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Der Mensch Jens Söring

40.372 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Kino, Gefängnis ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Mensch Jens Söring

Der Mensch Jens Söring

01.01.2020 um 09:44
Hier mal der chronologische Ablauf ab Verhaftung:

JS wurde im April 86 in GB verhaftet und verbüßte zunächst eine Freiheitsstrafe wegen Scheckbetrugs im Jugendgefängnis Ashford.

28.05.86: Sehnsuchtsvoller Brief von Elizabeth Haysom an Jens Söring.

05. bis 08.06.1986: Die beiden Verdächtigen wurden von einem Team amerikanischer und britischer Ermittler zu den Morden verhört. Söring gab die Morde zu.

11.08.86: Auslieferungsersuchen der US Regierung

Trennungszeitpunkt lt. Gardner vor dem 3. Geständnis Ende 1986:
Gardner says Soering received a break-up letter from Elizabeth Haysom before making his third confession
https://web.archive.org/web/20130814134637/http://www.wsls.com:80/story/20833633/haysom-murder-investigator-jens-soering-needs-to-accept-responsibility

30.12.1986: JS wurde von einem deutschen Staatsanwalt vernommen. Dort nahm er das vorige Geständnis wieder etwas zurück und gab nur Totschlag zu. (Seine merkwürdige Einräumung von Erinnerungsschwächen bzgl. Elizabeths Anwesenheit am Tatort wäre mit einem Trennungsbrief von ihr zu erklären).

11.02.87: Deutscher Haftbefehl bzgl. JS und Auslieferungsersuchen durch Deutschland.

Großbritannien erklärte, dass die USA das Auslieferungsersuchen zuerst gestellt hat und daher bevorzugt wird.

Das Verfahren zur Prüfung der Auslieferung /Auslieferungshaft in GB dauerte eine gewisse Zeit. JS hoffte auf eine Auslieferung nach Dt.

08.05.1987: Elizabeth Haysom wurde an die Vereinigten Staaten ausgeliefert.

29.06.1987: Haftprüfungsantrag JS und Antrag auf Revisionszulassung. Zurückweisung der Anträge am 11.12.87.

06.10.1987: EH wurde wegen Beihilfe zum Mord zu 90 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

30.06.88: Sörings Antrag auf Zulassung der Berufung gegen die o. g. ablehnende Entscheidung
wurde vom House of Lords abgelehnt.

08.07.1988: JS legte Beschwerde beim EGMR ein.

14.07.1988: Petition von JS gegen Auslieferung.

03.08.1988: GB entschied, die Auslieferung an die USA anzuordnen.

07.07.1989: Urteil des EGMR, dass Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention bei Auslieferung Sörings verletzt würde.

01.08.1989: Die britische Regierung stimmte der Auslieferung von Söring an die USA zu, unter der Bedingung, dass die Todesstrafe nicht verhängt wird

12.01.1990: Auslieferung an die USA.

Im Prozess Widerruf des Geständnisses.

Das Geständnis war aus Sörings Sicht unausweichlich, da er sich überführt sah. Söring ist geflüchtet, weil er wusste, dass er am Tatort Blut und Fußspuren, evtl. Fingerabdrücke hinterließ. Als er auf der Flucht verhaftet wurde, war ihm klar, dass er die Morde nicht mehr abstreiten kann. Tatortbeweise und Flucht sprachen für sich, die Kinoalibis waren längst hinfällig geworden. Absprachegemäß hielt er Haysom heraus, wollte aber Leichenschändung/Voodoo nicht auf seine Kappe nehmen.

Die Rücknahme des Geständnisses hat nichts mit der Wahrheit zu tun. Alles, auch das psychiatrische Gutachten war reine Verteidigungsstrategie, um die geringstmögliche Bestrafung, am besten in Deutschland, herauszuholen. Auf den Erfolg einer (wahrheitsunabhängigen) Unschuldsbehauptung hatten weder er noch seine Anwälte gesetzt. Sie kam daher erst ganz zuletzt in Virginia zum Tragen und die Jury ist auch nicht drauf reingefallen. Es machte in diesem Zusammenhang auch keinen Sinn, mit der Unschuldsnummer eher herauszukommen, denn es gab keine Beweise dafür und sie war vollkommen unglaubhaft.

Haysoms Trennung von Söring vor ihrem und seinem Prozess ist dagegen ein ziemlich sicheres Zeichen, dass sie von einer Elternalibi-Drogendealer-Geschichte nichts wusste und demzufolge auch nicht befürchten musste, dass in der Hinsicht Beschuldigungen oder Beweiserhebungen kommen.
Passend dazu gab es ja auch keine Bestrebungen seitens Söring, die Drogenkuriersache oder seine alleinige Anwesenheit in DC zu belegen.

Wäre er nach Deutschland ausgeliefert worden mit der wahrscheinlichen Option, eine Jugendstrafe zu bekommen, hätte er sein Geständnis vermutlich nicht zurückgezogen und die Öffentlichkeit hätte nie von der absurden Alternativgeschichte (die seinen Besitz von zwei Kinokarten erklären musste) erfahren.
Zitat von ViennaHundtViennaHundt schrieb:An seiner Stelle würde ich gar nicht mehr so viel darüber reden
Gut möglich, dass er es so handhaben wird. Wäre das Klügste.


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01.01.2020 um 11:14
Zitat von BluelleBluelle schrieb:Das ist der entscheidende Punkt.
Gut recherchierte Beiträge. Der vorige auch....damit ist der Punkt wieso JS am Geständnis festgehalten hat wohl eindeutig erklärbar.
Hm, ich denke, der EGMR ist in der Auslieferungsentscheidung vom 07.07.1989 deshalb so ohne Umschweife von der Täterschaft von JS ausgegangen, weil zu diesem Zeitpunkt sein Geständnis vorlag. Juristisch die reine Lehre das nicht, es hätte gereicht, wenn man von schwerwiegendem Verdacht gegen ihn zum gegenwärtigen Zeitpunkt, insbesondere aufgrund seines Geständnisses, geschrieben hätte. Aber die EGMR-Entscheidung war halt betreffend ihre Formulierung ein Kompromiss der beteiligten Richter aus verschiedenen Staaten.


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01.01.2020 um 12:46
Der EGMR hat ja nicht über die Täterschaft Sörings entschieden, sondern über die Auslieferung in die USA. Da dürfte es völkerrechtlich ausreichend gewesen sein, dass es einen strafrechtlichen Vorwurf der USA gegen Söring gab. Der wird kurz geschildert. Das ergibt sich schon aus dem Aufbau des Urteils.

Es handelt sich bei der Stelle (in Deiner Quelle auf S. 377) um die einführende Darstellung der Hintergründe (explizit als "Zusammenfassung" bezeichnet) - nicht um eigene Feststellungen des Gerichts. Weil der EGMR auch nicht der deutschen Rechtstradition folgt, ist der gewählte Indikativ da anders zu bewerten wie in deutschen Urteilen, die streng zwischen fremden Erwägungen und denen des Gerichts sprachlich unterscheiden. Vermutlich dürfte es in der originären französischen bzw. englischen Fassung keinen Konjunktiv gegeben haben - weil der an der Stelle eben nie verwendet wird.

Kurz und gut: Die Darstellung des EGMR ist weder schlampig noch geht das Gericht von der Schuld Sörings aus. Ausgehend von Art. 74 VerfO werden als erstes das Verfahren seit Einlegung der Beschwerde und die Verfahrensbeteiligten überblicksartig dargestellt. Erst darauf folgt der Tatsachenteil des Urteils („as to the facts“), in welchem der Sachverhalt (hier Auslieferungsersuchen und Beschwerde Sörings) und die relevante innerstaatliche Rechtslage und Rechtspraxis dargestellt werden. Erst dann folgt im rechtlichen Teil („as to the law“) die Auseinandersetzungen mit den geltend gemachten Konventionsverletzungen.

Siehe hierzu (S. 33):
http://jusguide.info/wp-content/uploads/2018/06/Dissertation-Die-Bedeutung-der-Judikatur-des-Europäischen-Gerichtshofs-für-Menschenrechte-in-der-Judikatur-der-österreichischen-Höchstgerichte-über-den-entschiedenen-Fall-hinaus.pdf


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Der Mensch Jens Söring

01.01.2020 um 13:49
Zitat von monstramonstra schrieb:Kurz und gut: Die Darstellung des EGMR ist weder schlampig noch geht das Gericht von der Schuld Sörings aus
Das ist mir selbstverständlich klar. Allerdings erklärt der EGMR eingangs zum Sachverhalt (nicht zur Auslieferungsfrage), dass JS die Eltern Haysom erstochen HAT.

Der EGMR schickt dies klipp und klar als Tatsache voraus, bevor er dazu kommt, weswegen er überhaupt angerufen wurde. Nur dies ist verwunderlich. Das Gericht in Virginia war natürlich nicht an die diesbezügliche Tatsachensicht des EGMR gebunden, sondern hat eigenständig die Tatsachen festgestellt, daraus seine rechtlichen Schlüsse gezogen und die Schuldfrage beantwortet.


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01.01.2020 um 14:17
PS: Das Gericht bzw. die Übersetzung weiß sehr wohl zwischen Indikativ und Konjunktiv zu unterscheiden, wie sich aus dem Gesamttext ergibt.

Es geht bei der bewussten Stelle nicht um "Erwägungen" des Gerichts, sondern zunächst um die Darstellung des Sachverhalt, von dem das Gericht ausgeht, siehe etwa der Verfahrensgang, die vorgebrachten Argumente der Beteiligten, wann wer welches Ersuchen an wen gerichtet hat etc., bevor der zweite Teil, die rechtliche Bewertung, kommt. In diesem anfänglichen Fakten-Kontext steht die Darstellung, dass JS die Eltern Haysom umgebracht HAT.

Ich will mich an dieser Stelle nicht weiter festbeißen, sie hat natürlich keine Bedeutung für die Schuldfrage, und der EGMR war nicht berufen, diese zu klären, wollte das auch nicht. Trotzdem ist überraschend, dass der EGMR, was nahegelegen hätte, im Sachverhalt den Vorwurf, dass JS das Paar Haysom getötet hat, nicht lediglich als Grund des Auslieferungsersuchens der USA erwähnt, sondern die Tötung durch JS als Tatsache darstellt.


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01.01.2020 um 14:42
Zitat von monstramonstra schrieb:Vermutlich dürfte es in der originären französischen bzw. englischen Fassung keinen Konjunktiv gegeben haben - weil der an der Stelle eben nie verwendet wird.
Doch. In der englischen Fassung ist die Umschreibung anders, dort ist die Rede von fraglichen Morden:
12.   The homicides in question were committed in Bedford County, Virginia, in March 1985. The victims, William Reginald Haysom (aged 72) and Nancy Astor Haysom (aged 53), were the parents of the applicant’s girlfriend, Elizabeth Haysom, who is a Canadian national. Death in each case was the result of multiple and massive stab and slash wounds to the neck, throat and body. 
https://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-57619#{%22itemid%22:[%22001-57619%22]}

Falls der link nicht direkt hinführt, "Soering" ins Suchfeld eingeben.

@Andante: Hast recht, liegt aber wohl an der Übersetzung.


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01.01.2020 um 14:51
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Hast recht, liegt aber wohl an der Übersetzung.
Offenbar, danke. Ich schwöre: Nie wieder will ich mich auf deutsche Übersetzungen verlassen!

Der EGMR hat es also doch juristisch ganz sauber gemacht: In die Sachverhaltsdarstellung hat er als Fakt aufgenommen, dass die Haysoms ermordet wurden. Weiter hat er zutreffend als Fakt dargestellt, dass die USA GB um Auslieferung von JS gebeten haben, weil sie diesen der Tat verdächtigen und angeklagt haben.


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01.01.2020 um 16:14
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:30.12.1986: JS wurde von einem deutschen Staatsanwalt vernommen. Dort nahm er das vorige Geständnis wieder etwas zurück und gab nur Totschlag zu. (Seine merkwürdige Einräumung von Erinnerungsschwächen bzgl. Elizabeths Anwesenheit am Tatort wäre mit einem Trennungsbrief von ihr zu erklären).
Er hat da wohl schon auf einen Prozess in D und das hiesige Strafrecht spekuliert.

Dass man ihm hierzulande sehr wohl den Prozess hätte machen können, was gestern anfangs bestritten wurde, ist ja mittlerweile geklärt.

Ebenso, dass D ein Auslieferungsersuchen an GB gestellt hat, was gestern zunächst auch bestritten wurde.

Das gleiche Theater dann mit dem EMGR

Es empfiehlt sich, erst Zeit in Recherche zu stecken, bevor man Zeit in (fehlerhafte) Beiträge steckt, die man dann durch weitere Beiträge, die auch wieder Zeit kosten, korrigieren muss

Schade auch um die Zeit das alles lesen und dem widersprechen zu müssen.

Sorry, aber der Hinweis @Andante musste jetzt sein.


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01.01.2020 um 16:25
Zitat von Cpt.GermanicaCpt.Germanica schrieb:Dass man ihm hierzulande sehr wohl den Prozess hätte machen können, was gestern anfangs bestritten wurde, ist ja mittlerweile geklärt.
Hätte man, wenn er hier gefasst worden wäre oder wenn GB ihn nach Deutschland ausgeliefert hätte. Da beides nicht der Fall ist, ist es müßig, darüber zu spekulieren, welche Strafe er hier bekommen hätte.


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01.01.2020 um 16:31
Zitat von AndanteAndante schrieb:Hätte man, wenn er hier gefasst worden wäre oder wenn GB ihn nach Deutschland ausgeliefert hätte. Da beides nicht der Fall ist, ist es müßig, darüber zu spekulieren, welche Strafe er hier bekommen hätte.
Es war gestern von dir zunächst generell bestritten worden und das ist nun mal falsch.

Außerdem konnte JS 1986 noch nicht in die Zukunft blicken und er hat womöglich sehr wohl auf einen Prozess in D spekuliert, wie seine unterschiedlichen Geständnisvarianten nahe legen.


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01.01.2020 um 16:38
Zitat von Cpt.GermanicaCpt.Germanica schrieb:und er hat womöglich sehr wohl auf einen Prozess in D spekuliert wie seinen unterschiedlichen Geständnisvarianten nahe legen.
Das hat er, sonst hätte er sich vor dem EGMR ja nicht gegen seine Auslieferung in die USA zu wehren versucht und in diesem Verfahren nicht erklärt, dass er keine Einwände gegen eine Überstellung nach Deutschland habe. Es gab ja nur diese beiden Möglichkeiten. Ein Strafverfahren in GB wäre von vornherein nicht in Betracht gekommen. Seine Rechtsbeistände werden ihm das genau erklärt haben. Er hat auf rechtlichem Wege alles versucht, um nicht in die USA zu müssen, und hat verloren.


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01.01.2020 um 18:06
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Doch. In der englischen Fassung ist die Umschreibung anders, dort ist die Rede von fraglichen Morden:
Vielen Dank! Wobei ich dabei bleibe, dass man bei der deutschen Übersetzung eben nicht nur auf den Wortlaut sehen sollte (der den Eindruck erweckt, das Gericht ginge von der Täterschaft Sörings aus), sondern die Stelle im Kontext sehen sollte, also systematisch auslegen muss.

Das englische Original bestätigt also meine Interpretation, dass nur der Mordvorwurf gemeint sein kann.


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Der Mensch Jens Söring

01.01.2020 um 20:52
Eigentlich ja wurscht weil Söring damals noch geständig war, bereits seit Jahren geständig war, mehrfsch gestanden hatte und seine Geständnisse auch glaubwürdig waren.

Dass die Geständnisse eines Tages nur ein - im Wortsinne - Kavaliersdelikt gewesen sein sollten war damals noch überhaupt nicht absehbar.

Jetzt dem EGMR oder dem Übersetzer ans Zeug flicken zu wollen, sorry, aber das sind weniger als Nebenkriegsschauplätze. Aber ich weiß schon, alles und jeder war schuld, nur nicht JS ...

Trotzdem: Wegen dem EGMR ist JS nicht verurteilt worden, und auch nicht wegen dessen Übersetzung ins Deutsche (Amtssprache in Virginia ist nicht deutsch).


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01.01.2020 um 21:22
Aus gegebenen Anlass möchte ich doch noch einmal auf den Artikel in der "Neuen Züricher" (NZZ) hinweisen, in dem kritisiert wird, dass die deutschen Medien Jens Söring als "Doppelmörder" titulieren.

https://www.nzz.ch/international/der-fall-jens-soering-deutschland-deine-moerder-deine-medien-ld.1531400 (Archiv-Version vom 01.01.2020)

Der Artikel geht meiner Ansicht nach jedenfalls teilweise fehl. Stellt sich schon die Frage, wer denn "die deutschen Medien" sind. Meint er BILD? Oder auch FAZ und SZ? Da wird m.E. Popanz aufgebaut.

Wenn der Autor weiter auf entlassene RAF-Terroristen hinweist, vergleicht er Äpfel mit Birnen. Denn "Terroristen", zumal solche der RAF, haben Morde begangen. Eine ganze Reihe, die sich in das kollektive Gedächtnis dieser Republik eingebrannt haben. Das ist so sonnenklar, dass man nicht zwingend erwähnen muss, dass Christian Klar, Birgit Hogefeld oder Jürgen Peter Book nicht nur "Tatbeteiligte" waren, sondern auch Taten ausgeführt haben. Zumindest Book hat auch selbst zugegeben, an der Schleyer-Entführung beteiligt gewesen zu sein, indem er einer derjenigen war, die das Feuer auf die Wagenkolonne Schleyers eröffnet haben.

Dagegen kennt die Republik weder Jens Söring noch seine Opfer in den USA. Insofern ist es relativ sinnvoll, wenn in der Meldung erwähnt wird, dass er wegen eines Doppelmordes in den USA verurteilt wurde. Und nicht wegen Ladendiebstahl oder Beleidigung des Präsidenten. Anderes gilt vielleicht für Kampagnen der BILD, aber dieses Blatt ist noch nicht "die deutschen Medien".


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Der Mensch Jens Söring

01.01.2020 um 21:37
Zitat von monstramonstra schrieb:Der Artikel geht meiner Ansicht nach jedenfalls teilweise fehl
oh ja, das geht er in der Tat. Schon alleine die Aussage, er sei lediglich wegen des Geständnisses verurteilt worden ist eine bodenlose Frechheit.

Der Vergleich mit Terroristen sowieso.

Seine Unterstützer können es nicht akzeptieren, dass man JS nicht als Held ansieht bzw. ihn bemitleidet.

Eine zweite Chance hat er bekommen. Er soll sie nur Weise nutzen. Ich denke, dann wird ihn auch niemand mehr auf seine Vergangenheit ansprechen. Wenn er denkt, sich in die Öffentlichkeit drängen zu müssen, dann muss er eben auch mit kritischen Stimmen rechnen. Wie alle anderen eben auch. Nicht nur ehemalige verurteilte Doppelmörder.


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01.01.2020 um 21:52
Zitat von monstramonstra schrieb:Der Artikel geht meiner Ansicht nach jedenfalls teilweise fehl
So ist es. Es ist ein Gastbeitrag der Tochter der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof. Deshalb wohl auch der unpassende Bezug zu Terrorist B.
Auf jeden Fall journalistisch stümperhaft. Hätte man sich sparen können.


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Der Mensch Jens Söring

01.01.2020 um 22:12
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:und die Öffentlichkeit hätte nie von der absurden Alternativgeschichte (die seinen Besitz von zwei Kinokarten erklären musste) erfahren.
Laut "Mortal Thoughts" (Kapitel 11/Seite 178) hatte sein Vater diese gefunden, dem gegnerischen Anwalt gefaxt und dadurch war publik geworden, dass er zwei Tickets gekauft hatte. Wäre das nicht passiert und er hätte 1 Ticket präsentiert, hätte er sich vielleicht rausreden können? (Nein, eigentlich nicht.)

An andere "Newbies" wie mich: Ich habe mir für 4,53 € die Kindle-Version von "Beyond Reason" gekauft und sie gestern und heute komplett durchgelesen. Wer noch zögert, das Buch zu kaufen: Macht es. Man kriegt die ganze Geschichte kompakt präsentiert. Vor allem versucht der Autor Ken Englade die Verstrickung Elizabeths zu beleuchten.

Schon Ken Englade fällt nämlich auf, dass JS seine Freundin EH komplett aus seinen Geständnissen heraushält. (Kapitel 28)

Am 18.12.1986 schrieb JS im Gefängnis an Elizabeth, hier zitiert Englade in indirekter Rede:
"The charges against her, Jens said, cound not be made more severe, and despite how grim it might look, the situation was completely under control. It was a puzzling statement, and Elizabeth could only believe that Jens was confused and operationg under the impression that she was charged with second degree rather than first degree murder." ("Beyond Reason", Kapitel 35) --> Was soll das bedeuten? Er hatte doch schon alles gestanden. Wie konnte er schreiben, er hätte die Situation unter Kontrolle? Vielleicht hatte er sie unter Kontrolle, weil er ihre Beteiligung komplett rausgelassen hatte, spekuliere ich.

Am Ende des Buchs schreibt Ken Englade über EH, dass ihre Briefe an Jens "fare more explizit than she was willing to admit" waren. Aufgrund von U.S. copyright Laws kann er ihre Briefe im Buch nur teilweise wiedergeben, da das Zitieren aus "previous unpublished writing" verboten ist, selbst wenn es sich um Gerichtsunterlagen handelt. ("Beyond reason", Nachwort).

So interessant ich den "Weihnachtsbrief" von guiltyascharged auch finde ... die Veröffentlichung verstößt doch dann auch gegen diese Gesetze? Ich finde es absolut unredlich, diese im Internet zu veröffentlichen und daraus sogar im Blog Schlussfolgerungen zu ziehen, wenn die Leser das vorausgehende Gegenstück nicht kennen.

Ken Englade hält auch nicht hinter dem Berg mit seiner Einschätzung, dass sich EH in ihrer eigenen Verhandlung als "Märtyrerin" präsentiert hat (lange wallende Kleider, lange Haare, Blick nach unten gerichtet). Wie kann man dann im guiltyascharged-Blog aus ihren Aussagen zitieren, wenn es darum geht, wer was an welchem Abend gemacht hat (Kino-Alibi)?

Das ist doch sowieso alles von vorne bis hinten erstunken und erlogen, da es EH nur darum ging, ihre Komplizenschaft VOR der Tat zuzugeben. Nach der Tat will sie ganz unschuldig im Kino gesessen und "The Rocky Horror Picture Show" gesehen haben.

(Wie soll man sich das vorstellen? Sie sitzt ganz ruhig im Kino, zählt die Minuten und denkt: 'Ach, jetzt könnte der Jens ja mal zurückkommen, jetzt gehe ich mal an die Straßenecke und warte auf ihn. Ist das glaubwürdig?) James Updike hatte auch so seine Zweifel, aber da es für die Strafe letztendlich keine Rolle spielte, hat er irgendwann nicht mehr weiter nachgebohrt, weil sie sowieso immer wieder eine andere Geschichte präsentierte.

Und natürlich war sie emotional total abhängig vom armen Jens, der eigentlich SIE manipulierte und sie in der Nacht der Beerdigung zum ersten Mal penetrierte, weil er erst dann einen hochkriegte, nachdem er ihre Eltern gekillt hatte. Vielleicht ist in ihrem "I got off on it." doch ein Körnchen Wahrheit.

Da hatten sich einfach zwei gefunden.


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Der Mensch Jens Söring

01.01.2020 um 22:30
Die Feststellung dürfte nicht übertrieben sein, dass der linksradikale Terror, der in Deutschland Anfang der 1970er Jahre begann, ohne die Unterstützung der Leitmedien und vieler prominenter Mitglieder der Society undenkbar gewesen wäre. Die Medien hatten ihre terroristischen Mörder, wenn auch mit abnehmender Tendenz, ordentlich lieb.
Diese Argumentation aus dem Artikel der nzz muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Die "Leitmedien" und irgendwelche Promis aus der Society waren also am RAF-Terror schuld und haben die Morde der RAF verniedlicht, aha. Und dieselben Medien haben nun Söring nicht lieb, weil sie - beileibe nicht alle - ihn "Doppelmörder" tituliert haben?

Also erstens mal haben die Medien damals die Mörder der RAF nicht "unterstützt", indem sie ihnen Beifall geklatscht und zum Weitermachen aufgefordert haben. Es wurde damals sehr wohl differenziert zwischen der Ideologie der RAF (die durchaus viele teilten), und ihren Taten, die ganz gemeine feige Morde waren. Die mediale Zustimmung war durchaus groß, als der damalige Bundespräsident Köhler den verurteilten Christian Klar nicht begnadigt hat, weil der weiterhin völlig uneinsichtig und ohne Reue war.

Zweitens hat Söring keinen Anspruch darauf, dass ihn Medien liebhaben. Wie @monstra
zutreffend schreibt, kannte in Deutschland bis auf Eingeweihte den Mann vor seiner Ankunft so gut wie niemand. Es dient der Information, wenn Medien, die über ihn berichten, erklären, weshalb er in den USA verurteilt worden ist. Bei prominenten ehemaligen RAF-Terroristen muss das niemand erklären.


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Der Mensch Jens Söring

01.01.2020 um 22:33
@Melusine
Interpretiert Ken englade denn nicht genauso wie der Blogschreiber? Warum ist dieses deiner Meinung nach glaubwürdiger?
Das Buch ist kein Tatsachenbericht sondern ein Roman. In dem KR selbst die Gedanken von DH und NH zu erraten scheint.


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