group assumed outside temperatures of maximum – 20 °C (+/- 5°C) and wind speeds of
around 15 m/s (+/- 5 m/s).
8. Using films from the internet and the film by Dr. Borzenkov (35 m/s), I have estimated how often a tent
wall or a tent flutters in a strong wind. A large tent flutters ~ 2 times per second and a smaller tent around
3-4 times per second. The air inside the tent vibrates in the Infrasound Range!
9. In one hour, that is ~ 15 000 fluttering movements. A completely conservative estimate is that about 150
m3 (more likely up to 300 m3) are circulated through the holes (openings) of the tent, i.e. transported out.
10. The possible maximum profit through body heat of +15°C is of course no longer available, as my
experiments shows.


11. The fluttering also creates a "Wind-Chill-Effect" in the tent. I estimate this to be around >/= 50% of the
normal value of the wind-chill effect.
The increased wind speed, with gusts and vortexes, allowed the
fluttering of the tent walls to also increase the holes in the tent uncontrollably.
12. There were 2 stages in the weather development leading up to the disaster.
13. Phase 2 from 7 p.m.-locally a previously not calculated "Katabatic-Wind", with wind speeds and gusts of
about 35 m/s (+/- 5m/s) and with temperatures of about - 25°C to -30°C. The wind speed is not impossible,
because 35 m/s was measured by Dr. Borzenkov himself on 27.01.2015. All expeditions reported a sudden
drop in temperature overnight. R. Holmgren also reported -43 °C on 1.2.2019.
14. Phase 3 started around 11 p.m.-local with the breakthrough of vertical Cold Air with temperatures -35°C
to -50 °C - see below.
15. By 7 p.m. at the latest, the group should have been understood that survival in the tent would not be
possible under these circumstances (Wind-Chill -38°C). However, many indications (which I will not
discuss here) suggest that the group did not leave the tent before 9 p.m. At that time the Wind-Chill was
inside -45°C and outside - 60°C. The group lost a lot of vitality as a result from 7 p.m. to 9 p.m.
16. Due to group dynamics, in view of a possible near death, psychological effects also occurred in the group.
Consciousness narrowing, limited attention, the inability to process stimuli, lethargy and disorientation
were the result. This resulted in partly senseless, illogical actions and flight reactions, which can occur
within minutes. In the meantime, "normal actions" of some group members certainly occurred in parallel
as well.
Ich denke, wir werden bald etwas mehr über mögliche Schall-Phänomene wissen...
Das geht es aber nicht um Äquivalente zum Headbangen beim Heavy Metal, sondern um subtilere Effekte.
Es ist jedoch fraglich, ob es diesen Effekt on top überhaupt braucht ...


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

11.03.2021 um 14:22
... und gleich mal ein paar Ansätze zum Thema Infraschall. Es gibt mehr Ansätze als ich dachte. Man kann es nicht wegwischen, ist auch keine Esoterik.

Eine Arbeit, auf die oft referiert wird, stammt von Nussbaum/Reinis (1985):
Some individual differences in human response to infrasound

Auch dieses lange und ausführliche Video tut das. Hier von einer Firma, die sich damit im Kontext Bewegung und Transportsysteme beschäftigt:
This presentation is titled: Infrasound & Motion Sickness - An Overview. Kevin Dooley discusses what our company believes to be the link between infrasound & some forms of motion sickness symptoms in sensitive people.
Youtube: A New Theory On Motion Sickness: Infrasound & Motion Linked
A New Theory On Motion Sickness: Infrasound & Motion Linked
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Hier mehr Es geht da um die Windrad-Problematik, die ich aber ausklammern will als politisches Thema. Es gibt Versuche mit Evidenz bei Herzmuskel-Gewebe und Erkenntnisse über die IS-Einwirkung über das Innenohr etc.

Ab 15:30 / 0:23:00 / 0:24:30

Youtube: planet e. - Infraschall - Unerhörter Lärm
planet e. - Infraschall - Unerhörter Lärm
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...nur mal so als Einstieg...


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

11.03.2021 um 14:35
Zitat von NemonNemon schrieb:The problem was that the group could not know the absolute temperature loss because they did not
have thermometers outside and inside like I did.
Ja, das ist ein sehr interessanter Aspekt (sorry, wenn ich den bisher übersehen hatte). Für mich als Laien bedeutet dies: Wenn es erstmal weit unter 0 Grad ist, dann spürt man eine weitere Temperaturreduktion erst gar nicht mehr, z.B. von -20 Grad auf -43 Grad. Kalt ist kalt. Mmhhh ...

Das bedeutet eine Menge weiterer Fragen (vielleicht schon durch Studien beantwortet?):

Wenn dem so wäre: Merkt man dann ebenso nicht, wenn die eigene Körpertemperatur anfängt zu sinken? Oder andersrum: Führt eine unbemerkte äußere Temperatursenkung auch zwingend zu einer unbemerkten körperlichen Temperaturabsenkung?

Wenn ich in eiskaltes Wasser falle, ist es ja offensichtlich. Wie ist es hier? Spüre ich einen plötzlich auftretenden Windchill? Oder reicht es, wenn ich sehe, dass Löcher im Zelt sind und dann selbst zu dem Schluss komme, dass es kälter werden könnte (um mich dann doch noch selbst mit dem Anlegen weiterer Kleider schützen zu können)?

Und bei einem plötzlich eintretenden Fallwind? Wäre ich dann nicht mehr in der Lage zu bemerken, dass meine Finger langsam absterben, dass Hunger, Übelkeit, Müdigkeit, Aggressivität, Beeinträchtigung der motorischen Koordination, Ataxie, Apathie oder Verwirrung eintreten?

Dann würde es nur noch helfen, dass die veränderten Verhaltensweisen von den anderen beobachtet werden würden. Dies ist aber auf engem Raum ohne echte Bewegungsmöglichkeit, Dunkelheit und auch ansonsten widrigen Umständen eher schwierig festzustellen. Aber unmöglich wäre es nicht.
Zitat von NemonNemon schrieb:15. By 7 p.m. at the latest, the group should have been understood that survival in the tent would not be
possible under these circumstances (Wind-Chill -38°C).
Das ist jetzt wieder so ein sich widersprüchlicher Punkt, wie ich meine: Wenn die Gruppe um 19 Uhr bei vollem Bewusstsein verstanden haben sollte, dass ein Verbleiben im Zelt unweigerlich zum Tode führen würde, dann hätte sie auch verstanden, mehr Kleidung anlegen zu müssen.
Hypothermie soll unbewusst eingetreten sein, aber gleichzeitig sollen sie auch positiv gewusst haben, dass sie im Zelt nicht bleiben können? Irgendwie widerspricht sich das. Oder lese ich was falsch?

Offen bleibt für mich ohnehin immer noch, ob die Schnitte in die Zeltbahn aus rationalen oder irrationalen Gründen erfolgten.

Wenn die o.a. Widersprüche aufgelöst und die weiteren Annahmen belegt werden könnten, käme auch die Kälte als Auslöser wieder ins Spiel ...

Aber wie schon gesagt, ich bin unstet; meine einzige Konstante ist das ständige Hin und Her ;-)


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

11.03.2021 um 15:44
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Irgendwie widerspricht sich das. Oder lese ich was falsch?
Du meintest ja zuvor schon, dass Irrationales dem, der irrational ist, rational erscheinen kann. Dieser Logik folgend können die Schnitte selbstverständlich rational sein ;)

Ich bleibe aber bei dem Einwand, dass man die Schnitte anders gesetzt hätte, wenn man bei vollem Verstand gewesen wäre. Dort, wo es am wenigsten flattert, wo der Schaden am besten zu kompensieren wäre und so, dass man tatsächlich einen mannbreiten Ausstieg bekommen hätte. So oder so führt es am Ende auf irrationales und panikartiges getriebenes Verhalten. (Auch wenn RH das anders sieht).

Mein Versuch, auch bei der 384. Umdrehung noch etwas Schlaues zu sagen:
Wir können es immer wieder und wieder durchs Hamsterrad drehen. Es verschieben sich allerdings immer wieder einzelne Aspekte gegeneinander. Wenn wir uns vergegenwärtigen, wie stark die Protokolle zum Zelt voneinander abweichen (und wie wenig davon aus Primärquellen stammt) und wie unzureichend die forensische Dokumentation ist, kann man zu unterschiedlichen Schlüssen kommen je nachdem, wie man verschiedene Sachverhalte bzw. Aussagen zuordnet.

So ist die vermeintliche Spur mit der Taschenlampe auf dem Zelt womöglich ziemlich irrelevant. Ein zerschnittener Skistock im Zelt, aber auch ein ausgepackter Ofen und zusammengesteckte Rohr-Segmente, die ebenfalls erwähnt werden, wären viel interessantere und weiterführende Details. Nur so als Beispiel. Es ist aber unwahrscheinlich, dass diese Dinge jemals aufgeklärt werden. Die Mitglieder der Suchmannschaften haben ja zum Teil schon nach ihren offiziellen Protokollen weitere Aussagen gemacht. Die ergeben nun mal kein schlüssiges Bild.


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

11.03.2021 um 16:17
Ach so, ja und noch mal schnell ein Flashback zu einer der früheren Umdrehungen des Hamsterrades:
Beitrag von Nemon (Seite 626)

Das Video zeigt Triebschnee, wie er sich NICHT ablagert, bei "normalem" katabatischen Wind ohne Wirbel und Windwalzen, wie sie in der Unglücksnacht hinzukamen. Ganz am Ende Zeltflattern bei 30m/s.

Youtube: Перевал Дятлова, январь 2015, сильный ветер
Перевал Дятлова, январь 2015, сильный ветер
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In der Video-Galerie dieses Threads sind einige weitere Beispiele.


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

11.03.2021 um 18:45
Zitat von NemonNemon schrieb:und du hast ab sofort kein Zelt mehr.
Ja, da ist aber noch ein Zelt. Von den Schnitzereien abgesehen noch ganz OK. Selbst als Tarp wäre es noch besser gewesen als die Flucht in suboptimaler Kleidung.
Zitat von NemonNemon schrieb:Wie sich der Windchill und Energieverlust bei welchem Luftaustausch auswirkt, wurde vorgerechnet. Das ist auch ohne die zusätzlichen Schnitte schon grenzwertig. Sie konnten bei Einsetzen der höchsten Terror-Stufe durch den Wind die reale Gefahr nicht sachlich-fachlich abschätzen und wussten nicht, ob es dann noch mal schlimmer werden würde.
Diesen Windchill und diese Bedingungen haben aber doch alle damaligen Wandergruppen auch gehabt. Und vorher und hinterher auch.
Du zäumst das Pferd von hinten auf.
Sie hatten einen Marsch hinter sich und ihr Zelt aufgebaut. Sie waren durchgewärmt durch die körperliche Aktivität.
Entsprechend legten sie im Zelt die nicht benötigte Kleidung ab.
Würden sie anfangen zu frieren, würden sie wieder Kleidung nachlegen.
Geh draußen im Winter mal stramm wandern, dann wird dir warm und du öffnest deine Jacke oder du ziehst die oberste Lage aus.
Und nun machst du eine Pause und setzt dich zu ner Stulle auf einen Baumstumpf.
Ich kenne keinen, der dann dort immer weiter runterkühlt, das nicht merkt und sich die Jacke nicht wieder überzieht und dann dort festfriert oder sich Erfrierungen zuzieht. Das ist doch lebensfremd.
Zitat von NemonNemon schrieb:Es war gut befestigt und ballastiert.
Da waren Skistöcke in den Schnee gedrückt. Die konnten nur so fest stehen, wie der Schnee Widerstand bietet.
Wenn es ballastiert war, brauchen wir aber nicht über den Lärm einer flatternden Zeltplane zu reden. Eines geht nur.
Zitat von NemonNemon schrieb:eine Pfeife geraucht
Zigarre! So viel Zeit muß sein!
Zitat von NemonNemon schrieb:Im Prinzip sagt WAB das auch, der glaubwürdig behauptet, 100 Mal und mehr unter solchen Bedingungen gezeltet zu haben.

Und damit liegt er auch richtig.
In ähnlichen Bedingungen habe ich vielleicht 15-20 mal gezeltet. Teilweise dann mehrere Tage. Bei starken Winden und Temperaturen bis ca. -10 bis-15°C aber deutlich öfter.
Man weiß, was man braucht und welchen Problemen man wie begegnet. Das ist alles nicht so wild, wie es sich anhört. Man muß seinen inneren Schweinehund überwinden und darf nicht zu komfortorientiert sein. Man tastet sich auch an solche Bedingungen heran. Man ersteht nicht sein erstes Zelt, kauft sich im Diskounter einen Schlafsack und eine selbstaufblasende Matte und zieht dann bei -15°C bis über die Baumgrenze.
Alles, was hier an Wind und Temperaturen genannt und berechnet wurden, ist bei solchen Touren einfach im normalen, erwartbaren Rahmen. Und wäre einer dieser normal dort zu erwartenden Faktoren plötzlich in kritische, unerwartbare Bereiche ausgerissen, wäre die Auffindesituation erkennbar anders gewesen. Der Fluchtfaktor, der letztlich zur Katastrophe führte, war keiner der üblichen Verdächtigen.
Zitat von NemonNemon schrieb:sobald das Zelt nicht mehr intakt ist.
Das Zelt war aber noch intakt bis zu den Schnitten. Und mit denen hätte man besser umgehen können als ohne Zelt und ohne winddichte Oberbekleidung.
Wenn einer mit einem Messer abdreht, warum rennen dann alle weg?
NeNe. Das waren doch nicht Leute der Franklin-Expedition, die nach vielen entbehrungsreichen Monaten ihre erfrorenen Kameraden essen mußten. Die Gruppe saß gerade mal ein paar Stunden, wenn überhaupt, vor Ort. Und wenn wirklich Entkräftung und die letzte Stufe der Hyperthermie zuschlagen, sieht das aus wie am Mount-Everest oder der Scott-Südpol-Expedition. Langsam einschlafen und tot aufwachen. Keiner von denen stand plötzlich auf und rannte los. Wären dazu noch die Energien da, wären sie ja nicht in dieser körperlichen Situation gewesen.
Wäre die Wandergruppe bereits stark entkräftet und unterkühlt gewesen, hätten sie eng aneinandergeschmiegt vollangekleidet unter allen Decken und Planen gekauert. Da hätte keiner mehr einen Zeh aus dem Zelt gesteckt. Wenn es dann einem in der letzten Phase warm geworden wäre und er meinte, sich draußen abkühlen zu müssen, dann hätte ihn kaum einer mehr zurückgehalten und es wären ein- oder zwei Wanderer mit offener Jacke vor dem Zelt aufgefunden worden. Die anderen erfroren drinnen.
Zitat von NemonNemon schrieb:Es war wahrscheinlich schon vor den ominösen Schnitten kein Ort mehr, an dem man diese Situation hätte überleben können.
Doch klar. Sonst wären sie komplett angezogen gewesen und hätten den Ofen aufgebaut. So saßen sie relativ legere beim Essen.
Zitat von NemonNemon schrieb:können den Wärmeverlust nicht mehr ausgleichen. Dies wird man nicht ad hoc als Temperatursturz empfinden, weil man ab einer gewissen Kälte eh kein genaues Empfinden von Temperaturen mehr hat.
Ja, wenn man bereits alle Klamotten an hat, kein Feuerholz und keinen Rucksack mehr zum verfeuern hat, unkontrolliert zittert und bereits teilnahmslos vor sich hinstiert, dann merkt man nicht mehr, daß die Temperatur von -25°C weiter fällt auf, von mir aus, -40°C.
Aber bereits vorher gibt es doch die jedem bekannten Anzeichen wie Frösteln, Zittern, Zähneklappern und dann legt man Kleidung nach.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Merkt man dann ebenso nicht, wenn die eigene Körpertemperatur anfängt zu sinken? Oder andersrum: Führt eine unbemerkte äußere Temperatursenkung auch zwingend zu einer unbemerkten körperlichen Temperaturabsenkung?
Bin ich hier der einzige Warmblüter? ;)
Mein Körper- und auch die Körper aller Verwandten und Bekannten- reagieren mit Frösteln, Zittern und Zähneklappern auf eine sinkende Körpertemperatur.
Wenn ich die Beiträge von wab richtig verstehe, ist das auch im Ural so.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Spüre ich einen plötzlich auftretenden Windchill?
Du sitzt an einem sonnigen Spätsommer, Winter- oder Frühjahrstag im Garten und grillst mit Freunden. Plötzlich erhebt sich bei gleichbleibender Temperatur eine leichte Brise. Man schaudert plötzlich und zieht sich eine leichte Jacke/Pulli etc über. Im Leben hunderte Male bei mir und anderen gesehen. Ich denke, auch Du spürst den Abkühleffekt auf der Haut.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:Und bei einem plötzlich eintretenden Fallwind? Wäre ich dann nicht mehr in der Lage zu bemerken, dass meine Finger langsam absterben, dass Hunger, Übelkeit, Müdigkeit, Aggressivität, Beeinträchtigung der motorischen Koordination, Ataxie, Apathie oder Verwirrung eintreten?
Du hättest schon lange vor dem Fallwind Deine Handschuhe übereinandergezogen.
Hunger...Übelkeit...Müdigkeit...Aggressivität...Beeinträchtigung der Motorik... die Gruppe zog doch nicht seit vielen Tagen oder Wochen ohne Nahrungsmittel und Zelt durch unerschlossenes Gebiet.
Das war eine sportliche, wander- und zelterprobte Gruppe die bis zu dieser Nacht zwar selbstgewählt unkomfortabel, aber unter dieser Prämisse entbehrungslos unterwegs war. Die Bilder zeugen von einer guten Stimmung.
Das kann nach längerer entbehrungsreicher Zeit umschlagen. Aber doch nicht nach ein paar Stunden- ohne irgendein besonderes Ereignis. Und dieses war nicht Schnee,Wind und Kälte. Darauf waren sie vorbereitet und es gibt keine Hinweise darauf, daß diese Faktoren das Erwartbare überstiegen. Zelt, Kleidung und körperliche Aktivitäten der Wanderer nach der Flucht sprechen für mich dagegen.
Zitat von StecknadelkopfStecknadelkopf schrieb:...von den anderen beobachtet werden würden. Dies ist aber auf engem Raum ohne echte Bewegungsmöglichkeit, Dunkelheit und auch ansonsten widrigen Umständen eher schwierig festzustellen.
Gerade wegen der Enge spürst Du wie deine Kameraden neben dir unkontrolliert zittern und du hörst das Zähneklappern. Ich habe es mehrfach erlebt.
Geh einfach bei komfortablen -5°C zelten und nimm ein paar jüngere Mädels oder Buben mit "stylischen" Winterklamotten mit.
Bei dem Gezittere hält sich kein Schnee auf dem Zelt. Könnte aber auch in der Ebene Lawinen auslösen...
Das Gejammer ist nach kurzer Zeit nicht mehr auszuhalten.


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

11.03.2021 um 19:14
Zitat von PGR156PGR156 schrieb:Wenn es ballastiert war, brauchen wir aber nicht über den Lärm einer flatternden Zeltplane zu reden. Eines geht nur.
Wieso. Wir wissen in etwa, was alles auf dem Zeltboden lag. Damit ist das Zelt hinreichend ballastiert, um nicht wegzufliegen. Und die Plane kann immer noch flattern.
Im Übrigen erkennst du nach wie vor nicht die besondere Schwere des Wetters an, die deutlich über den „normalen Wind-Wahnsinn“ an diesem Hang mit 35m/s hinausging.

Sieh dir die Bemerkungen zum Windchill in der Rechnung noch mal an, die Anmerkung von RH und stelle die Windwalzen vor, die chaotisch auf das Zelt hämmern — und nicht nur aus einer Richtung. Und das als schlagartig einsetzende Steigerung über die normale Extremwetterlage hinaus.


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

11.03.2021 um 23:58
Zitat von PGR156PGR156 schrieb: Nemon schrieb:
und du hast ab sofort kein Zelt mehr.
============================

Ja, da ist aber noch ein Zelt. Von den Schnitzereien abgesehen noch ganz OK. Selbst als Tarp wäre es noch besser gewesen als die Flucht in suboptimaler Kleidung.
Entschuldigen Sie, ich werde mich hier einklinken. Wenn es Ihnen nichts ausmacht? Wenn ich störe, sagen Sie es mir bitte und ich werde gehen...
Zitat von PGR156PGR156 schrieb:Nemon schrieb:
Wie sich der Windchill und Energieverlust bei welchem Luftaustausch auswirkt, wurde vorgerechnet. Das ist auch ohne die zusätzlichen Schnitte schon grenzwertig. Sie konnten bei Einsetzen der höchsten Terror-Stufe durch den Wind die reale Gefahr nicht sachlich-fachlich abschätzen und wussten nicht, ob es dann noch mal schlimmer werden würde.
============================

Diesen Windchill und diese Bedingungen haben aber doch alle damaligen Wandergruppen auch gehabt. Und vorher und hinterher auch.
Das war nicht ganz so. Man muss die Zeit und den Entwicklungsstand dieser Art von Reisen berücksichtigen. Zu dieser Zeit wanderten die meisten Gruppen in der Waldzone und nur in Einzelfällen durch nicht bewaldete Gebiete. Dies war bei allen bis auf die höchste Stufe der Fall, die aber nicht zur höheren Kategorie gehörte. Sie waren die Ausnahme. Die Klassifizierung berücksichtigte noch nicht den technischen Schwierigkeitsgrad, sondern war in Schwierigkeitsgrade unterteilt. Erst 1963 (4 Jahre nach ihnen) wurden die technischen Schwierigkeitsstufen geändert und fünf neue Stufen anstelle der alten drei geschaffen.
Dies war die Zeit der ersten Entwicklung von Sporttouren. Erst ab 1954 stieg die Zahl der Studentenreisen drastisch an. Aber das Qualitätsniveau war gerade dabei, sich zu verbessern. Jeder lernte durch Erfahrung, durch Versuch und Irrtum. In den Tagebüchern kann man deutlich die Verbesserung der Methode der Loipenpflasterung (Verlegung im Tiefschnee) der Skiloipe durch die sog. "Karussellmethode" sehen. Jeder Anfänger, der gerade in der Schule der Reisevorbereitung angefangen hat, weiß das inzwischen. Dies ist eine freiwillige Trainingsmethode, keine staatliche Methode.
Es macht also Sinn, zu sagen, dass nur einige Gruppen solche Bedingungen hatten.
Übrigens, wissen Sie, warum sie an diesem Ort und unter solchen Bedingungen standen? Am Anfang war es schwer zu verstehen, aber nachdem ein Freund von Dyatlov - Peter Bartolomey, von ihren "Abenteuern" im zirkumpolaren Ural 1958 erzählte, verstand ich, dass Dyatlov beschloss, eine psychologische Vorbereitung der Gruppe zu organisieren, damit sie in der Zukunft zuversichtlich in den zirkumpolaren Ural gehen konnten. Dort oben im baumlosen Gebiet ist es sehr schwierig und manchmal unmöglich, auf Übernachtungen zu verzichten.
Zitat von PGR156PGR156 schrieb:Du zäumst das Pferd von hinten auf.
Sie hatten einen Marsch hinter sich und ihr Zelt aufgebaut. Sie waren durchgewärmt durch die körperliche Aktivität.
Entsprechend legten sie im Zelt die nicht benötigte Kleidung ab.
Würden sie anfangen zu frieren, würden sie wieder Kleidung nachlegen.
Geh draußen im Winter mal stramm wandern, dann wird dir warm und du öffnest deine Jacke oder du ziehst die oberste Lage aus.
Und nun machst du eine Pause und setzt dich zu ner Stulle auf einen Baumstumpf.
Sie sagen fast alles richtig, aber es geht nicht um dieses Niveau. Die Gruppe von Dyatlov war technisch besser vorbereitet. Sie gingen die Frage der Regulierung ihres Zustandes auf dem Marsch eher intellektuell an. Und deshalb gab es auch kein "auf einem Baumstumpf sitzen und einen Kuchen essen" - das ist unser Zitat aus dem Kindermärchen vom "Rotkäppchen". :)
Zitat von PGR156PGR156 schrieb:Ich kenne keinen, der dann dort immer weiter runterkühlt, das nicht merkt und sich die Jacke nicht wieder überzieht und dann dort festfriert oder sich Erfrierungen zuzieht. Das ist doch lebensfremd.

Nemon schrieb:
Es war gut befestigt und ballastiert.
============================

Da waren Skistöcke in den Schnee gedrückt. Die konnten nur so fest stehen, wie der Schnee Widerstand bietet.
Wenn es ballastiert war, brauchen wir aber nicht über den Lärm einer flatternden Zeltplane zu reden. Eines geht nur.
Ich habe bereits gestern über diese Geräusche geschrieben, daher werde ich mich nicht wiederholen, da ich Ihnen im Prinzip zustimme. Einige spezifische Details können jedoch von Ihren abweichen.
Zitat von PGR156PGR156 schrieb:Nemon schrieb:
eine Pfeife geraucht
============================
Zigarre! So viel Zeit muß sein!

Nemon schrieb:
Im Prinzip sagt WAB das auch, der glaubwürdig behauptet, 100 Mal und mehr unter solchen Bedingungen gezeltet zu haben.
============================

Und damit liegt er auch richtig.
In ähnlichen Bedingungen habe ich vielleicht 15-20 mal gezeltet. Teilweise dann mehrere Tage. Bei starken Winden und Temperaturen bis ca. -10 bis-15°C aber deutlich öfter.
Ich stimme hier voll mit Ihrer Meinung überein, aber... ich würde gerne wissen, wo (in welchem Gebiet und in welcher Jahreszeit) Sie gereist sind, dann wird es für mich einfacher sein, Beispiele und Informationen zu geben.
Nur für den Fall will ich sagen, dass die maximalen Werte der schlechten Bedingungen, bei denen wir die Nächte verbringen mussten, ungefähr die folgenden sind: Temperatur -38C mit Wind ca. 30 m/s, Wind 45....50 m/s mit Temperatur -20...25C, Temperatur -62C ohne Wind. Erstaunlicherweise waren alle unsere Teilnehmer am Ende dieser Reisen noch am Leben... :)
Zitat von PGR156PGR156 schrieb:Man weiß, was man braucht und welchen Problemen man wie begegnet. Das ist alles nicht so wild, wie es sich anhört.
+100! :)
Zitat von PGR156PGR156 schrieb:Man muß seinen inneren Schweinehund überwinden und darf nicht zu komfortorientiert sein.
Und dieser Satz sollte gerahmt, mit Blumen geschmückt und an die Wand gehängt werden. :) :) :)
Es betrifft diejenigen, die dieses Ereignis kompetent, zumindest rein theoretisch, verstehen wollen.
Zitat von PGR156PGR156 schrieb:Man tastet sich auch an solche Bedingungen heran. Man ersteht nicht sein erstes Zelt, kauft sich im Diskounter einen Schlafsack und eine selbstaufblasende Matte und zieht dann bei -15°C bis über die Baumgrenze.
Es muss sehr vorsichtig angeboten werden. Es sollten zumindest einige Vorbereitungen getroffen werden. Zumindest ist alles gut durchdacht und für den Fall der Fälle ein Plan für die Abfahrt in die Zivilisation vorgesehen.
Natürlich ist das alles für Leute gedacht, die keine Erfahrung mit solchen Übernachtungen haben, oder die nur einen Tag lang Skifahren können.
Zitat von PGR156PGR156 schrieb:Alles, was hier an Wind und Temperaturen genannt und berechnet wurden, ist bei solchen Touren einfach im normalen, erwartbaren Rahmen. Und wäre einer dieser normal dort zu erwartenden Faktoren plötzlich in kritische, unerwartbare Bereiche ausgerissen, wäre die Auffindesituation erkennbar anders gewesen. Der Fluchtfaktor, der letztlich zur Katastrophe führte, war keiner der üblichen Verdächtigen.
Was fast jeder irgendwie vergisst, als Grundlage zu nehmen. Sie haben absolut keine Voraussetzungen für das, was vor dem Moment der Entwicklung der Ereignisse geschah.
Zitat von PGR156PGR156 schrieb:Nemon schrieb:
sobald das Zelt nicht mehr intakt ist.
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Das Zelt war aber noch intakt bis zu den Schnitten. Und mit denen hätte man besser umgehen können als ohne Zelt und ohne winddichte Oberbekleidung.
Wenn einer mit einem Messer abdreht, warum rennen dann alle weg?
Ich werde wiederholen, was ich schon oft gesagt habe: Es gibt keine Rationalität in ihrem Verhalten, also müssen wir nach der Ursache für das abnormale, erzwungene Verhalten suchen. Menschen mit normaler Psyche können das nicht, also müssen wir nach dem Grund für den abnormalen Zustand der Psyche suchen.
Zitat von PGR156PGR156 schrieb:NeNe. Das waren doch nicht Leute der Franklin-Expedition, die nach vielen entbehrungsreichen Monaten ihre erfrorenen Kameraden essen mußten. Die Gruppe saß gerade mal ein paar Stunden, wenn überhaupt, vor Ort. Und wenn wirklich Entkräftung und die letzte Stufe der Hyperthermie zuschlagen, sieht das aus wie am Mount-Everest oder der Scott-Südpol-Expedition. Langsam einschlafen und tot aufwachen. Keiner von denen stand plötzlich auf und rannte los. Wären dazu noch die Energien da, wären sie ja nicht in dieser körperlichen Situation gewesen.
Wäre die Wandergruppe bereits stark entkräftet und unterkühlt gewesen, hätten sie eng aneinandergeschmiegt vollangekleidet unter allen Decken und Planen gekauert. Da hätte keiner mehr einen Zeh aus dem Zelt gesteckt. Wenn es dann einem in der letzten Phase warm geworden wäre und er meinte, sich draußen abkühlen zu müssen, dann hätte ihn kaum einer mehr zurückgehalten und es wären ein- oder zwei Wanderer mit offener Jacke vor dem Zelt aufgefunden worden. Die anderen erfroren drinnen.
Alles wahr, aber wir haben ein anderes Bild....
Zitat von PGR156PGR156 schrieb:Nemon schrieb:
Es war wahrscheinlich schon vor den ominösen Schnitten kein Ort mehr, an dem man diese Situation hätte überleben können.
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Doch klar. Sonst wären sie komplett angezogen gewesen und hätten den Ofen aufgebaut. So saßen sie relativ legere beim Essen.
Zwei Ergänzungen: Sie wollten den Ofen erst am Morgen aufstellen. Sie hatten nur einen Vorrat an Feuerholz, um ihre Stiefel und einige ihrer Kleider am Morgen aufzuwärmen. Vielleicht konnten sie auch versuchen, sich anzuziehen, wenn es drinnen ein wenig wärmer war als draußen. Die Brenndauer des Ofens (geschätzt), nach meinem Verständnis nicht mehr als 30 ... 40 Minuten. Sie hätten keine Zeit mehr gehabt, etwas zu tun, während der Herd lief.
Zitat von PGR156PGR156 schrieb:Nemon schrieb:
können den Wärmeverlust nicht mehr ausgleichen. Dies wird man nicht ad hoc als Temperatursturz empfinden, weil man ab einer gewissen Kälte eh kein genaues Empfinden von Temperaturen mehr hat.
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Ja, wenn man bereits alle Klamotten an hat, kein Feuerholz und keinen Rucksack mehr zum verfeuern hat, unkontrolliert zittert und bereits teilnahmslos vor sich hinstiert, dann merkt man nicht mehr, daß die Temperatur von -25°C weiter fällt auf, von mir aus, -40°C.
Aber bereits vorher gibt es doch die jedem bekannten Anzeichen wie Frösteln, Zittern, Zähneklappern und dann legt man Kleidung nach.



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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

12.03.2021 um 10:10
@wab
In allem, was Sogrin schreibt, regt er sich darüber auf, wie schlecht die Ausrüstung war, die die Expeditionen von der Sport-Abteilung zur Verfügung gestellt bekamen. Die Ski und anderes Material auch. Das Zelt war ebenfalls weit entfernt von einem professionellen Anspruch und Sicherheits-Standards. Dass die Schäden am Zelt schon gefährlich waren, als die zusätzlichen „Panik-Schnitte“ noch nicht gemacht waren, lässt sich physikalisch nachweisen. Du kennst die Berechnung mit dem Luftaustausch durch die Schlitze und die Tatsache, dass der Wärmeverlust nicht mehr durch die Personen im Zelt kompensiert werden kann.
Akzeptierst du die Annahme, dass die Situation in dieser Nacht durch diesen Effekt und durch einen Sturm, der schlimmer war als sonst und deutlich über das hinausging, was man normalerweise an physisch und psychisch harten Bedingungen erwarten würde? Und dass damit erst ein Zusatzeffekt, falls es es etwas wie Infraschall war, so dramatisch wurde?

Eine Frage noch: Konnten die Ski der Gruppe mit Valenki gefahren werden oder funktionierte die Bindung nur mit den speziellen Stiefeln?
Ich habe diese Diskussion in einem russischen Forum gelesen, ich glaube es war das von Shura. Aber ich habe nicht verstanden, was die richtige Antwort war.
Es ging dabei um die Stiefel im Labaz und die Stiefelspur neben den anderen Spuren. Und es geht mir um die Frage, wie wichtig der Unterschied zwischen Lederstiefeln und Valenki ist. Die Filzstiefel waren doch die traditionelle Fußbekleidung auch in den sehr kalten Regionen Russlands.

Keine weiteren Fragen für heute ;)


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

12.03.2021 um 12:09
Zitat von wabwab schrieb:Entschuldigen Sie, ich werde mich hier einklinken. Wenn es Ihnen nichts ausmacht? Wenn ich störe, sagen Sie es mir bitte und ich werde gehen...
Du brauchst Dich nicht zu entschuldigen. Du kennst die realen Bedingungen im Ural. Ich kann nur von meinen Touren ausgehen. Meine Touren waren aber in anderen Gebieten. Ich freue mich, wenn Du dich einklinkst!
Zitat von wabwab schrieb:Sie sagen fast alles richtig, aber es geht nicht um dieses Niveau. Die Gruppe von Dyatlov war technisch besser vorbereitet. Sie gingen die Frage der Regulierung ihres Zustandes auf dem Marsch eher intellektuell an. Und deshalb gab es auch kein "auf einem Baumstumpf sitzen und einen Kuchen essen"
Ja, das weiß ich. Ich versuche es so zu erklären, daß jemand das Prinzip versteht, der noch nie längere Zeit bei winterlichen Bedingungen draußen war.
Zitat von wabwab schrieb:Ich stimme hier voll mit Ihrer Meinung überein, aber... ich würde gerne wissen, wo (in welchem Gebiet und in welcher Jahreszeit) Sie gereist sind, dann wird es für mich einfacher sein, Beispiele und Informationen zu geben.
Meine "winterlichsten" Bedingungen hatte ich in den Dolomiten.
Höhe im Bereich 2000-2500m.
Temperaturen: Meistens -10 bis -25°C
Wind: Meistens bis 60km/h
Extrem: Grödner Joch, -32°C, Wind: 130km/h
Dann oft die Pennienes im Winter in England, Mount Snowdon

Wir haben 15-20 Jahre jeden freien Tag, jedes Wochenende und jeden Urlaub gezeltet. Ganzjährig. Auch bei Sturm.
Bei den Orkanen "Kyrill" und "Tanja", beide mit Böen über 200km/h, waren wir auch zelten. Wenn auch nicht voll im Wind, sondern mit etwas Windschatten.

Benutzte Zelte:
Das kleine britische Miltitär 2 Mann Zelt. Vergleichbar mit dem Dyatlov-Zelt. Es hat auch keine First-Stange. Es ist nur kürzer und mit Apsis.
Das schweizer Militär 2 Mann Gebirgszelt.
Das britische Militär 9x9 Zelt mit Schleuse für Land Rover
Diverse zivile Zelte

Kleidung und Equipment:
Militärisch:
Britisch ab den 50er bis 80er Jahre.
Deutsch Wehrmacht.
Schweiz ab den 60er bis 80er Jahre.
Britisch ab 90er bis 2010er Jahre.
Zivil:
Diverses
Zitat von wabwab schrieb:Ich werde wiederholen, was ich schon oft gesagt habe: Es gibt keine Rationalität in ihrem Verhalten, also müssen wir nach der Ursache für das abnormale, erzwungene Verhalten suchen. Menschen mit normaler Psyche können das nicht, also müssen wir nach dem Grund für den abnormalen Zustand der Psyche suchen.
Ja. Es muß etwas passiert sein, was die Gruppe aus dem Zelt trieb und was dann noch etwas zeitlich (oder räumlich?) fortwirkte.
Als die Wanderer wieder klar danken konnten, war es zu spät. Sie hätten das Zelt nicht mehr gefunden.
Deine Infraschalltheorie ist momentan dafür mein Favorit.
Zitat von wabwab schrieb:Zwei Ergänzungen: Sie wollten den Ofen erst am Morgen aufstellen. Sie hatten nur einen Vorrat an Feuerholz, um ihre Stiefel und einige ihrer Kleider am Morgen aufzuwärmen. Vielleicht konnten sie auch versuchen, sich anzuziehen, wenn es drinnen ein wenig wärmer war als draußen. Die Brenndauer des Ofens (geschätzt), nach meinem Verständnis nicht mehr als 30 ... 40 Minuten. Sie hätten keine Zeit mehr gehabt, etwas zu tun, während der Herd lief.
Ja, ich weiß. Ich wollte ein Beispiel dafür geben welche Optionen die Wanderer gehabt hätten, bevor sie unzureichend gekleidet, hauptsächlich wegen der Kälte das Zelt verlassen und zum Wald gegangen wären, wie hier im Forum oft gesagt wird.

Menschen, die nicht selber im Winter zelten waren, können sich nicht vorstellen, daß nicht Wind und Temperaturen alleine für das Verlassen des Zeltes verantwortlich sein können.
Sie kennen nicht die Optionen, die ein Winter-Camper hat, um die Wetter-Attacken zu parieren.
Sie können nicht nachvollziehen, daß ein Verlassen des Zeltes keine Option gegen Wind und Temperaturen war.

Ich habe eine Nacht ohne Zelt, nur mit Isomatte und Schlafsack, einfach im Schnee bei -25°C und starken Windböen am Grödner Joch geschlafen.
Da brauche ich mir keine Gedanken über Windchill im Zelt zu machen.
Ich wachte morgens um 0600 Uhr auf, weil mir der Fahrer eines Schnee-Räumfahrzeuges in die Rippen trat. Er rief dann zu seinem Kollegen: "Der hier ist noch ganz weich!"
Das war allerdings in meinem Snugpak Antarctica II Schlafsack.


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Der Dyatlov-Pass-Vorfall

12.03.2021 um 12:30
Zitat von PGR156PGR156 schrieb:Kleidung und Equipment:
Militärisch:
Britisch ab den 50er bis 80er Jahre.
Deutsch Wehrmacht.
Schweiz ab den 60er bis 80er Jahre.
Britisch ab 90er bis 2010er Jahre.
Zivil:
Diverses
Was hat man sich bitte darunter vorzustellen?!?
Trachtengruppe, die zeltend durch die Lande zieht :ask: :D


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