Also an diese falsche Stasi-Identität der Untergetauchten glaube ich einfach nicht. Zum einen sind ja nach dem Mauerfall zehn RAF-Mitglieder der zweiten Generation aufgeflogen und wurden von den DDR-Behörden an die Bundesrepublik ausgeliefert, zum anderen gab es ja bereits davor Probleme mit diesen falschen Identitäten, sodass mindestens drei von ihnen von DDR-Bürgern erkannt wurden und eine neue Legende brauchten und den Wohnort wechseln mussten. Darüber hinaus wurden sie permanent von der Stasi überwacht und es existieren Akten zum gesamten Ablauf. Wären Staub, Klette und Garweg von der Stasi mit einer falschen Identität ausgestattet worden, dann gäbe es dazu doch sicherlich auch Aktenvermerke. Dass es da scheinbar nichts gibt bzw. es so wirkt, als wüsste das BKA nichts von Tarnidentitäten der drei, bedeutet also entweder, dass sie unglaubliches Glück hatten und der MfS diese Akten in der Wendezeit restlos geschreddert hat, oder dass es einfach nicht stattgefunden hat. Ich denke da eher an letzteres.
Dazu schreibt auch Straßner in seiner Dissertation zur dritten Generation der RAF und den Beziehungen zur DDR:
Nicht zuletzt war die nun auch bei der Stasi Einzug haltende dürftige Materiallage auf ein tatsachliches Abkühlen der beiderseitigen Beziehungen spätestens im Jahr 1984 zurück zu fuhren. Zum einen war das "Mai-Papier" mit seiner Propagierung der "antiimperialistischen Front" den führenden Offizieren der Staatssicherheit nicht mehr zu vermitteln, zum anderen war die DDR angesichts ihrer seit Mitte der siebziger Jahre stark gestiegenen internationalen Reputation massiv an westdeutscher Wirtschaftshilfe interessiert. Nachweisliche Beziehungen zur RAF hatten diesen Bestrebungen diametral entgegen gestanden. Hauptsachlich aber war es die Praxis der dritten Generation, welche den v611igen Bruch der einstmals symbiotischen Verbindung besiegelte. Als bekannt wurde, dass der Mord an dem Soldaten Pimental tatsachlich einem RAF-Kommando zuzuschreiben war, verkündete Major Zaumseil den in der DDR Untergetauchten, dass von nun an kein Mitglied der RAF mehr das "Privileg" zum Ausstieg in die DDR genießen werde.
Dagegen sprechen in meinen Augen auch die vielen Überfälle. Wenn sie doch eine solche Tarnidentität wie anderen RAF-Aussteiger in der DDR erhalten hätten, dann käme die mit Ausbildungsgeschichte und Erwerbsbiographie daher, die ihnen die Möglichkeit gegeben hätte, von staatlichen Hilfen zu leben. In meinen Augen würde es da keinen Sinn machen in diesem Umfang Überfälle zu begehen, die ein enormes Entdeckungsrisiko beinhalten. Klar, könnte es sein, dass die drei Gefallen an solchen Aktionen gefunden haben - es ist ja auch nicht von der Hand zu weisen, dass sie darin sehr gut sind. Ich denke jedoch, dass Bad Kleinen extrem knapp für Klette und Staub war, der Tod von Grams von ihnen als staatlicher Mord gelesen wurde und sie davon ausgingen, dass das ein Schicksal wäre, was auch ihnen zu Teil werden könnte, wenn sie erwischt werden. Immerhin ist auch die sog. Todesnacht von Stammheim seit jeher aus der Perspektive der RAF eine Erzählung vom staatlichen Mord gewesen, in Bekennerschreiben taucht dieses Motiv auch immer wieder auf. Daher ist der Schritt keine Anschläge mehr durchzuführen und letztlich die RAF fünf Jahre später offiziell aufzulösen auch ein Schritt des Selbsterhalts. Im Angesicht dessen trotzdem noch gefährliche Aktionen durchzuführen spricht für mich also eher dafür, dass es keine "offiziellen" Tarnidentitäten gibt und sie keine Möglichkeit haben, anders an Geld zu kommen.