@Seps13Warum ich das wirklich tue? Vorrangig, weil ich mir nicht sicher bin, was die Wahrheit ist. Und das ist eben nichts Verwerfliches.
Sörings Geschichte ist hinten und vorne nicht konsistent. Sondern mysteriös. Konsistent ist alleine seine seit 1990 beteuerte Unschuld. Das ist durchaus bemerkenswert. Doch die Geständnisse davor sind glaubhaft. Der Grund für ihren Widerruf dagegen wenig. Dagegen gebe ich wenig auf die Tatortspuren, das ist dünn und für mich nicht fallentscheidend. Wenn ich als Juror nur den "Weihnachtsbrief" gelesen hätte, dann wäre bei mir unweigerlich ein heftiger Verdacht der Tatbeteiligung entstanden, von dem nur noch ein anderer persönlicher Eindruck oder eindeutige Gegenbeweise hätten entlasten können.
Was ist sicher? Für mich ein 18jähriger, der irgendwann berauscht von sich war und sich in Hybris verloren hat, ohne jede kritische Selbstreflektion. Entweder, weil er glaubte Held zu sein, indem er zwei Menschen umgebracht hat oder sich zumindest daran beteiligte. Oder ein Held, weil er in völliger Selbstaufopferung seine Geliebte vor dem elektrischen Stuhl bewahrte. Letzteres ist objektiv fraglich, aber er betont es über die Jahrzehnte unablässig, so dass dieses Motiv nicht vom Himmel gefallen sein kann.
Nach den Interviews mit ihm: Söring dürfte in hohem Maße an das glauben, was er zu sich behauptet. Im Gefängnis dürfte es über 30 Jahre lang keinen Platz für Anderes als seine Sicht der Dinge gegeben haben. Dafür hat er unablässig gekämpft. Ein Typ wie Söring ist kein Hochstapler, der mit der Wahrheit jongliert. Der ist eher der zwanghafte Typ, dessen hermetisch abgeschlossener Kosmos Täuschung, Tricks und Lüge nur bei den anderen kennt.
Es kann auch eine Kombination beider Varianten sein, ein Doppelheld quasi. Dabei gehe ich von einer wie auch immer gearteten Tatbeteiligung aus. Die muss aber irgendwie verdrängbar oder relativierbar sein, sonst passt für mich psychologisch die Leugnung seit 1990 nicht ins Bild. Das Umschwenken ist für mich nicht nachvollziehbar, weil so unheroisch ist. Auch wenn es Erklärungsansätze gibt. Erst die ganz große Nummer und dann im Angesicht der Justiz Virginias plötzlich das Opfer. Das passt nicht zu diesem Typen, der bei mir in der Schule jemand gewesen wäre, um den man lieber einen Bogen gemacht hat. Weil er intelligenter war, aber mit seiner großspurig-nervigen Art auch immer etwas peinlich.
Ich biete Dir noch zwei Posts aus dem Forum an, die jemand anderes in einem anderen Fall geschrieben hat. Da geht es auch um die Tatleugnung.
Spoilerhttps://www.allmystery.de/themen/km110040-1209#id26854407 und Doppelmord Babenhausen (Seite 1210)