Tiergarten schrieb:Ich schließe aus all dem, dass der ominöse Autor des Briefes keineswegs um eine Aufklärung des Verbrechens und um eine Ergreifung des Täters bemüht ist. Wer der Polizei wirklich helfen will, stellt ihr nicht derart erpresserische Bedingungen.
Das sehe ich genauso. Und wenn ich jetzt die Passagen, die Du da rausgesucht hast, so geballt hintereinanderweg anschaue, dann wird für mich umso deutlicher, wie dreist und fordernd der Ton des Briefeschreibers doch tatsächlich ist. Ich fand den Brief von Anfang an schon sehr fordernd formuliert, aber durch die eingeschobenen erzählenden Passagen, die ja im Prinzip eine Art Begründung und Rechtfertigung der Forderungen darstellen, wirkt das ganz natürlich etwas aufgelockert. Liest man die Passagen, in denen der Schreiber Infos fordert, aber so hinterheinander weg, wird einem das noch mal viel klarer.
Tiergarten schrieb:Statt um Aufklärung geht es dem Schreiber meiner Ansicht nach eher um Abklärung: Was weiß die Polizei? Verfügt sie über DNA vom Täter? Sind solche Spuren erst jetzt mit neuen Methoden auswertbar? Kann die Neuaufnahme der Ermittlungen in diesem Cold Case für den Mörder gefährlich werden?
Genauso empfinde ich das auch. Da wo er scheinbar konkret wird, handelt es sich bei genauerem Hinsehen doch wieder nur um viel Blabla. Kommt einem fast wie ein Kleinkind vor, das "Ätsch, ich weiß was!" sagt und dann immer nur so kleine Andeutungen macht, um das Pfund, mit dem es wuchert, schwergewichtiger zu machen.
Tiergarten schrieb:Das alles -nicht plump gefragt, sondern zur Tarnung in eine phantasievolle Geschichte um einen sterbenden Verwandten verpackt- dürfte vor allem einen brennend interessieren: den Täter.
Ja, zu der Schlussfolgerung tendiere ich ja auch.
Für mich wäre das auch eine Erklärung, warum die Polizei jetzt den gesamten Brief veröffentlicht. Würde sie die in dem Brief erzählte Story 100% glauben, müsste sie zumindest Sorge haben, dass der Täter den Schreiber bzw. die darin beschriebene Person des Verwandten erkennt und tatsächlich "Rache" nimmt. Das hätte man umgehen können, in dem man z.B. bestimmte Passagen weglässt oder Details schwärzt. Aber es ist alles veröffentlicht worden, insofern denke ich, dass die Polizei mittlerweile auch davon ausgeht, dass sie Story ein Fake ist.
Tiergarten schrieb:Der Briefautor knüpft die Preisgabe weiterer Angaben zum Täter an die Bedingung, dass die Polizei mitteilt, ob sie DNA vom Mörder sicherstellen konnte.
Er versucht hier eindeutig einen Kuhhandel: "Wenn Ihr mir die Info gebt, die ich haben will, sag ich Euch, was ich weiß." Er mildert das ab, in dem er einen altruistischen Grund nennt (angeblich hat er Sorge, jemanden zu Unrecht zu beschuldigen, was nicht so schlimm wäre, wenn man DNA hätte und damit unschuldige schnell als unschuldig erkennen könnte); aber ich sehe das als vorgeschoben an. Ein Winkelzug, den er für schlau hält, der aber leicht zu durchschauen ist.
Das ganze geht auch in meinen Augen sehr deutlich in Richtung Erpressung, auch wenn es so nicht offenkundig formuliert ist und er ja keine Drohgebärden macht. Aber angesichts der Tatsache, dass es hier um den Mord an einer jungen Frau geht und dass der Empfänger des "Angebotes" die Polizei ist, sehe ich das schon als ziemlich dreiste Geste, die so niemand machen würde, dem tatsächlich an der Aufklärung eines Verbrechens gelegen ist.
Füchschen schrieb:Wenn der Verfasser des Briefes mit dem Täter identisch ist, dann ist der Täter extrem aufmerksamkeitsheischend.
Füchschen schrieb:Der Mörder von Claudia führte 45 Jahre ein Leben im Versteck und plötzlich wird er medienbesessen?
Nein, auch da sehe ich es wie
@Tiergarten:
Tiergarten schrieb:Deswegen ist er doch nicht gleich „medienbesessen“.
Außerdem: Er hätte ja ein konkretes Anliegen gehabt. Aufgescheucht von den neu angelaufenen Ermittlungen in diesem Mordfall, wollte er demnach auf möglichst unverfängliche Weise herausfinden, wie der Stand der Ermittlungen ist, ob die Polizei Verdächtige im Auge hat und über täterrelevantes DNA-Material verfügt.
In meinen Augen ist das einfach ein Versuch, einen Kommmunikationskanal zu schaffen. Er will ja schließlich Infos, wie soll ihm die Polizei die mitteilen, wenn er gleichzeitig anonym bleiben will? Wenn das über die Lokalpresse gehen sollte, wäre die Gefahr, dass die Info als Randnotiz untergeht. Vielleicht wohnt der Schreiber ja auch gar nicht in der Region und kann ja schlecht schreibern: "Veröffentlichen Sie einen Artikel zu dem Fall im Buxterhuder Tageblatt, aus dem hervorgeht, ob Sie DNA haben und ob meine vermutungen zum Täter zutreffen."
XY ist überregional, es ist kaum zu übersehen oder zu verpassen, wenn der Fall da erwähnt wird, weil er eben dann auch oft von mehreren Zeitungen aufgegriffen wird und weil man sich die Sendung auch noch ein paar Tage in der Mediathek anschauen kann.
Mit Medienbesessenheit und Suche nach Aufmerksamkeit hat das meiner Meinung nach nichts zu tun.