Venice2009 schrieb:sie werden sich mit Sicherheit nicht nur per Brief ausgetauscht haben. Was sie wo und wie intensiv anderweitig besprochen haben, das wissen nur die beiden.
sicher aber was Haysom unter Drogen und Alkohol beispielsweise in einer Bar loswerden will natürlich auch (Haysom plus Dritter) und wir nicht. Zur selben Zeit laut Söring bekam auch ein gemeinsamer Studentenfreund einen Brief mit den Tagebuchstimmungen Haysoms geschickt.
Den hätte ich dann auch mal gerne gesehen.
@Tatort70Zuerst einmal. Wenn Haysom Söring etwas schreibt muss das noch lange nicht so passiert sein e.g. was von heiraten den Eltern erzählen.
"voodoo" etc. ist möglich ich erzähle es dir persönlich, ist klar verdächtiger Wortlaut wenn man sieht was später passiert ist.
Aber es ist zu abstrakt. Weil es zeitlich für mich schon nicht passt. Wie soll Söring nach zwei bis drei Wochen "Beziehung", den surrealen Hass
Von Haysom übernommen haben, an FAD erkrankt, um mit klaren Mörderabsichten zu reagieren. We are the victims. Ja von was denn? Das handschriftliche kann ich nicht lesen.
Ich finde Harding total korrekt in dem er sagt verdächtige Passagen aber keine geplanten Mordabsichten.
Diese sexuellen Phantasien. Nun eine 20J schreibt was von Männer quälen und besten Sex liefern. Er ist Jungfrau. Er hat nicht wirklich "gleichwertiges" zu bieten.
Ted Bundy bekam Orgasmen beim Töten, das ist was völlig anderes krankhaftes (sexuell motivierter Serienkiller).
Kommentare?
Soll Söring sich doch mal selber erklären, der Brief war schliesslich auch Gegenstand des Prozesses.
"Die meisten der Tagebuchbriefe, die Liz mir schickte, waren geschriebene Varianten des immer gleichen Themas: In starken Worten artikulierte sie ihre tiefe Abneigung gegen ihre Eltern, beschrieb sie als ständig betrunkene, hasserfüllte Menschen, die jeden ihrer Schritte kontrollieren wollten. In einer Passage fragte sie sich: »Ob es wohl möglich wäre, meine Eltern zu hypnotisieren, Voodoo an ihnen auszuüben, damit sie sterben?«[ 8] Als ich diese Worte las, war meine einzige Reaktion ein überwältigendes
Mitleid für Elizabeth. Wie sehr musste sie leiden, dass sie es auf diese Weise ausdrückte! Ich glaubte sogar, ein tiefergehendes, halbprofessionelles Verständnis für Liz’ Persönlichkeit zu besitzen, weil ich während der Highschool relativ viele Psychologiebücher gelesen hatte. Mit der ganzen Weisheit meiner achtzehn Jahre schloss ich, dass Elizabeths Phantasie, ihre Eltern durch Voodoo umzubringen, ihre Art war, Humor einzusetzen, um sich von ihrem eigenen Zorn zu distanzieren. Freud hatte das ja alles erklärt, es war ganz offensichtlich! Warum sonst sollte sie sich etwas so Lächerliches und Unrealistisches aussuchen wieVoodoo? Also reagierte ich auf Elizabeths scheinbar humorvolle Voodoo-Phantasie, indem ich mitspielte. Ich hielt es für das Beste, sie darin zu ermuntern, ihrer Frustration und ihrem Zorn auf diese Weise ein Ventil zu verschaffen; die Alternative war schließlich, dass sie mit Jeff Ranchero Marihuana rauchte! Außerdem konnte ich sie, indem ich auf ihre Phantasien einging, wissen lassen, dass ich auf ihrer Seite stand und dass sie in ihrem Leid nicht allein war. Nachdem Voodoo offenbar ihr Running Gag war, antwortete ich, indem ich jeden Werwolf-, Dracula- und Frankenstein-Film zitierte, der je
gedreht worden war. »Seltsame Dinge gehen in mir vor«, woraufhin der Vollmond aufging und Lon Chaney sich in einen Vampir verwandelte. Natürlich war das nicht gerade brüllkomisch. Aber ich war selbst deprimiert, und ihr Leben schien auch nicht besonders lustig. Die vollständige Passage, mit der ich auf Elizabeths Voodoo-Phantasie antwortete, lautet folgendermaßen: Übrigens, wenn ich Gelegenheit hätte, Deine Eltern zu treffen, hätte ich schon die ultimative ›Waffe‹. Seltsame Dinge gehen in mir vor. Ich verwandle mich immer mehr in eine Christusfigur, oder eher in eine kleine Imitation, glaube ich. Entweder würden sie vollkommen durchdrehen, einen Herzanfall bekommen oder von da an die ganze Welt lieben – Agape, versteht sich.[ 9] Jahre später versuchte die Polizei, meine Formulierung mit der »Waffe« in dieser Passage so zu interpretieren, dass ich einen Mord geplant hätte. Dieser Versuch kam mir immer sehr weit hergeholt vor. Hielt es wirklich irgendjemand für möglich, dass ich den Mord an den Eltern meiner Freundin durch psychisch herbeigeführte Herzinfarkte geplant hätte? Außerdem hatte ich den Begriff »Waffe« ja nicht ohne Grund in Anführungszeichen gesetzt: »… die ultimative ›Waffe‹. Seltsame Dinge …Tatsächlich hatte ich lediglich meiner Überzeugung Ausdruck verleihen wollen, dass die Macht der »Liebe« alles überwinden kann. Das Ganze war ein zugegebenermaßen schwacher Versuch, Liz’ düstere Voodoo-Phantasie aufzugreifen, mit ihr zu spielen, um Liz zu trösten und sie dann in etwas Positives umzuwandeln. Ich wollte Elizabeth daran erinnern, dass sie jetzt eine Waffe gegen all ihr Leiden besaß, eine Kraft zum Guten: unsere Liebe. Meine Tagebuchbriefe enthielten nur noch einen einzigen anderen Bezug auf Liz’ Brief. Dort heißt es an einer Stelle: »… ›Voodoo‹ etc. ist möglich.« Wieder benutzte ich Anführungszeichen, um damit zu sagen, dass echter Voodoo gar nicht existiert, dass aber das damit verbundene Phänomen der Autosuggestion durchaus möglich ist. Insgesamt beschäftigt sich vielleicht eine halbe Seite meiner vierunddreißigseitigen Tagebuchbriefe mit einer Antwort auf Elizabeths Phantasien, ihre Eltern umzubringen. Und vor allem ist nirgendwo in meinen oder ihren Briefen irgendein Plan zu finden, vier Monate später einen Mord zu begehen. Aber unsere Korrespondenz darüber, die Haysoms durch Willenskraft sterben zu lassen, sagt natürlich etwas darüber aus, dass unsere Beziehung und unsere Gedanken schon in den Weihnachtsferien 1984 reichlich abseits der Norm lagen. In Liz’ Biografie gab es einige Hinweise auf eine Persönlichkeitsstörung: ihre Flucht nach Europa, der Konsum harter Drogen einschließlich Heroin, die homosexuellen Beziehungen. Aber welche Erklärung gab es für mich, einen Jefferson-Stipendiaten, der bis dahin praktisch keinen Kontakt zu Drogen gehabt hatte und bis vor kurzem auch sexuell vollkommen unerfahren gewesen war? Einige Antworten kann man den...."
Aus Nicht Schuldig, Söring 2016, S.44-46