Mordfall Daniela Kammerer - Innsbruck 2005
29.10.2019 um 21:55@nephilimfield
Wie genau es in diesem Fall zu dazu kam weiß ich natürlich nicht, aber ich gehe mal stark davon aus, dass wenn man die Akten kennen würde, es schlüssig wäre und den „Sinneswandel“ des CCMs nachvollziehen könnte.
Ich denke auch, dass hier schon ein paar mal ganz gut diskutiert wurde und das mit folgenden Erklärungen unterstreichen.
Könnte länger werden was nun folgt, aber ich möchte ganz generell mal ein paar Dinge sagen, die ich aus meiner Erfahrung kenne und man sich auch durchaus in diesem Fall vorstellen könnte...
Ich habe mich am Anfang meines Studiums ziemlich intensiv mit dem Thema Augenzeugen beschäftigt. Es handelte sich dabei nur um eine Bachelor Arbeit, mein Spezialgebiet ist es also nicht.
Mittlerweile weiß wohl jeder, dass Augenzeugen nicht mehr das Nonplusultra sind. Früher war das jedoch ganz anders, wahrscheinlich auch, weil die Technologie (zB. DNA, Handyortung, etc.) noch nicht gegeben war und somit Augenzeugen eben das einzige waren um vor Gericht überhaupt etwas beweisen zu können.
Nichtsdestotrotz, Augenzeugen sind immer noch ein wichtiger Bestandteil aber mittlerweile bewertet man ihre Aussagen anders und sie bekommen eine andere Gewichtigkeit.
Studien haben viel dazu beigetragen und interessante Dinge über Augenzeugen, deren Befragung und den daraus resultierenden Aussagen ans Licht gebracht.
Was passiert wenn man - um es auf diesen Fall mal zu beziehen - jemandem ein Foto vom Opfer zeigt und fragt „haben Sie diese Frau auf einem Fahrrad gesehen?“.
Dies ist ein suggestive Frage! Ist sie fasch, schlampig? Nein, es war durchaus schlüssig, auch wenn sie nicht 100% geschickt war IM NACHHINEIN!
(Hätte man beispielsweise einen roten VW am Tatort vorgefunden der dem Opfer zugeordnet werde hätten können, so hätten die Ermittler logischerweise erstmal Zeugen gesucht und befragt, ob sie das Opfer bzw. einen roten VW gesehen haben. Wenn sich dann aber im Nachhinein herausstellt, dass der rote VW zwar dem Opfer gehört aber zum fraglichen Zeitpunkt ein beispielsweise schwarzer Mazda eine Rolle spielte, dann hat man nun ein riesiges Problem! **Ein gutes Beispiel dafür ist übrigens der Uber Killer von Kalamazoo aus dem Jahr 2016. **
Wie im oben beschriebenen Szenario, kommt man also erst viel später zur Erkenntnis, dass das Opfer zum fraglichen Zeitpunkt also nun im schwarzen Mazda war, der rote VW nur eine untergeordnete Rolle spielt. Katastrophe- was nun mit den bereits getätigten Zeugenaussagen tun? Das suggestive Fragen von damals wird nun zum Problem. Einerseits hat man mit der Frage eine FRAU impliziert, ebenso eine Art Fortbewegungsmittel (Auto), eine Automarke (VW) und eine Frage (rot).
Jetzt werden manche sagen, na bitte, so blöd ist doch keiner, ich weiß doch ob ich eine Frau in einem roten VW fahren oder - überspitzt gesagt - einen Mann krabbeln gesehen hab. Aber so ist es leider nicht. Mit einer suggestiven Frage, schleicht sich leider sofort, bei vielen, ein false memory ein. Der Schaden ist erheblich!!!
Kurze Rede, langer Sinn - ob es jemals jemanden gab der Daniela, und dann auch noch zum fraglichen Zeitpunkt, WIRKLICH auf einem Fahrrad gesehen hat, kann man nicht sagen.
Es könnte sich um
* einen vorherigen Zeitpunkt handeln (nicht bei dem Zeugen aus dem ORF Interview, aber es gab ja angeblich noch andere)
* eine völlig andere Person gehandelt haben (völlig unbeteiligte(r), oder den Tatverdächtigen)
* es ist ein zu 100% false memory, sprich Hirngespinst (nicht falsch verstehen, ich unterstelle niemandem etwas, ich zeige es nur als Möglichkeit auf!) entweder durch suggestive Fragestellung oder Wichtigmacherei.
Selbiges gilt aber auch für eine gehende Daniela!
Da man aber ja gleich zu Beginn von einer fahrenden Daniela ausging, somit sich sicher nicht nach einer gehenden Daniela, da dies erst später ins Spiel kam, kann man eher nicht von einer suggestiven Fragestellung diesbezüglich ausgehen. (Sprich, vorstellbar dass nach einer fahrenden Daniela suggestiv gefragt wurde, eine gehende Daniela aber spontan von Zeugen kam)
In den Akten waren möglicherweise Zeugenaussagen ganz vom Anfang vermerkt, die von einer gehenden Daniela berichten und im heutigen Licht, wegen oben angeführter Gründe, durchaus plausibler erscheinen.
(Fiktives Beispiel: es kann sein, dass sich damals sehr zeitnah Zeugen gemeldet haben, die das Opfer in der fraglichen Nacht in einer Bowlingbahn gesehen haben. Alle Recherchen in diese Richtung verliefen aber im Sand, man stellt fest, sie kann nicht dort gewesen sein, weil es einfach keine Anhaltspunkte zu ermitteln gab. Viele Jahre später wird dann ein blutiger Bowlingschuh mit der DNA vom Opfer gefunden und schwups, ist der Zeuge aus der Bowlingbahn doch wieder im Spiel und hatte allem Anschein nach recht. Was ist nun mit all den anderen Zeugen?! Ein Puzzle das die Polizei nun auseinander nehmen und neu zusammensetzen muss.)
Ich entschuldige mich für dieses ewig lange Post und hoffe es ist beim Lesen keiner eingeschlafen! ;)
Meine elend lange Erklärung bezieht sich fast zum größten Teil nur auf suggestives Fragen und false memory.
Dies ist NUR ein Punkt der die Probleme mit Augenzeugen zeigt. Es gibt aber noch viele mehr, ebenfalls viele die auch in diesem Fall zutreffen könnten, aber ich denke, dass würde den Thread sprengen! ;)
Fazit: der „Sinneswandel“ des CCMs mag durchaus merkwürdigen auf manche wirken, aber ich kann dem nicht beipflichten. Das alles ist meiner Erfahrung nach völlig normal (nicht nur in cold cases) und zeugt eher davon, dass die neuen Ermittler sich wirklich reingehängt haben. Ich gehe persönlich und meiner Erfahrung danach aus, dass man den neuesten Erkenntnissen des CCMs „vertrauen“ und es als Fakt in diesem Fall übernehmen kann.
Wie genau es in diesem Fall zu dazu kam weiß ich natürlich nicht, aber ich gehe mal stark davon aus, dass wenn man die Akten kennen würde, es schlüssig wäre und den „Sinneswandel“ des CCMs nachvollziehen könnte.
Ich denke auch, dass hier schon ein paar mal ganz gut diskutiert wurde und das mit folgenden Erklärungen unterstreichen.
Könnte länger werden was nun folgt, aber ich möchte ganz generell mal ein paar Dinge sagen, die ich aus meiner Erfahrung kenne und man sich auch durchaus in diesem Fall vorstellen könnte...
Ich habe mich am Anfang meines Studiums ziemlich intensiv mit dem Thema Augenzeugen beschäftigt. Es handelte sich dabei nur um eine Bachelor Arbeit, mein Spezialgebiet ist es also nicht.
Mittlerweile weiß wohl jeder, dass Augenzeugen nicht mehr das Nonplusultra sind. Früher war das jedoch ganz anders, wahrscheinlich auch, weil die Technologie (zB. DNA, Handyortung, etc.) noch nicht gegeben war und somit Augenzeugen eben das einzige waren um vor Gericht überhaupt etwas beweisen zu können.
Nichtsdestotrotz, Augenzeugen sind immer noch ein wichtiger Bestandteil aber mittlerweile bewertet man ihre Aussagen anders und sie bekommen eine andere Gewichtigkeit.
Studien haben viel dazu beigetragen und interessante Dinge über Augenzeugen, deren Befragung und den daraus resultierenden Aussagen ans Licht gebracht.
Was passiert wenn man - um es auf diesen Fall mal zu beziehen - jemandem ein Foto vom Opfer zeigt und fragt „haben Sie diese Frau auf einem Fahrrad gesehen?“.
Dies ist ein suggestive Frage! Ist sie fasch, schlampig? Nein, es war durchaus schlüssig, auch wenn sie nicht 100% geschickt war IM NACHHINEIN!
(Hätte man beispielsweise einen roten VW am Tatort vorgefunden der dem Opfer zugeordnet werde hätten können, so hätten die Ermittler logischerweise erstmal Zeugen gesucht und befragt, ob sie das Opfer bzw. einen roten VW gesehen haben. Wenn sich dann aber im Nachhinein herausstellt, dass der rote VW zwar dem Opfer gehört aber zum fraglichen Zeitpunkt ein beispielsweise schwarzer Mazda eine Rolle spielte, dann hat man nun ein riesiges Problem! **Ein gutes Beispiel dafür ist übrigens der Uber Killer von Kalamazoo aus dem Jahr 2016. **
Wie im oben beschriebenen Szenario, kommt man also erst viel später zur Erkenntnis, dass das Opfer zum fraglichen Zeitpunkt also nun im schwarzen Mazda war, der rote VW nur eine untergeordnete Rolle spielt. Katastrophe- was nun mit den bereits getätigten Zeugenaussagen tun? Das suggestive Fragen von damals wird nun zum Problem. Einerseits hat man mit der Frage eine FRAU impliziert, ebenso eine Art Fortbewegungsmittel (Auto), eine Automarke (VW) und eine Frage (rot).
Jetzt werden manche sagen, na bitte, so blöd ist doch keiner, ich weiß doch ob ich eine Frau in einem roten VW fahren oder - überspitzt gesagt - einen Mann krabbeln gesehen hab. Aber so ist es leider nicht. Mit einer suggestiven Frage, schleicht sich leider sofort, bei vielen, ein false memory ein. Der Schaden ist erheblich!!!
Kurze Rede, langer Sinn - ob es jemals jemanden gab der Daniela, und dann auch noch zum fraglichen Zeitpunkt, WIRKLICH auf einem Fahrrad gesehen hat, kann man nicht sagen.
Es könnte sich um
* einen vorherigen Zeitpunkt handeln (nicht bei dem Zeugen aus dem ORF Interview, aber es gab ja angeblich noch andere)
* eine völlig andere Person gehandelt haben (völlig unbeteiligte(r), oder den Tatverdächtigen)
* es ist ein zu 100% false memory, sprich Hirngespinst (nicht falsch verstehen, ich unterstelle niemandem etwas, ich zeige es nur als Möglichkeit auf!) entweder durch suggestive Fragestellung oder Wichtigmacherei.
Selbiges gilt aber auch für eine gehende Daniela!
Da man aber ja gleich zu Beginn von einer fahrenden Daniela ausging, somit sich sicher nicht nach einer gehenden Daniela, da dies erst später ins Spiel kam, kann man eher nicht von einer suggestiven Fragestellung diesbezüglich ausgehen. (Sprich, vorstellbar dass nach einer fahrenden Daniela suggestiv gefragt wurde, eine gehende Daniela aber spontan von Zeugen kam)
In den Akten waren möglicherweise Zeugenaussagen ganz vom Anfang vermerkt, die von einer gehenden Daniela berichten und im heutigen Licht, wegen oben angeführter Gründe, durchaus plausibler erscheinen.
(Fiktives Beispiel: es kann sein, dass sich damals sehr zeitnah Zeugen gemeldet haben, die das Opfer in der fraglichen Nacht in einer Bowlingbahn gesehen haben. Alle Recherchen in diese Richtung verliefen aber im Sand, man stellt fest, sie kann nicht dort gewesen sein, weil es einfach keine Anhaltspunkte zu ermitteln gab. Viele Jahre später wird dann ein blutiger Bowlingschuh mit der DNA vom Opfer gefunden und schwups, ist der Zeuge aus der Bowlingbahn doch wieder im Spiel und hatte allem Anschein nach recht. Was ist nun mit all den anderen Zeugen?! Ein Puzzle das die Polizei nun auseinander nehmen und neu zusammensetzen muss.)
Ich entschuldige mich für dieses ewig lange Post und hoffe es ist beim Lesen keiner eingeschlafen! ;)
Meine elend lange Erklärung bezieht sich fast zum größten Teil nur auf suggestives Fragen und false memory.
Dies ist NUR ein Punkt der die Probleme mit Augenzeugen zeigt. Es gibt aber noch viele mehr, ebenfalls viele die auch in diesem Fall zutreffen könnten, aber ich denke, dass würde den Thread sprengen! ;)
Fazit: der „Sinneswandel“ des CCMs mag durchaus merkwürdigen auf manche wirken, aber ich kann dem nicht beipflichten. Das alles ist meiner Erfahrung nach völlig normal (nicht nur in cold cases) und zeugt eher davon, dass die neuen Ermittler sich wirklich reingehängt haben. Ich gehe persönlich und meiner Erfahrung danach aus, dass man den neuesten Erkenntnissen des CCMs „vertrauen“ und es als Fakt in diesem Fall übernehmen kann.