Homeoffice und die Machbarkeit
03.05.2023 um 19:28fischersfritzi schrieb:Hast du kein Handy, das du nur für deinen Job nutzt?Nö, sollte ich jemals den Job wechseln bzw. die Schule, ist das aber das erste, was ich anschaffe, jetzt ist meine Handynummer praktisch "verbrannt" und ich will sie auch nicht wechseln. Es sind immer die gleiche Handvoll Eltern, die "was klären müssen" - die habe ich abgespeichert - ich gehe nicht immer ran, aber es lässt meinen Puls schon kochen, wenn ich Samstagabend gemütlich auf dem Sofa sitze und es ruft mal wieder Frau X an.
fischersfritzi schrieb:Ich arbeite auch in einem Bereich, in dem Menschen, mit denen ich beruflich zu tun habe, mitunter zu Unzeiten anrufen oder Nachrichten schreiben. Teilweise nachts !Bei mir geht es darum, dass ich ein Handywenignutzer bin - ich schreibe viele Whatsapp - das war es dann aber auch. Ich habe mir das mit dem Zweithandy echt schon überlegt, aber ich möchte nicht noch ein zweites Handy an der Backe haben, das ich dann mit mir herumtrage.
Do-X schrieb:Durch die Digitalisierung und den technischen Fortschritt hat sich innerhalb von 2 Jahrzehnten sehr viel verändert. Man kann sich kaum noch an Zeiten zurückerinnern, in denen an einer Schule noch analog/konventionell kommuniziert wurde und ein Schulkind noch das kleine Mitteilungsheftchen mitführte. Gibt es dieses überhaupt noch? Für Belangloses würde das doch vollkommen ausreichen.Es kommt auf die Schulart an. Im Gymnasium meines Sohnes ja, allerdings gibt es da eine spezielle Schulapp, mit der man die Lehrer anschreibt und sie antworten, wenn sie Zeit haben. Das wurde bei uns an der Schule auch mal diskutiert, das Blöde sind die Eltern der schwierigen Schüler: Die melden sich bei so einer App gar nicht an. Die kommunizieren liebend gerne über Whatsapp, was ich nicht will (und darf), weil sich dann privates und berufliches noch mehr mischt.
Die Rollen haben sich während Corona ganz massiv verschoben (an unserer Schule). Ich habe jeden Sonntagabend die Aufgaben für die Schüler verschickt (ich habe sie für den gesamten Unterricht, also auch von meinen Kollegen gesammelt, systematisiert und den Schülern für jede Woche einen Stundenplan geschrieben: Wann ist welche Konferenz? Was sind die Aufgaben. Und Rückmeldungen gegeben. Alleine schon das + kopieren hat sonntags viel Zeit in Anspruch genommen. Dann fuhr ich in die Schule zum Kopieren - für die SuS, die keinen Drucker haben. Hier finde ich, unterscheidet sich schon die bildungsferne Schicht von den Normalbürgern. Jedes Normalbürgerelternteil hätte in dem Stadium einen Drucker gekauft - die bildungsfernen nicht. Dann bin ich immer 7-8km durch die Stadt geradelt und habe die Aufgaben verteilt. Später habe ich von den Medien erfahren, dass ich hätte klingeln sollen und "Gartenzaungespräche" führen -das stand nirgends - wurde aber später kritisiert. An der Stelle habe ich mich oft gefragt, ob man es den Kindern nicht zumuten kann, die Unterlagen an der Schule zu holen. Ist es echt meine Aufgabe, den "Briefträger" zu spielen? Aber die Medien haben das mit so verkauft, als ob es so sei und bei uns kam schon der Anspruch an, dass wir dafür zuständig sind, dass die SuS analoge Unterlagen haben. Aber unser Chef hat es vorgemacht. Der radelte auch seine Aufgaben aus. Meiner Meinung nach hat das die Anspruchhaltung gegenüber dem Lehrer noch verstärkt.
Abahatschi schrieb:Nach deinen Erzählungen: ich habe den Eindruck ihr habt die Eltern so wie ihr sie erzieht, ich meine man kann auch um 23h in irgendeinem Amt anrufen, da wird nur keiner ran gehen.Jain. Wir haben Eltern, denen Bildung (und oft ihre Kinder) herzlich egal sind. Wir haben Kinder, die am Monatsende hungrig kommen, weil kein Geld mehr da ist ... diese Eltern empfinden den Lehrer oft als "lästige Plage". Wenn wir SuS haben, die versetzungsgefährdet sind, sind wir von Seiten unserer Schule angewiesen, alle vier-sechs Wochen ein Gespräch zu führen, die Eltern auf die Dringlichkeit der Lage hinzuweisen, eine Unterschrift einzuholen, ....
Die Eltern haben keinen Bock auf das Gespräch und weichen dem aus. Allerdings sagte nur kürzlich eine Mutter zu uns "ich habe die Schulnumer blockiert, ich melde mich, wenn ich was will" - und war bereit, das zu unterschreiben. Der Rest telefoniert dann, wenn es für sie passt. Ich brauche aber die Unterschrift, auch, wenn die Jugendhilfe einsteigt und fragt, was bisher passiert ist. Die Leitlinien unserer Schule sieht es vor, dass ich bis zu 10 (!) mal versuche, die Eltern zu erreichen und das auch entsprechend dokumentiere. Daher bin ich wieder froh um jedes Gespräch, was stattfindet und dann wieder für sechs Wochen von meiner To do Liste verschwindet. Und das nutzen die Eltern aus - sie verbiegen sich nicht, ich werde verbogen.
Abahatschi schrieb:Das was Du beschreibst das ist kein Homeoffice sondern Wahnsinn...aber fangen wir anders an: hast Du als Lehrerin vertragliche vereinbarte Arbeitszeiten?Ich bin Landesbeamtin - daher habe ich gar keinen Arbeitsvertrag.
Syringa schrieb:Den Eindruck habe ich auch. Im Endeffekt kommen sie ja damit durch und zum Ziel, wenn sie sich nicht an bestimmte Zeiten halten und dann jemand zu erreichen ist, wo es sonst nicht möglich wäre. So wird sich dann auch nichts ändern, wenn man ihnen dann entgegen kommt, egal aus welchem Grund (selbst genervt von ständigen Anrufen z.B.).Ja, das System ist gegenüber den Leuten sehr großzügig. Du bist aber derjenige, der am Ende des Tages nachweisen muss, dass die Eltern über jeden Schritt informiert wurden. Die Hohlpflicht der Information ist bei uns praktisch ausgehebelt. Und das dehnt sich auf andere Bereiche. Beispielsweise kommt Anna zur Klassenfahrt und hat kein Wasser für den Tagesausflug dabei. Das passiert ständig, da die Eltern wissen, dass wir das Kind nicht verdursten lassen, sondern uns kümmern. Ähnliches gilt auch für Tampons, etc. Wir haben auch einen großen Sponsor, der Schulmittagessen bezahlt.
nairobi schrieb:Das grenzt ja fast an Telefonterror. Das macht doch was mit einem, auf Dauer? Oder prallt das an Dir ab?Ich gehe Samstagmittag - Sonntagabend nicht ran. Sonst hast du ständig den Druck "Frau Müller muss noch angerufen werden, Frau Yilmazer auch, ah und ...".
nairobi schrieb:Wie ergeht es denn anderen Kolleg:innen, wie gehen sie damit um? Was sagt die Schulleitung zu dem Thema?Die Schulleitung besteht darauf, dass alle vier-sechs Wochen mit den Eltern gefährdeter SuS ein Gespräch stattfindet. Die Kollegen machen es unterschiedlich. Einer macht es z.B.so, dass er sich den gesamten Dienstag z.B. vornimmt, mit Frau Müller zu sprechen. Dann ruft er in der 1. Hofpause an, in der 2. Hofpause, während der Mittagspause, bevor er Nachmittags heimgeht und abends gegen 19 Uhr nochmal. Das macht er am nächsten Tag nochmal = 10 Versuche zu unterschiedlichen Zeiten.
Eine andere Kollegin ruft wirklich Samstagabend und Sonntagabend an, da erreicht sie wohl recht viele.
nairobi schrieb:Als Lehrer:in würde ich meinen, dass man, bis auf Ausnahmen wie telefonische Sprechstunde und natürlich offizielle Elternsprechtage, nicht mehr standardmäßig um 20 Uhr oder gar später für Eltern zur Verfügung stehen muss?!Am Gymnasium meiner Söhne wäre das undenkbar - da gibt es eine App, keine private Lehrernummer. Will ich mit Herrn Müller sprechen, dann schreibe ich ihm auf der App, was mein Anliegen ist und wann er mich erreichen kann - und er meldet sich dann.
Da geht aber die Initative von den Eltern aus. Bei uns geht die Iniative immer von der Lehrperson aus. Das ist die Vorgabe unserers Schulamtes.
Palfrader schrieb:Ich will @MissMary nicht vorgreifen, aber was Gespräche mit Lehrern betrifft, ist es für manche Eltern vielleicht auch nicht ganz einfach. Vormittags haben die Lehrer in der Regel ja Unterricht. Was macht ein Elternteil, der Vormittags Zeit hat, aber Mittags zur Spätschicht muss und erst um 20:00 Uhr wieder Feierabend hat? Wenn man als Lehrer seinen Beruf lebt, dann nimmt man solche Dinge schon mal in Kauf.Man hofft ja, dass man durch die Gespräche etwas erreicht, daher nimmt man es tatsächlich in Kauf.
Tussinelda schrieb:das ist aber quasi Dauerbereitschaft und sicherlich auch anders zu lösen.Als Lehrer bist du oft im Einsatz - das wird oft unterschätzt. Ein Kollege (nicht an meiner Schule, sondern mit gutbürgerlichen Klientel) hat das Elternproblem nicht mit Gesprächen, sondern mit gewünschten Aktivitäten. Da vergleichen die Eltern ständig, was das Gymnasium nebenan so anbietet und fordern das gleiche. Was weiß ich - Adventskaffee - dann wollen sie das auch. Er ist auch total genervt. Oder halt auch die Korrekturen, etc, die sich anhäufen.
nairobi schrieb:Wenn es einem wichtig ist, wird man als Vater/Mutter (meist werden es die Mütter sein, die sich damit beschäftigen müssen) zusehen, dass man den vereinbarten Termin wahrnimmt.Bei unseren problematischen Klientel ist das nicht wichtig, wir müssen aber trotzdem mit den Leuten reden, das ist das Problem.
Abahatschi schrieb:Ich habe den Eindruck (allgemein, nicht bei Dir) dass viele meinen Schule sei so ne Art Luxus Kindersitter, da kann man sich melden wann man will, die Kids sind nie Schuld, als Eltern auch nicht, sondern nur die Lehrer...und wenn die spurten dann Beschwerde und ggf. Anzeige.Das ist, wie es bei uns ist. Ja. Man übernimmt keine Verantwortung. Dieses ganze "nachweisen, dass Kontakt aufgenommen wurde" kommt daher, dass Eltern,wenn dann das Kind sitzenbleibt, dann plötzlich behaupten, sie hätten von nichts gewusst, einen Anwalt nehmen, etc. etc.
JosephConrad schrieb:Als Lehrer sollte man niemals seine private Telefonnummer herausgeben und die Rufnummernunterdrückung einschalten. Es gibt eine schulische eMailadresse für jeden Lehrer.Das kommt auf das Klientel an. Das klappt super auf einem gutbürgerlichen Gymnasium. In anderen Schulen geht das nicht ...