Orpinal schrieb:Ei der Beerdigung hätte es mehr als einem Beobachter auffallen müssen, insbesondere den anwesenden Polizisten 🙄
Das Timing ist hier sehr wichtig. Bei der Beerdigung und Trauerfeier bei den Massies waren 40-50 Menschen anwesend. Zu dieser Zeit wusste nur die Mitglieder der Haysom-Familie, wer Jens Söring überhaupt war, und die einzigen Mitglieder der Familie, die ihn je gesehen haben (nur 1x für ca. 1 Stunde), waren tot. Söring war nichts als einer der 5-6 Uni-Freunde von Elizabeth, mehr nicht. Die Vorstellung, Söring könnte etwas mit den Morden zu tun haben, schien damals absurd. Weder die Polizei noch die Haysom-Familie hatten irgendeinen Grund, ihm besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Carl Wells hat Söring mit Bandagen gesehen (wie STBC berichtete), auch hat Louis Benedict dies bemerkt (hat er Netflix gesagt, kam aber nicht in der Doku vor). Ein weiterer Zeuge wird sich demnächst melden. Zu der Zeit aber hatte man dies nicht für wichtig gehalten; sie sagten sich: "Da steht ein Nerd, wahrscheinlich ein Studienfreund von Elizabeth. Hat Bandagen. Vielleicht ist seine Hand in einer Tür eingeklemmt oder so, wer weiß, wen interessiert das schon?"
Nur
im Nachhinein wurde die Bedeutung von den Wunden klar. Beim Prozess war nur die Aussage von Harrington notwendig, weil
Söring selber alles genau in seinen Geständnissen beschrieben hat.
Söring war die Hauptquelle, was die Wunden anging, kein anderer.
Warum wurden die Wunden nur ein Randthema bei Sörings Prozess? Weil vor dem 18. Juni 1990 kein Mensch auf der Erde bestritten hat, dass Söring Wunden hatte. Söring sagte, er hatte Wunden. Elizabeth sagte, er hatte Wunden. Harrington sagte, er hatte Wunden. Der Staatsanwalt hätte andere Zeugen laden können, aber wozu? Der Richter hätte das wahrscheinlich nicht einmal zugelassen, da die Sache schon mehr als ausreichend geklärt wurde. Aus Effizienzgründen ist es nicht erlaubt, endlose Reihen an Zeugen zu laden, die alle dasselbe bestätigen.
Warum haben Neaton and Cleaveland nicht nach weitere Zeugen gesucht? Aus verschiedenen Gründen. Erstens war Sörings "Falsches-Geständnis" Theorie nagelneu; bis kurz vor dem Prozess in 1990 hatten N & C
keine Ahnung, dass Söring es vorhatte, die Anwesenheit von Wunden zu bestreiten. 1990 waren die Ereignisse schon 5 Jahre in der Vergangenheit. Es ist auch mehr als wahrscheinlich, dass N & C in der Tat mit ein paar Gästen telefoniert haben, und das Ergebnis deutlich
ungünstig für Söring war: "Ach so, Sie haben Wunden gesehen? Danke sehr -- dieses Gespräch hat nicht stattgefunden. Lebe wohl!"
Was macht man in so einer Situation als Strafverteidiger?
So wenig wie möglich. Man lässt der Zeuge für die Staatsanwaltschaft reden, dann stellt man ein paar Fragen, und das wär's. Man will auf gar keinen Fall, dass die Jury lange über dieses Thema nachdenkt. Als Strafverteidiger behandelt man das Thema, als ob es nebensächlich wäre. Wenn man ständig mit Einsprüchen einhakt, bekommt die Jury den Eindruck, es handelte sich um etwas Wichtiges.
Das war wieder einmal eine gute Leistung von Neaton und Cleaveland in einer schwierigen Lage. Wie Neaton gesagt hat, "ich bin Anwalt, kein Magiker".