Postmortem Fotografie
04.08.2015 um 13:16
Ich bin durch Zufall auf diesen Beitrag gestoßen und möchte gerne meinen Senf dazu geben, auch wenn ich gestehen muss, dass ich nur die ersten paar Seiten von 2011 und die letzten beiden neusten Seiten dazu gelesen hab.
Ich will niemandem (vor allem denjenigen die die alten Beiträge verfasst haben) nicht zu Nahe treten, aber ich würde euch gerne aus einer anderen Perspektive schildern, was es mit solchen Bildern auf sich hat.
Letztes Jahr wurden unsere Zwillingsmädchen im 8. Monat tot geboren. Wir werden niemals die Möglichkeit haben unsere Kinder an ihrem ersten Geburtstag zu fotografieren, wie sie in der Torte mantschen, wie sie zum ersten Mal Fahrrad fahren oder eingeschult werden. Wir hatten nur die Möglichkeit unsere Mädchen tot zu fotografieren und das haben wir natürlich auch gemacht. UND DAS WAR GUT SO!
Ich verlange von niemandem, der diese Situation nicht kennt, sich hinein zu versetzten, denn eins kann ich euch sagen, dieser Schmerz übertrifft die Vorstellungskraft. Aber es macht mich sehr traurig und sogar ein bisschen wütend zu lesen, dass solche Fotos abartig, pietätlos und geschmacklos wären und man auf keinen Fall lebende Kinder damit konfrontieren sollte.
Ich begleite seit unserem Verlust Familien von Sternenkindern und habe viele Geschichten erlebt, die das Gegenteil beweisen, von den Dingen, die hier behauptet werden.
Viele Eltern, deren Verlust vielleicht auch schon länger zurück liegt, haben furchtbar Probleme damit, dass sie kein Erinnerungsfoto an ihr Kind haben. Denn mit der Zeit verblassen Erinnerungen und wir müssen unser ganzes Leben davon zehren. Das ist eine zusätzliche Belastung und die Erfahrung hat gezeigt, dass der Trauerweg zusätzlich erschwert wird.
Der Tod muss sichtbar gemacht werden, um ihn zu begreifen. Wenn ein Kind tot geboren wird, bleiben oft nur wenige Stunden, um sein Kind willkommen zu heißen und gleichzeitig Abschied zu nehmen.
Es wird nicht schlimmer durch Erinnerungsfotos. Was soll denn noch Schlimmeres passieren, als der Tod des eigenen Kindes? Das Kind hat existiert, es hat seinen Platz in der Familie und das Herz einer Mutter stirbt mit. Keiner sieht es. Es ist wertvoll, wenn Bilder existieren, die due Existenz des Kindes bezeugen. Der Schmerz ist immer da, ob sichtbar oder nicht.
Wer sich mit der Begleitung von trauernden Familien auseinandersetzt, der weiß, dass für Kinder der Tod etwas ganz natürliches ist. Es liegt in unserer Verantwortung als Erwachsene, ob wir die Kinder gesund trauern und Abschied nehmen lassen oder ein Traums verursachen, indem wir glauben unsere Kinder zu schonen, indem wir so tun als wäre nichts passiert. Wenn Kinder den Tod eines lieben Angehörigen oder Haustieres nicht begreifen können - sehen, fühlen usw, kann der Tos nicht verarbeitet werden. Oma, Opa,Schwester, Bruder was auch immer sind einfach weg. Dann kommt die Phantasie ins Spiel und malt die dollsten Geschichten aus, die meist viel schlimmer und traumatischer sind als die Realität.
Wir haben verlernt zu trauern in unserer Kultur. Für so etwas ist keine Zeit mehr,bloß schnell weg mit dem Verstorbenen und am besten lassen wir alles den Bestatter machen. Aber mal ganz ehrlich, wieso scheuen wir uns so vor dem Tod? Er ist natürlich und er gehört zum Leben dazu. Immerhin wird und nichts so sicher sein, wie dass wir irgendwann mal sterben.
Wir haben unsere Kinder Zuhause im Kreise der Familie verabschiedet. Wir haben sie gewaschen und eingesargt. Ja, es war nicht einfach, aber wie schön, dass wir im Nachhinein sagen können, dass unsere Kinder Zuhause waren. Früher war es normal, dass die Aufgabe der Angehörigen darin bestand, sich um den Verstorbenen zu kümmern und ihn Zuhause zu verabschieden. So etwas sollte wieder Teil unserer Kultur werden. Diese Hilflosigkeit, die mit dem Tod entsteht, wurd sinnvoll gefüllt, indem man etwas für seinen Verstorbenen tut. Das war das, was uns den gesunden Trauerweg geebnet hat.
Ja, es gibt noch Post mortem Fotografie und glücklicherweise gewinnt sie immer wieder mehr an Bedeutung. Durch unsere Geschichte befasse ich mich vorwiegend mit Sternenkindern, deshalb sorry dafür, dass meine Auakunft so beschränkt ist, aber es gibt extra ein Zusammenschluss von Fotografen im ganz Deutschlabd, Österreich und Schweiz, die kostenlos Erinnerungsbilder von Sternenkindern anfertigen.
Wen es interessiert: www.dein-Sternenkind.eu
Ich hoffe wirklich sehr, dass sich von den Post mortem Foto Gegnern keiner auf den Schlips getreten fühlt, aber ihr habt echt keine Ahnung was im Bezug auf totgeborene Kinder alles schief läuft. Der Geund ist, dass es immer noch ein großes Tabu ist, sich keiner Trauer darüber zu sprechen oder sich damit auseinander zu setzen. Wusstet ihr, dass bis vor kurzem Fehl- und Totgrburten im Klinikmüll entsorgt wurden? Habt ihr gewusst, dass es für diese kleinen Menschlein nichts zum anziehen gibt und ein Großteil davon nackt beerdigt wird? Dass sie den Eltern in einer Papiernierenschale präsentiert werden? DAS ist für mich gruselig und pietätlos. Deshalb setzte ich alles daran, dass selbst die Kleinsten in Würde gehen können.
Die Bilder unserer Kinder hängen in unsere Wohnung, in unserer Mitte, da wo sie hingehören, denn es sind unsere Kinder. Es ist schön, wenn ihr eure Kinder mit am Tisch sitzen habt, aber bitte denkt daran, dass nicht jeder dieses Glück hat und froh ist um alles, was die Erinnerung lebendig erhält. So etwas zu verurteilen finde ich nicht in Ordnung.