Legenden und Sagen
24.04.2009 um 09:46
Fafnismal
Das Lied von Fafnir
Sigurd und Regin fuhren aufwärts zur Gnitaheide und fanden da Fafnirs Weg, auf dem er zum Wasser kroch. Da machte Sigurd eine große Grube im Weg und stellte sich hinein. Als aber Fafnir von seinem Gold kroch, blies er Gift von sich und das fiel dem Sigurd von oben aufs Haupt. Als aber Fafnir über die Grube wegglitt, stach ihm Sigurd das Schwert ins Herz. Fafnir schüttelte sich und schlug mit Haut und Schweif. Da sprang Sigurd aus der Grube, wo dann einer den andern sah. Fafnir sprach:
Gesell und Gesell, welcher Gesell erzeugte dich,
Was bist du mir ein Menschenkind?
Der in Fafnir färbtest den funkelnden Stahl;
Mir haftet im Herzen dein Schwert.
Aber Sigurd verhehlte seinen Namen, weil es in alter Zeit Glaube war, daß eines Sterbenden Wort viel vermöchte, wenn er seinen Feind mit Namen verwünschte. Er sprach:
Wundertier heiß ich, ich wank umher,
Ein Kind, das keine Mutter kennt.
Auch miß ich den Vater, den Menschen sonst haben,
Ich gehe einsam, allein.
Fafnir:
Missest du den Vater, den Menschen sonst haben,
Welches Wunder erzeugte dich?
Sigurd:
Mein Geschlecht ist dir schwerlich kund
Und ich selber auch nicht.
Sigurd heiß ich, Sigmund hieß mein Vater;
Meine Waffe verwundete dich.
Fafnir:
Wer reizte dich? Wie ließest du dich reizen
Mein Leben zu morden,
Klaräugiger Knabe? Kühn war dein Vater:
Dem Ungebornen vererbt er den Sinn.
Sigurd:
Mich reizte das Herz; die Hände vollbrachten's
Und mein scharfes Schwert.
Keiner ist kühn, wenn die Jahre kommen,
Der von Kindesbeinen blöd war.
Fafnir:
Wärst du erwachsen an der Verwandten Brust,
Man kennte dich kühn im Kampfe;
In Haft bist du hier, ein Heergefangner:
Stets, sagt man, bebt der Gebundne.
Sigurd:
Welcher Vorwurf, Fafnir, als ob ich fern war
Meinem Mutterlande?
Nicht war ich in Haft hier, auch als Heergefangner;
Du fühlst wohl, daß ich frei bin.
Fafnir:
Einen Vorwurf findest du in freundlichem Wort;
Aber eins verkünd ich dir:
Das gellende Gold, der glutrote Schatz,
Diese Ringe verderben dich.
Sigurd:
Goldes walten will ein jeder
Stets bis an den einen Tag.
Denn einmal muß jeder Mann doch
Fahren von hinnen zu Hel.
Fafnir:
Du nimmst für nichts der Nornen Spruch,
Mein Wort für unweise Rede.
Doch ertrinkst du im Wasser, ob du beim Winde ruderst:
Alles sterbt ihn, der sterben soll.
Der Schreckenshelm schützte mich lange,
Da ich über Kleinoden kroch;
Allein daucht ich mich stärker als alle
Und fand selten meinen Mann.
Sigurd:
Keinen mag schützen der Schreckenshelm,
Wo Zornige kommen zu kämpfen.
Wer mit vielen ficht befindet bald:
Keiner ist allein der Kühnste.
Fafnir:
Gift blies ich, da ich auf dem Golde lag,
Dem vielen, meines Vaters.
Sigurd:
Wohl warst du furchtbar, du funkelnder Wurm;
Ein hartes Herz erhieltest du.
Der Mut schwillt mächtig den Menschensöhnen,
Die solchen Helm haben.
Laß dich fragen, Fafnir, da du vorschauend bist
Und wohl manches weißt:
Welches sind die Nornen, die notlösend heißen
Und Mütter mögen entbinden?
Fafnir:
Verschiedenen Geschlechts scheinen die Nornen mir
Und nicht eines Ursprungs.
Einige sind Asen, andere Alfen,
Die dritten Töchter Dwalins.
Sigurd:
Laß dich fragen, Fafnir, da du vorschauend bist
Und wohl manches weißt:
Wie heißt der Holm, wo Herzblut mischen
Surtur einst und Asen?
Fafnir:
Oskopnir (unvermeidlich) heißt er, wo alle Götter
Dereinst mit Speeren spielen.
Bifröst bricht eh beide sich scheiden
Und im Strome schwimmen die Rosse.
Nun rat ich dir, Sigurd, nimm an den Rat
Und reit heim von hinnen.
Das gellende Gold, der glutrote Schatz,
Diese Ringe verderben dich.
Sigurd:
Rat ist mir geraten; ich reite dennoch
Zu dem Hort auf der Heide.
Du Fafnir lieg in letzten Zügen
Bis du hin mußt zu Hel.
Fafnir:
Regin verriet mich, er verrät auch dich,
Er bringt uns beiden den Tod.
Sein Leben muß nun Fafnir lassen,
Deine Macht bemeistert mich.
Regin war fortgegangen, während Sigurd Fafnirn tötete; er kam zurück, als Sigurd das Blut vom Schwerte wischte. Regin sprach:
Heil dir nun, Sigurd, du hast Sieg erkämpft
Und den Fafnir gefällt.
Von allen Männern, die auf Erden wandeln,
Acht ich dich den unverzagtesten.
Sigurd:
Ungewiß bleibt, wo alle vereint sind,
Der Sieggötter Söhne,
Welcher der unverzagteste ist:
Mancher ist kühn, der die Klinge nie
Barg in des andern Brust.
Regin:
Stolz bist du, Sigurd, und siegesfreudig,
Da du Gram im Grase wischest.
Den Bruder hast du mir umgebracht;
Doch trag ich selbst der Schuld ein Teil.
Sigurd:
Du rietest dazu, daß ich reiten sollte
Über die heiligen Berge her.
Gut und Leben gegönnt war dem glänzenden Wurm,
Triebest du mich nicht zur Tat.
Da ging Regin zu Fafnir und schnitt ihm das Herz aus mit dem Schwert, das Ridil heißt, und trank dann das Blut aus der Wunde.
Regin:
Sitze nun, Sigurd; ich schlafe derweil,
Und halte Fafnirs Herz ans Feuer.
Ich will das Herz zu essen haben
Auf den Bluttrunk, den ich trank.
Sigurd:
Fern entflohst du, während in Fafnir ich
Rötete das scharfe Schwert.
Meine Stärke setzt ich wider den starken Wurm,
So lange du auf der Heide lagst.
Regin:
Lange liegen ließest du auf der Heide
Jenen alten Joten,
Wenn du das Schwert nicht schwangst, das ich dir schuf,
Die wohlgewetzte Waffe.
Sigurd:
Mut in der Brust ist besser als Stahl,
Wo sich Tapfere treffen.
Den Kühnen immer sah ich erkämpfen
Mit stumpfem Schwerte den Sieg.
Der Kühne mag besser als der Bange kann
Sich im Kriegesspiel versuchen.
Mehr gelingt dem Muntern als dem Mürrischen
Was er hab in der Hand.
Sigurd nahm Fafnirs Herz und briet es am Spieß. Und als er dachte, daß es gar wäre, und der Saft aus dem Herzen schäumte, da stieß er daran mit seinem Finger und versuchte, ob es gar gebraten wäre. Er verbrannte sich und steckte den Finger in den Mund. Aber als Fafnirs Herzblut ihm auf die Zunge kam, da verstand er der Vögel Stimmen. Er hörte, daß Adlerinnen auf den Zweigen zwitscherten.
Eine von den Adlerinnen:
Da sitzt Sigurd blutbespritzt
Und brät am Feuer Fafnirs Herz.
Klug däuchte mich der Ringverderber,
Wenn er das leuchtende Lebensfleisch äße.
Die andere:
Da liegt nun Regin und geht zu Rat
Wie er trüge den Mann, der ihm vertraute;
Sinnt in der Bosheit auf falsche Beschuldigung:
Der Unheilschmied brütet dem Bruder Rache.
Die dritte:
Hauptes kürzer laß er den haargrauen Schwätzer
Fahren von hinnen zu Hel.
So soll er den Schatz besitzen allein,
Wie viel des unter Fafnir lag.
Die vierte:
Er däuchte mich klug, gedächt er zu nützen
Den Anschlag, Schwestern, den ihr wohl ersannt.
Er berate sich rasch die Raben zu erfreuen,
Denn den Wolf erwart ich, gewahr ich sein Ohr.
Die fünfte:
So klug ist nicht der Kampfesbaum,
Wie ich den Heerweiser hätte gewähnt,
Läßt er den einen Bruder ledig
Und hat den andern umgebracht.
Die sechste:
Sehr unklug scheint er mir, schont er länger noch
Den gemeingefährlichen Feind.
Dort liegt Regin, der ihn verraten will;
Er weiß sich davor nicht zu wahren.
Die siebente:
Um den Kopf kürz er den eiskalten Joten
Und beraub ihn der Ringe.
So sind die Schätze, die Fafnir besessen,
Ihm allein zu eigen.
Sigurd:
So verrat mich das Los nicht, daß Regin sollte
Mir zum Mörder werden:
Beide Brüder sollen alsbald
Fahren von hinnen zu Hel.
Sigurd hieb Regin das Haupt ab, und aß Fafnirs Herz und trank beider Blut, Regins und Fafnirs. Da hörte Sigurd, was die Adlerinnen sangen:
Mit den roten Ringen bereife dich, Sigurd;
Um Künftges sich kümmern ziemt Königen nicht.
Ein Weib weiß ich, ein wunderschönes,
Goldbegabt: war sie dir gegönnt!
Zu Giuki gehen grüne Pfade:
Dem Wandernden weist das Schicksal den Weg.
Da hat eine Tochter der teure König:
Die magst du, Sigurd, um Mahlschatz kaufen.
Ein Hof ist auf dem hohen Hindarfiall
Ganz von Glut umgeben außen.
Ihn haben hehre Herrscher geschaffen
Aus undunkler Erdenflamme.
Auf dem Steine schläft die Streiterfahrene,
Und lodernd umleckt sie der Linde Feind.
Mit dem Dorn stach Ygg sie einst in den Schleier,
Die Maid, die Männer morden wollte.
Schaun magst du, Mann, die Maid unterm Helme,
Die aus dem Gewühl trug Wingskornir das Roß.
Nicht vermag Sigdrifas Schlaf zu brechen
Ein Fürstensohn eh die Nornen es fügen.
Sigurd ritt auf Fafnirs Spur nach dessen Haus und fand es offen und die Türen von Eisen und aufgeklemmt. Von Eisen war auch alles Zimmerwerk am Haus, und das Gold war unten in die Erde gegraben. Da fand Sigurd großmächtiges Gut und füllte damit zwei Kisten. Da nahm er Ögishelm und die Goldbrünne und das Schwert Hrotti und viele Kostbarkeiten und belud Grani damit. Aber das Roß wollte nicht fortgehen, bis Sigurd auf seinen Rücken stieg.
Quelle: Ältere Edda