jaska
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Unterstützungsgruppen und Justizirrtümer
24.03.2018 um 11:09Hier werden so viele Kriminalfälle diskutiert und immer wieder stößt man auf den Begriff "Justizirrtum". Damit verbunden ist ja sofort eine Einteilung in gut und böse. Also streng genommen eine Umkehr der Verhältnisse: der böse Schurke wird zum Opfer und die vertrauensvolle Justiz zum Täter.
Dass es Justizirrtümer gibt ist klar.
Dass es verurteilte Täter gibt, die ihre Unschuld beteuern ist bekannt.
Dass nicht jeder verurteilte Täter auch wirklich unschuldig ist steht ebenfalls fest.
Für die Behörden ist es immer schwierig, hier die Spreu vom Weizen zu trennen und herauszufinden anhand Indizien und Beweisen, was wirklich geschehen ist und ob genug vorliegt, um einen Täter der Tat zu überführen.
Justizirrtümer
Schwierig wird es immer dann, wenn Grundsätze verletzt werden, die zur Wahrheitsfindung unabdingbar sind: dass Zeugen die Wahrheit sagen, dass Ermittler korrekt und vollständig ermitteln, dass weder Belastungseifer noch andere manipulierende Faktoren wie die Sucht nach Ermittlungserfolg, Eitelkeiten, Korruption etc. in Ermittlungen hereinspielen.
Denn dann werden Ergebnisse ermittelt, die nicht die Realität widerspiegeln sondern eine Wahrheit vorgaukeln, die eben dann auch zu einem unrichtigen Urteil führen können (so sie denn stark genug sind, sich durch alle Phasen von der Tat bis zur Verurteilung gegen die realen Informationen durchzusetzen).
Dann kann es zu einem Justizirrtum kommen. Ein Beispiel ist der Fall Harry Wörz. Er war wegen versuchten Totschlages an seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau über 4 Jahre im Gefängnis, bevor er nach langwierigen Verfahren 2010 endgültig freigesprochen wurde. Auf der zugehörigen Homepage ist folgender, erhellender Satz zu lesen, der vielleicht die individuelle Krux dieses Falles aufzeigt: "Auffällig sind die vielen Fahndungsfehler und Ungereimtheiten der Polizei. Das Opfer, der Vater des Opfers (stand unter Verdacht), der Geliebte des Opfers (stand ebenfalls unter Verdacht) und die ermittelnden Beamten gehörten zu ein und demselben Revier hier in Pforzheim. Kollegen ermittelten gegen Kollegen, die sich teilweise schon Jahrzehnte kannten. Nur Harry Wörz war kein Polizeibeamter..." Es gab für Harry Wörz viele Unterstützer und Mitkämpfer, die über lange lange Zeit für die Wahrheit und Gerechtigkeit gekämpft haben.
Justizirrtümer gibt es also und jeder einzelne Fall ist tragisch.
Medienarbeit von Tätern
Es ist zu beobachten, dass in den Medien sehr oft dieser Begriff "Justizirrtum" verwendet wird. Oft berichten sie unkritisch über unschuldige Täter, die im Gefängnis sitzen und um ihre Freilassung kämpfen. Die Lobbyarbeit dieser Verurteilten nimmt mitunter bizarre Informationen an. Da werden Bürgerinitiativen und Unterstützerkreise gegründet, es gibt Demos, Konzerte, Mahnwachen, Pressekonferenzen, Petitionen, Anfragen an Bundes- und Landtage, Interviews mit TV, Radio und Zeitungen usw.
Trittbrettfahrer
Es steht zu vermuten, dass Täter die Sensibilisierung für ein Thema gezielt ausnutzen, um sich selbst in eine bessere Position zu rücken oder auch Einfluss zu nehmen. Aber woran kann man das erkennen?
Je lauter je unschuldiger?
Mit all diesen Aktionen werden Zweifel geschürt und es soll Einfluss genommen werden auf den Justizapparat. Das beeinflusst mitunter auch die öffentliche Wahrnehmung, so dass sich bei vielen die Überzeugung festsetzt, dass diesem Menschen wirklich schlimmes Unrecht widerfahren ist.
Aber wie kann hier unterschieden werden, ob der Verurteilte wirklich ein Opfer der Justiz und in Wirklichkeit unschuldig ist oder ob er eben aufgrund von Charisma, Sympathien, Geld oder sonstigen Einflüssen sich zu einem Justizopfer hochstilisiert?
Hat das öffentliche Säbelrasseln Einfluss auf Politik und Justiz?
Ist das Werkzeug der Unterstützergruppen für verurteilte Menschen oder solche, denen eine Verurteilung droht, eine notwendige Maßnahme, um ein Gleichgewicht zwischen ihnen und dem riesigen Apparat herzustellen? Oder bieten die Medien hier Menschen eine Plattform, die versuchen, die Öffentlichkeit zu manipulieren?
Ich mag mir kein Urteil erlauben, bin aber zugegebenermaßen sehr skeptisch, hinter jedem rechtmäßig verurteilten Täter ein Unschuldslamm zu vermuten.
Vielmehr sehe ich, dass sie ein Unterstützertum breit macht und dass allzu oft die Öffentlichkeit unkritisch die stark gefärbten und stark gefilterten Informationen zur eigenen Wahrheit zurechtbiegt, ohne die andere Seite anzuhören. Politiker mischen sich ein und zumindest versuchen sie, Einfluss auf die Justiz zu nehmen.
Mir geht es bei diesem Thread darum, dieses Phänomen der Öffentlichen Wahrnehmung zu beleuchten. Warum werden völlig unbeteiligte Menschen zu Unterstützern von Straftätern? Was hält sie zusammen? Ist für die Medien ein vermeintlicher Justizskandal sexier als ein sorgfältig ermittelter und abgeschlossener Fall? Bieten Ermittler, Staatsanwälte und Richter so schlechte Arbeit, dass mittlerweile gefühlt jeder 3. Mörder zu unrecht verurteilt ist?
Meine kleine Leseliste beinhaltet nur die wenigen Fälle, die ich auch verfolge und in denen sich Menschen und Medien um vermeintliche Täter stark machen. Sie kann und soll gerne vervollständigt werden.
- Onlinepetition für den Notarzt Dr. Hatz, der 2015 während einer Einsatzfahrt angeblich 2 Verkehrsteilnehmer gefährdete und einen Strafbefehl kassierte. Der Antrag wurde nach massiven Protesten zurückgezogen, der Fall nie genauer untersucht. (Artikel "Augsburger Allgemeine")
- Bürgerinitiative für den damals als Mörder von Peggy Knobloch verurteilten Ulvi Kulac, der nach dem erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahren frei ist. Mittlerweile ist die Leiche des Mädchens gefunden aber es gibt keine neuen Ermittlungsansätze. (Diskussion auf Allmy) (Wikipedia-Artikel) (Seite der Unterstützer) (Archiv-Version vom 22.03.2018)
- Mordfall Babenhausen, bei dem 2 Menschen getötet und die behinderte Tochter lebensgefährlich verletzt wurde. Der für die Tat verurteilte Mann hat viele Unterstützer, die sich aktuell um ein Wiederaufnahmeverfahren kümmern. (Diskussion auf Allmy) (Wikipedia-Artikel)(Seite der Unterstützer) (Archiv-Version vom 19.08.2017)
- Der Mordfall Böhringer, bei dem der Neffe des Opfers wegen Mordes verurteilt wurde. Seien Familie und sein Freundeskreis kämpf(t)en um seine Freilassung, PR-Berater inklusive. (Diskussion auf Allmy) (Wikipedia-Artikel) (Seite der Unterstützer)
- Der Fall Mollath; hinreichend bekannt. Der Besitzer eine Autowerkstatt befand sich in einer Abwärtsspirale und agierte zunehmend merkwürdiger. Seine damalige Ehefrau wird später als Hauptverantwortliche dafür ausgemacht, dass Herr Mollath schließlich in der Forensischen Klinik untergebracht wird. Gutachter und Hr. Mollaths Weigerung zur Kooperation trugen dazu bei, dass der Klinikaufenthalt unverhältnismäßig lange dauerte, was schliesslich zu seiner Freilassung und einem Prozess führte, der mit einem Freispruch endete. (Diskussion auf Allmy) (Wikipedia-Artikel) (Homepage)https://www.strate.net/de/dokumentation/index.html (Webreportage des Nordbayerischen Kuriers) (Archiv-Version vom 19.03.2018) (Dr. Gerald Mackenthun über den Fall Mollath)
Dass es Justizirrtümer gibt ist klar.
Dass es verurteilte Täter gibt, die ihre Unschuld beteuern ist bekannt.
Dass nicht jeder verurteilte Täter auch wirklich unschuldig ist steht ebenfalls fest.
Für die Behörden ist es immer schwierig, hier die Spreu vom Weizen zu trennen und herauszufinden anhand Indizien und Beweisen, was wirklich geschehen ist und ob genug vorliegt, um einen Täter der Tat zu überführen.
Justizirrtümer
Schwierig wird es immer dann, wenn Grundsätze verletzt werden, die zur Wahrheitsfindung unabdingbar sind: dass Zeugen die Wahrheit sagen, dass Ermittler korrekt und vollständig ermitteln, dass weder Belastungseifer noch andere manipulierende Faktoren wie die Sucht nach Ermittlungserfolg, Eitelkeiten, Korruption etc. in Ermittlungen hereinspielen.
Denn dann werden Ergebnisse ermittelt, die nicht die Realität widerspiegeln sondern eine Wahrheit vorgaukeln, die eben dann auch zu einem unrichtigen Urteil führen können (so sie denn stark genug sind, sich durch alle Phasen von der Tat bis zur Verurteilung gegen die realen Informationen durchzusetzen).
Dann kann es zu einem Justizirrtum kommen. Ein Beispiel ist der Fall Harry Wörz. Er war wegen versuchten Totschlages an seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau über 4 Jahre im Gefängnis, bevor er nach langwierigen Verfahren 2010 endgültig freigesprochen wurde. Auf der zugehörigen Homepage ist folgender, erhellender Satz zu lesen, der vielleicht die individuelle Krux dieses Falles aufzeigt: "Auffällig sind die vielen Fahndungsfehler und Ungereimtheiten der Polizei. Das Opfer, der Vater des Opfers (stand unter Verdacht), der Geliebte des Opfers (stand ebenfalls unter Verdacht) und die ermittelnden Beamten gehörten zu ein und demselben Revier hier in Pforzheim. Kollegen ermittelten gegen Kollegen, die sich teilweise schon Jahrzehnte kannten. Nur Harry Wörz war kein Polizeibeamter..." Es gab für Harry Wörz viele Unterstützer und Mitkämpfer, die über lange lange Zeit für die Wahrheit und Gerechtigkeit gekämpft haben.
Justizirrtümer gibt es also und jeder einzelne Fall ist tragisch.
Medienarbeit von Tätern
Es ist zu beobachten, dass in den Medien sehr oft dieser Begriff "Justizirrtum" verwendet wird. Oft berichten sie unkritisch über unschuldige Täter, die im Gefängnis sitzen und um ihre Freilassung kämpfen. Die Lobbyarbeit dieser Verurteilten nimmt mitunter bizarre Informationen an. Da werden Bürgerinitiativen und Unterstützerkreise gegründet, es gibt Demos, Konzerte, Mahnwachen, Pressekonferenzen, Petitionen, Anfragen an Bundes- und Landtage, Interviews mit TV, Radio und Zeitungen usw.
Trittbrettfahrer
Es steht zu vermuten, dass Täter die Sensibilisierung für ein Thema gezielt ausnutzen, um sich selbst in eine bessere Position zu rücken oder auch Einfluss zu nehmen. Aber woran kann man das erkennen?
Je lauter je unschuldiger?
Mit all diesen Aktionen werden Zweifel geschürt und es soll Einfluss genommen werden auf den Justizapparat. Das beeinflusst mitunter auch die öffentliche Wahrnehmung, so dass sich bei vielen die Überzeugung festsetzt, dass diesem Menschen wirklich schlimmes Unrecht widerfahren ist.
Aber wie kann hier unterschieden werden, ob der Verurteilte wirklich ein Opfer der Justiz und in Wirklichkeit unschuldig ist oder ob er eben aufgrund von Charisma, Sympathien, Geld oder sonstigen Einflüssen sich zu einem Justizopfer hochstilisiert?
Hat das öffentliche Säbelrasseln Einfluss auf Politik und Justiz?
Ist das Werkzeug der Unterstützergruppen für verurteilte Menschen oder solche, denen eine Verurteilung droht, eine notwendige Maßnahme, um ein Gleichgewicht zwischen ihnen und dem riesigen Apparat herzustellen? Oder bieten die Medien hier Menschen eine Plattform, die versuchen, die Öffentlichkeit zu manipulieren?
Ich mag mir kein Urteil erlauben, bin aber zugegebenermaßen sehr skeptisch, hinter jedem rechtmäßig verurteilten Täter ein Unschuldslamm zu vermuten.
Vielmehr sehe ich, dass sie ein Unterstützertum breit macht und dass allzu oft die Öffentlichkeit unkritisch die stark gefärbten und stark gefilterten Informationen zur eigenen Wahrheit zurechtbiegt, ohne die andere Seite anzuhören. Politiker mischen sich ein und zumindest versuchen sie, Einfluss auf die Justiz zu nehmen.
Mir geht es bei diesem Thread darum, dieses Phänomen der Öffentlichen Wahrnehmung zu beleuchten. Warum werden völlig unbeteiligte Menschen zu Unterstützern von Straftätern? Was hält sie zusammen? Ist für die Medien ein vermeintlicher Justizskandal sexier als ein sorgfältig ermittelter und abgeschlossener Fall? Bieten Ermittler, Staatsanwälte und Richter so schlechte Arbeit, dass mittlerweile gefühlt jeder 3. Mörder zu unrecht verurteilt ist?
Meine kleine Leseliste beinhaltet nur die wenigen Fälle, die ich auch verfolge und in denen sich Menschen und Medien um vermeintliche Täter stark machen. Sie kann und soll gerne vervollständigt werden.
- Onlinepetition für den Notarzt Dr. Hatz, der 2015 während einer Einsatzfahrt angeblich 2 Verkehrsteilnehmer gefährdete und einen Strafbefehl kassierte. Der Antrag wurde nach massiven Protesten zurückgezogen, der Fall nie genauer untersucht. (Artikel "Augsburger Allgemeine")
- Bürgerinitiative für den damals als Mörder von Peggy Knobloch verurteilten Ulvi Kulac, der nach dem erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahren frei ist. Mittlerweile ist die Leiche des Mädchens gefunden aber es gibt keine neuen Ermittlungsansätze. (Diskussion auf Allmy) (Wikipedia-Artikel) (Seite der Unterstützer) (Archiv-Version vom 22.03.2018)
- Mordfall Babenhausen, bei dem 2 Menschen getötet und die behinderte Tochter lebensgefährlich verletzt wurde. Der für die Tat verurteilte Mann hat viele Unterstützer, die sich aktuell um ein Wiederaufnahmeverfahren kümmern. (Diskussion auf Allmy) (Wikipedia-Artikel)(Seite der Unterstützer) (Archiv-Version vom 19.08.2017)
- Der Mordfall Böhringer, bei dem der Neffe des Opfers wegen Mordes verurteilt wurde. Seien Familie und sein Freundeskreis kämpf(t)en um seine Freilassung, PR-Berater inklusive. (Diskussion auf Allmy) (Wikipedia-Artikel) (Seite der Unterstützer)
- Der Fall Mollath; hinreichend bekannt. Der Besitzer eine Autowerkstatt befand sich in einer Abwärtsspirale und agierte zunehmend merkwürdiger. Seine damalige Ehefrau wird später als Hauptverantwortliche dafür ausgemacht, dass Herr Mollath schließlich in der Forensischen Klinik untergebracht wird. Gutachter und Hr. Mollaths Weigerung zur Kooperation trugen dazu bei, dass der Klinikaufenthalt unverhältnismäßig lange dauerte, was schliesslich zu seiner Freilassung und einem Prozess führte, der mit einem Freispruch endete. (Diskussion auf Allmy) (Wikipedia-Artikel) (Homepage)