silentlistener schrieb:Beide sind krank.
Sie vielleicht noch mehr als er.
"Krank" ist nicht krank. Es gibt seelische Ausnahmezustände, es gibt sie zeitweise und es gibt sie dauerhaft. Bei Jugendlichen nicht selten. Und nicht immer münden sie in Verhaltensauffälligkeiten. Oder gar eine lebenslange "Krankheit".
Mann sollte schon unterscheiden, welchen Eindruck die Angeklagten 1985 gemacht haben (es ist Stückwerk, was wir in den Dokumentationen haben, ausgewählt nach einer Dramaturgie) - und wie sie sich heute 2020 geben. Nach über 30 Jahren Inhaftierung. In denen beide zumindest eine stringente Impulskontrolle bewiesen haben. Keine Wahnvorstellungen oder abartige Fantasien geäußert haben. Musterinsassen waren. Das Paroleboard wird das schon berücksichtigt haben, denn es ist denen auch nicht egal, ob ein Jens Söring in Deutschland nach seiner Entlassung zum Messermörder oder Amokläufer wird.
Wenn Herr Söring heute (wie in seinen ganzen Interviews) sehr ruhig, vernünftig, reflektiert und geläutert erscheint, dann dürfte das auch seinem Wesen entsprechen. Schließlich war das Kontrollierte, Zurückgenommene, Zurückhaltende, Schüchterne auch Teil seiner Persönlichkeit, bevor er auf Elizabeth traf. Vermutlich glaubt er an die Geschichte, die er auch bei "Lanz" erzählt. Sie hat sich in 30 Jahren verfestigt und ist in ihrem Kern nicht erschütterlich. Sie ist vielleicht deshalb auch relativ nahe dran an der Wahrheit. Relativ.
Denn sie ist vermutlich stark gefärbt durch das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein, indem er nach US-Recht verurteilt wurde und nicht das deutschem Jungendstrafrecht. Die unterschiedlichen Gerechtigkeitsmaßstäbe in den USA und Deutschland mögen für einen Betroffenen, für den es nun mal ein gewaltiger Unterschied ist, ob er 8 oder 33 Jahre sitzt, schwer zu ertragen sein. Aber Recht ist nicht immer gerecht. Und es ist keine Entschuldigung. Aber eine Erklärung für sein Verhalten.
Deshalb würde ich Herrn Söring auch nicht alles glauben. Aber es dürfte eben auch nicht alles Lüge sein. Objektiv aufklärbar ist das Zusammenwirken zwischen ihm und Frau Haysom heute eh nicht mehr. Grundsätzlich lag die US-Justiz nicht so sehr daneben, beide zu verurteilen und beide gleichzeitig frei zu lassen.