Kielius schrieb:Selbstverständlich möge sich jeder seine eigene Einschätzung davon machen, wie wahrscheinlich es ist, dass 45 Jahre nach der Tat ein Mörder, dem die Kripo niemals auf die Spur kam und der heute ein alter Mann ist, plötzlich ünüberlegte, für ihn höchstens nachteilige Dinge tun soll, weil sein Fall von den Ermittlern noch einmal aufgerollt wird.
Sagen wir mal so: Diese ganzen Cold-Case-Ermittlungen sind doch immer von einer eifrigen Pressearbeit begleitet, d. h. das wird groß aufgezogen wenn eine entsprechende Einheit gebildet wird und diese Berichterstattung wird dann von der betriebsamen True-Crime-Industrie aufgegriffen.
Das ist ja auch richtig so, weil es dazu beiträgt, dass diese Fälle wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit kommen.
Und natürlich werden die Fälle, in denen man dann Erfolg hat, in den Medien auch rauf und runter genudelt. Auch verständlich, weil es interessant ist und weil damit klar gemacht wird, dass man sich auch um solche Fälle kümmert und dass moderne Techniken da weiterhelfen können.
Nur: Alle diese Fälle, in denen eben nichts dabei herauskommt und in denen man keinen Erfolg hat, die werden eben nicht so groß medial verbreitet.
Das führt nun aber dazu, dass scheinbar einige Leute glauben, man müsste nur lange genug mit irgendwelchen "Profilern" und pensionierten Kriminalkommissaren an einem beliebigen Altfall herumermitteln und dann würde man jeden Fall auch nach Jahrzehnten noch lösen können.
So ist das aber nicht. Wenn es keine Spuren gibt, dann gibt es keine Spuren und die kann man auch nicht mit irgendwelchen tollen neuen Techniken herbeizaubern. Und auch ein Fallanalytiker kann sich nicht jede beliebige Akte angucken und dann den Namen des Täters nennen. Und eine Isotopenanlyse oder das Herumsuchen in irgendwelchen Ahnenforschungs-Datenbanken liefert einem auch keine Adresse wo das unbekannte Opfer gewohnt hat, nur um mal einige der beliebten Beispiele zu nennen die man hier in diversen Diskussionen gerne als Wundermittel ansieht.
Und wenn es Spuren gibt, dann nützen die eben auch nur etwas, wenn man sie einsetzen kann.
Nehmen wir mal an unser Mörder hier hat tatsächlich DNA-Spuren hinterlassen. Dann ist es für ihn völlig folgenlos, solange die Ermittler nicht vor seiner Tür stehen mit einem richterlichen Beschluss, eine Probe nehmen zu dürfen.
Denn dass sein Profil in einer Datenbank gespeichert ist, kann man ausschließen, da dann ja schon längst die Ermittler vor seiner Tür gestanden hätten. Und zwar noch bevor der ganze Fall in die Öffentlichkeit gebracht wurde. Dann hätte er keinen anonymen Brief mehr schreiben müssen.
Und umgekehrt ist es Blödsinn, nach dem Vorhandensein von DNA-Material zu fragen, weil, selbst wenn der Täter die Antwort bekommt "ja, haben wir" was soll er denn dann machen? Da kann er nichts machen außer das zu tun, was er 45 Jahre lang getan hat: Die Füße still halten. Er kann ja nicht mal spontan seine DNA ändern, damit bei einem Test keine Übereinstimmung mehr gefunden wird.
Das heißt: Er geht mit dieser Frage in einem anonymen Brief ein völlig unnötiges Risiko ein, das ihm, selbst wenn er eine Antwort erhält, nichts, aber auch gar nichts bringt. Sondern im Gegenteil das Risiko erwischt zu werden nur erhöht.
Vielleicht ist es am Ende doch so, dass dieser Brief von einem Spinner stammt. Nur weil man den Verfasser (nachdem er sich nicht mehr meldet) jetzt nicht mehr als den großen Helden sehen kann, der wirklich helfen will, muss man ihn auch nicht zum Täter erklären, blos damit dieser Brief dann irgendwie auf Teufel komm raus doch eine Bedeutung für den Fall hat. Da halte ich es dann doch für wahrscheinlicher, dass der Brief leider, leider eben doch von einem Spinner stammt.