Coronavirus (Sars-CoV-2)
13.04.2020 um 11:15
Berufsbedingt habe ich vor 15 Jahren eine Zeit lang in Rumänien gelebt. Mein Sohn besuchte dort eine Schule, in der es ein differenzierteres Notensystem gab, außerdem war alles auf das wesentliche - Grundfächer, Naturwissenschaften, eine Fremdsprache und ab Klasse 6 Informatik - ausgelegt. Mathematik und andere Grundfächer nahmen an manchen Tagen 4 Schulstunden in Anspruch, also sehr intensiv. Von der Wissensvermittlung waren die den deutschen vergleichbaren Klassen mindestens ein Jahr voraus. Dafür gab es keine Theater-AGs oder sonstigen Schnickschnack. Religion, Kunst, Sport nahm einen kleinen Stundenanteil ein, Werte und Norman gab es nicht. Die wurden im Schulalltag ohnehin mit den Regeln gelehrt: sehr diszipliniert, die Schule war die sauberste, die ich je erlebt habe, die Schüler absolut höflich und ruhig. Die Lehrer waren anerkannte Respektspersonen - und rund um die Uhr für die Eltern erreichbar mit den privaten Telefonnummern. Die Klassen umfassten bis zu 25 Kinder. Und die Lehrer hatten wirklich jedes Kind im Auge und eine starke persönliche Bindung. Es gab keine Schüler, die derartig verhaltensauffällig wie hier waren - dafür sorgte die Mentalität und auch ein immer sichtbarer Rohrstock in der Ecke, der allerdings in den 3 Jahren nicht einmal eingesetzt wurde. Ich denke allerdings, dass es zum Thema Verhaltensauffälligkeit einen ganz anderen Maßstab gibt: was hierzulande als normal gilt, wäre in der rumänischen Schule undenkbar gewesen.
Mein Sohn, in Deutschland ein sehr mäßiger Schüler, wurde zu einem Gymnasiasten. Er liebte die Schule. Zurück in Deutschland fiel er innerhalb eines Schuljahres auf das Niveau eines Hauptschülers zurück - viel zu viele Fächer, viel zu kurze Zeiten für die Grundfächer, eine Wahnsinns-Unruhe durch die vielen Schüler, etliche Raumwechsel.
So gesehen wünsche ich mir, dass es hier ein Umdenken geben wird und man solche Elemente wie oben beschrieben teilweise übernimmt.
Die Einschätzung, dass 1/3 der Schüler verhaltensauffällig ist, kann ich nach meinen Erfahrungen bestätigen. Das wird sich nicht ändern, eher zunehmen, wenn nicht gesamtgesellschaftlich eine neue Wertigkeit zum Thema Familie und Bildung etabliert werden wird.
Es ist nun einmal so: wenn beide Elternteile zur Arbeit gezwungen sind, damit man einigermaßen überleben kann, kommen die sozialen Grundbedürfnisse einfach zu kurz. Es ist viel zu wenig Zeit und auch Kraft für das Kind da. Dazu die etablierten Gewohnheiten, soziale Kontakte zum Großteil über die sozialen Medien laufen zu lassen, die Kinder via TV und PC-Spiele zu beschäftigen, die Fremdbetreuung auch außerhalb der Schule - das alles schafft Instabilität und Verhaltensauffälligkeiten.
Wir haben nun einmal hierzulande Geld und Einkommen als Maßstab für die Bewertung jedes einzelnen, man wird darüber definiert. Elternschaft und eigene Erziehung wird nicht so wertgeschätzt - finanziell - wie es angemessen wäre. Ich glaube, die Arbeitslosen und armen Familien leiden erheblich darunter und viele sehen keinen Sinn in 1-Euro-Jobs und ähnlichem. Man muss besonders zäh, flexibel und geduldig sein, um sich da raus zu arbeiten und so was wie eine "Karriere" mit einem wirklich guten Gehalt aufzubauen. Diese Energie haben die wenigsten.
Da jeder gezwungen ist, sich durchzuboxen, bleibt auch keine Zeit, eine generationsübergreifende Familienstruktur zu leben wie z.B. in Italien, wo die Alten zur Familie gehören und selten in ein Altenheim gehen. Ich habe in vielen anstrengenden Berufen Menschen gesehen, die ihre Rente aufbessern müssen, sogar in der Altenpflege gibt es etliche - die können direkt beim Arbeitgeber einziehen, wenn es nicht mehr geht. Grausam.
Alles, was mit sozialen Umständen zu tun hat, wurde in diesem Land kaputt gemacht. Entsprechende Jobs werden schlecht bezahlt, Erziehung wird nicht gewürdigt, die Eltern allein gelassen, Lehrer und Erzieher müssen die Defizite auffangen, dadurch geht viel Bildungszeit verloren, viele Rentner an der Existenzminimumgrenze... Investitionen im Sozialen wurden nicht getätigt und jetzt haben wir einen Zustand, der etliche überfordert. Das kommt davon, wenn man Menschen einzig und allein als Arbeiter und Steuerzahler definiert.
Die einzige Möglichkeit sehe ich wirklich in einem bedingungslosen Grundeinkommen, dass jedem eine faire Chance gibt.
Oder:
Von mir aus auch einen Pauschbetrag der Rente, die jeder einmal zu erwarten hat. Man könnte jedem seinen bereits erwirtschafteten Rentenanspruch jetzt schon in einer Summe auszahlen. Wer sich dafür entscheidet, kann dann selbst entscheiden, wie er die Summe investiert und für sein Alter vorsorgen. Beispiel: Bei einem zu erwartenden Rentenanspruch von 500 Euro monatlich für etwa 20 Jahre Restlebenszeit nach dem Arbeitsleben wären das um die 120000 Euro. Das ist für manche genug, um sich daraus etwas aufzubauen und sich soweit privat zu versichern, dass im Falle eines Pflegefalles und Heimaufenthalt die Kosten dadurch übernommen werden. Eine Entlastung für den Staat - langfristig gesehen - wäre das allemal.
LG