Palfrader schrieb: Bei Lehrern ist das Homeoffice ja eigentlich seit jeher die Regel. Abgesehen von der unterrichtenden Kerntätigkeit natürlich. Aber dass zu Hause Schulstunden vorbereitet und Arbeiten korrigiert werden, kennt man nicht anders. Ihr seid unter den Arbeitnehmern ja sowas wie die ganz frühen Pioniere des HO.
Ja, das stimmt - da hat auch die Digitalisierung was gebracht. Als ich um die Jahrtausendwende anfing, bestand das Lehrerdasein ja auch aus Eichhörnchenspielen - man sammelte jede Menge Material und legte die in Ordnern klassenweise ab, d.h. viele meiner älteren und erfahrenen Kollegen hatten ein richtig großen Arbeitszimmer mit bis zu 100 Ordnern, viele Fachbücher, ein Schreibtisch ... das brauchte richtig Platz. Das ist heute nicht mehr so, viele Kollegen arbeiten voll digital, was den Materialaustausch auch einfach macht, da man die Arbeitsblätter einfach weiterschicken kann.
Palfrader schrieb:Darum gibt es in Schulen auch keine gut eingerichteten Büros. Sekretariat und Rektor nehme ich aus. Ich habe also ehr das Lehrerzimmer vor Augen, mit einer Reihe von aneinander gestellten Tischen und Stühlen, bei denen einem schon vom Anblick der Hintern weh tut.
So ist es - bei uns ist die Schule inzwischen kapazitätsmäßig völlig ausgelastet - daher hat man vor einigen Jahren das Lehrerzimmer verkleinert - auch da machen wir nun "desk sharing". Da es eine große Schule ist, ist das Problem wirklich, dass du mitunter Kollegen mit anderen Fächern hast, mit denen du kaum sprichst: Wir haben z.B. jemanden, der ist Sport- und Techniklehrer - beides Bereiche der Schule, wo ich nicht hinkomme, er verbringt auch die Pausen in den Fachräumen. Mit ihm spreche ich 2-3 Mal im Jahr. Man erhofft sich dadurch, dass sich das Kollegium besser durchmischt und sich nicht viele Einzelgruppen bilden (Spoiler: funktioniert nicht).
Die Schule ist so weitläufig, dass gar nicht alle Kollegen in der großen Pause das Lehrerzimmer anlaufen - für viele ist der Erholungswert höher, wenn sie sich im Klassenzimmer aufhalten. Das hat aber zur Folge, dass du praktisch keine Ecke der Schule hast, die "dir" gehört. Man hängt morgens halt die Jacke ins Lehrerzimmer - der Schulleiter sieht es auch nicht gerne, wenn man einen Tisch für den Tag "belegt", mal einen Stapel Klassenarbeiten ablegen, okay, aber mehr wird nicht geduldet.
Palfrader schrieb:Ich wette, es hat sich seit ich das letzte mal ein Lehrerzimmer betreten habe, nicht viel verändert. Aschenbecher mit dampfenden Zigarettenkippen werden vielleicht fehlen... :D ;)
Bei uns an der Schule ist es sehr unpersönlich, da abends um 18 Uhr die Tische wieder komplett abgeräumt sein müssen und niemand mehr einen festen Sitzplatz hat - ist wegen der gewünschten "Durchmischung" sehr ungemütlich. Aber es gibt sie in Nachbarschulen noch, wo Kollege Schmitt seit 25 Jahren seinen Sitzplatz verteidigt, 2m hohe Klassenarbeitsstapel baut und die Tische seiner Sitznachbarn noch halb mitbelegt :-).
Palfrader schrieb:Ansonsten scheint Euer schulisches Arbeitszimmer das zu sein, was man Neudeutsch "Desk-Sharing" nennt. Einige Firmen, bei denen HO regelmäßig genutzt wird, haben solche Arbeitsplätze, die von mehreren Mitarbeitern geteilt werden. Ich gehe davon aus, dass sich fortschrittliche Firmen bei deren Einrichtung durchaus Mühe geben.
Ja, so ist es. Bei uns hat man einfach acht Computer in einem kleinen Raum gestellt - und acht Leute im Büro ist zu viel. Daher kann man da nicht effektiv arbeiten - Leute kommen und gehen, reden kurz "ach, wenn ich dich gerade sehe, Anna musste vorhin vom Krankenwagen abgeholt werden", ... Es gibt Computer mit "Macke". Dann gibt es Leute, die die dann kurz reparieren. D.h. dienstags druckt Computer 2 nicht mehr aus, mittwoch geht es wieder, donnerstags geht es wieder nicht. Dann musst du kurz den Kollegen nebenan bitten "druckst du mal kurz?" - dann geht das Papier aus, das ganz woanders gelagert wird ... auf dem Weg zum Papierholen triffst du dann Kollegen Y, der auch ein Anliegen hat. Also das Office da ist echt schwierig.
Palfrader schrieb:Trotzdem werden diese Orte nicht gerade gemütlich sein. Ich nehme an, dass alles voller Brösel ist, wenn man die pappige Tastatur hochhebt, umdreht und ein wenig schüttelt. Irgendwie klar, dass es den dort Beschäftigten im HO besser gefällt.
Bei uns gibt es ein Essverbot. Aber letzten Sommer stand mal eine schimmlige Kaffeetasse über Wochen da ... :-). Vermutlich konnte sich der ehemalige Besitzer nicht mehr dran erinnern, dass es sein Kaffee war.
Palfrader schrieb:Das ist bei mir, in meinem Bürojob, eigentlich nicht zwingend so. Es sind für mich nur Nuancen und es ist auch förderlich, wenn man einen Kollegen um sich hat. Ich habe lange mein Büro mit einem Kollegen, später mit einer Kollegin, geteilt. Das hat immer tadellos funktioniert. Und grade in meiner Anfangszeit war mein erfahrenerer Schreibtischnachbar wichtig für mich.
Das ist natürlich cool. Eine ehemalige Kollegin ist aus dem Schuldienst ausgestiegen und arbeitet nun als Autorin für einen großen Schulbuchverlag - sie leidet mitunter, dass sie halt morgens aufsteht und prinzipiell Arbeitsblätter erfindet, die an den Redakteur schickt, etc. etc. Da gibt es wenig Austausch. Daher überlegt sie schon, ob sie nicht doch wieder stundenweise unterrichtet, auch wenn sie den Job eigentlich verlassen hat, weil sie das so sehr gestresst hat.
Palfrader schrieb:Aber ganz viel haben wir uns über berufliche Themen ausgetauscht. Wenn einer von uns mal Ruhe brauchte, dann war das nie ein Problem. Man sieht seinem Gegenüber ja auch an, dass der grade konzentriert über etwas brütet und der Zeitpunkt für ein Gespräch unpassend ist.
Ja, bei zwei Leuten geht das super. Die (neu gebaute) Nachbarschule) hat auch solche "Zellen", wo man alleine oder zu zweit arbeiten kann, mit schallschutzgedämmter Tür - die finden das toll. Das wäre bei uns auch ein Traum. Blöd ist es auch, wenn man z.B. 90 Minuten frei hat, aber kein Computer frei ist. Dann macht man halt irgendwas, ist aber nicht produktiv.
Palfrader schrieb:So hatte jeder Zeiten, wo man alleine im Büro war - völlig ungestört. Es hatte auch den Vorteil, dass unsere Abteilung von sehr früh bis sehr spät erreichbar war.
Das ist ziemlich cool.
Palfrader schrieb:All das geht im HO, mit all der noch so tollen Schickschnack-Onlinetechnik nicht. Irgendwelche alberne Video-Meetings, zu festgelegten Terminen, werden niemals auch nur im Ansatz einen guten und persönlichen Erfahrungsaustausch ersetzen können.
Nee, v.a. profitiert man halt auch von solche Tür- und Angelgesprächen. Videokonferenzen sind ja häufig komplett zielgerichtet, da wird der Mensch so "entpersonalisiert". Mein Kollege wurde z.B. vergangene Woche Vater, da kaufte man ihm ein "Erste-Hilfe-Elternpack" und schenkte es ihm, so als persönliche Anerkennung der neuen Lebenssituation - das macht ja Kollegen auch liebenswert, dieses "ich nehme dich auch als Mensch wahr".
Jorkis schrieb:Das ist halt sehr individuell und kommt auch stark auf den Job an. Für mich steigert Homeoffice die Work Life Balance ungemein. Ich bin ausgeschlafener (kein Fahrtweg), habe mehr Zeit mit der Familie (kein Fahrtweg, Pausen), bin seltener krank (weil ausgeschlafener und weniger in den Öffis unterwegs) und kann meine privaten Termine besser organisieren (Arzttermine, Kinder, Einkaufen, Haushalt usw.).
Ich hatte einmal ein Schuljahr, an dem ich für einige Monate einen Tag frei hatte - das war super. Ich habe jede zweite Woche was für mich gemacht - ich habe an sechs Tagen gleich viel gearbeitet, aber das war mein Morgen - ich habe das nie mehr organisiert bekommen, als der Tag wegfiel und meine Stunden anders verteilt waren. Daher kann ich das schon gut verstehen.
Jorkis schrieb:Das funktioniert genau dann gut, solange die AN auch eine intrinsische Motivation haben und nicht nur Zeit absitzen. Ich leite ein externes Team, welches zum Großteil im Ausland sitzt.
Das ist halt, wenn du ein Stundensoll hast. Bei mir als Lehrer: Ich habe für heute eine To Do Liste, wenn ich die fertig habe, dann bin ich auch durch ... Leider ist sie ziemlich lang.