paxito schrieb:Wozu? Du musst dir nichts verkneifen, nur dich selbst reflektieren. Ich schwelge gerne mal in meinen Vorurteilen gegenüber Bayern, auch wenn mir völlig klar ist wie bescheuert das ist.
Im Privaten stimmt das. Im Politischen versuche ich schon, meine Meinung so zu formulieren, wie ich sie denke, wenn ich darüber nachdenke.
paxito schrieb:Jeder Mensch hat das Naturrecht als Mensch behandelt zu werden. Anständig ist mir da zu subjektiv. Es geht um angeborene Rechte und Bürgerrechte, nicht um Gutmenschentum.
Mir geht es auch nicht um Gutmenschentum. Das Gutmenschentum, was mir oft vorgeworfen wird, kommt aus kalten und nüchternen überlegungen heraus. Das war auch in dem Absatz, den du diesbezüglich zitiert hast so.
Die meisten Arbeitslosen können aus unterschiedlichen Gründen nicht arbeiten, sei es, weil es zu wenig Jobs für sie gibt (also passende und objektiv zumutbare Jobs), sei es wegen psychischer, physischer krankheit oder anderen lebensproblemen.
Faulheit zu bemühen finde ich da ganz grundlegend falsch.
Menschen, die sich selbst aufgeben, entstehen ja aus unserer gesellschaft und deren system heraus (nicht nur dem alg2 system). Es macht für mich daher keinen sinn, da individuell nach verfehlungen zu suchen (selbst bei leuten, die ich im Privaten Bereich möglicherweise schon so sehen würde), weil das System so geartet ist, dass automatisch Situationen entstehen, in denen Menschen nicht zu Arbeit kommen können (aus welchen gründen auch immer).
paxito schrieb:Jede Handlung hat ihre Ursache. Es gibt so sicher faule Arbeitslose, wie es faule Arbeiter, faule Rentner und faule reiche Erben gibt. Arbeitslose sind keine besseren oder schlechteren Menschen.
Genau, aber was bedeutet Faulheit dann noch in der politischen Debatte? Eigentlich überhaupt nichts. Warum ist der faule Arbeitslose ein schlechter Mensch und ein Problem, während der faule Beamte es nicht ist? "Faulheit" ist ein menschliches Phänomen, das aus verschiedenen Ursachen entsteht und eine Realität in der Gesellschaft und im menschlichen Zusammenleben ist.
Man kann es auch objektiver als Motivationslosigkeit bezeichnen. Genauso wie jeder Betrieb damit umgehen muss, dass manche Mitarbeiter motivierter sind als andere (in einem gewissen Rahmen natürlich) muss natürlich ein system, das Arbeitslosigkeit bekämpfen soll, die Relaität akzeptieren, dass es oft mit Menschen ohne Motivation arbeiten muss.
Aber eine Realität muss man trotzdem klar benennen: Unser Problem ist nicht vorrangig, dass die meisten Arbeitslosen nicht grundsätzlich arbeiten wollen.
ockham schrieb:also ich bin tatsächlich gegen Sanktionen und gegen hetze bin ich auch, und was sind jetzt mögliche Lösungswege?
Ein erster Schritt wäre es, die Statistik nicht mehr zu verzerren. Das ist ganz fundamental.
Wir zählen jeden in die Arbeitslosenstatistik rein, der ALG2 bezieht (auch Aufstocker, Menschen in Maßnahmen und so weiter) und wir zählen nur solche Stellen als Jobangebote, die (ob in Vollzeit oder Teilzeit) mehr Geld abwerfen als eine Vollzeit-Mindestlohnstellen.
Und dann gucken wir mal, wie viele Menschen in wirklichkeit arbeitslos und wie viele Jobs es in Wirklichkeit gibt (und idealerweise auch, was für Jobs das sind).
Erst wenn wir überhaupt Daten erheben, können wir ja sehen, wo noch wirklich Jobpotenziale sind und wo die Potenziale bei den Alg2 empfängern sind. Das wäre der nächste Schritt: Mal genau aufstellen, wer da nun genau alg2 erhält und was die Jobhindernisse da im Groben sind.
Wie viele Alg2 Empfänger sind eigentlich gar nicht in eine Vollzeitstelle vermittelbar, z.b. weil sie Angehörige Pflegen, weil sie unter Krankheiten leiden, weil sie schön über 60 sind und eigentlich nicht mehr wirklich vermittelbar sind und so weiter und so fort.
Wer bleibt da übrig? Also wo sind da junge Leute, die zwar vielleicht nichts gelernt haben und keine großartige perspektive haben, die man aber grundsätzlich qualifizieren könnte, wenn man vernünftig auf sie zugeht.
Und da werden wir feststellen, dass z.b. 2/3 der hier lebenden Syrer hartz 4 empfangen. Das sind zu einem großen Teil gesunde junge Männer, die grundsätzlich (natürlich gibt es auch da viele traumatisierte oder kranke) arbeiten könnten und auch grundsätzlich gerne hier geld und ansehen verdienen würden.
Wenn wir in dem Pool wirklich reingehen und mal offen und ehrlich nachforschen, was die Probleme sind und uns diesen stellen (und eben nicht nur irgendwelche Jungs in irgendwelche Maßnahmen vermitteln, wo sie einen Lebenslauf schreiben und dann vielleicht mal Paketbote werden), dann würden wir gleich zwei fliegen mit einer klappe schlagen, indem wir Arbeitslosigkeit bekämpfen und etwas für die Integration tun.
Das betrifft natürlich junge deutsche Arbeitslose genauso, aber das ist ein Beispiel, wo ich viel Potenzial sehe.
Wir machen das aber gar nicht so. Wir nehmen uns zwei zahlen, die nicht ausdifferenziert sind und sagen dann "jaja es gibt doch jobs die sollen einfach alle ne ausbildung machen". Das wird dem Problem nicht gerecht und so kommt man nicht weiter.