Menedemos schrieb:Denn Tatsache ist doch: Hier ist etwas SEHR Ungewöhnliches geschehen. Und niemand versteht den Fall
Ungewöhnlich, und das ist, denke ich, wichtig auseinanderzuhalten, ist
nicht das Verbrechen selbst, ungewöhnlich zu nennen ist bestenfalls
das Nachtatverhalten des Täters. Dieser Unterschied erscheint mir deshalb bedeutend, weil sich ein großer Teil der, undifferenziert betrachtet,
großen Rätselhaftigkeit, in Luft auflöst, wenn man zwischen einer rätselhaften
Tat und einem, auf den ersten Blick, rätselhaften
Täter zu unterscheiden weiß. - Und wie rätselhaft sind Täter und Nachtatverhalten eigentlich noch, wenn man beginnt, sich beides zu
er- anstatt zu
verklären. Mal sehen...
Wozzeck schrieb:Ein Raubmord - und dieser ist wenigstens nicht völlig unwahrscheinlich - wäre jedenfalls ebenso wenig ungewöhnlich wie das Szenario, dass ich vor einigen Seiten vorgeschlagen habe.
In dem angesprochenen
Szenario bin ich zwar davon ausgegangen, dass das Verbrechen
nicht finanziell motiviert war, aber ich habe auch betont, dass es meines Erachtens wahrscheinlich ist, dass die Morde
zur Verdeckung einer vorangegangenen Tat verübt wurden. Mein Beispiel war eine Vergewaltigung; Raubmord wäre ein anderes plausibles Szenario - Vielleicht sollte man, wegen des verlorenenen Gelds und den hohen Taxikosten, nicht vorschnell darauf schließen, dass es sich
nicht um Raub und Mord gehandelt haben könne?
Insbesondere die Ermittlungsbehörden halten einen Raubmord offenbar für nicht ganz unwahrscheinlich - hier einige Beispiele aus der Berichterstattung: "
Die Ermittler vermuten, dass der Täter das Paar womöglich ausrauben wollte - die Holländer hatten eine größere Reisekasse mit Bargeld in verschiedenen Währungen dabei. Dann sei die Situation vielleicht eskaliert."
(
http://www.infranken.de/regional/nuernberg/20-Jahre-nach-Doppelmord-in-Traunstein-Polizei-jagt-weiter-den-Taeter;art88523,2706577)
(
fast wortgleich auch in:
Quelle)
"
Nach Sichtung aller Fakten weist vieles darauf hin, dass die Langendonks einem Raubüberfall zum Opfer fielen. Dafür spricht, dass im Wohnmobil kein Pfennig Geld und kein einziges Schmuckstück gefunden wurde."
(
Quelle)
"
Es wurde deutlich, dass die Touristen aus Twente mit osteuropäischer Munition erschossen, mit Messern bearbeitet und ausgeraubt wurden."
(
Wel werd duidelijk dat de Twentse toeristen zijn doodgeschoten met Oost-Europese munitie, met messen zijn bewerkt en beroofd. Quelle)
Aus den Presseberichten über die Arbeit der Ermittler lässt sich also klar schließen, dass deren bevorzugtes Szenario ein Raubmord darstellt. - Welche interessanten Erkenntnisse lassen sich eigentlich noch aus der Presse bzw. den veröffentlichten Polizeierklärungen ziehen?
z.B. die GeigeDie Geige wird in kaum einer Pressemitteilung überhaupt erwähnt, eine der wenigen Ausnahmen ist der folgende Artikel, in dem es heißt:
"
Der Täter war offenbar nur auf schnelles Geld aus. Denn die Geige rührte er nicht an. Verkohlte Teile des Instruments wurden im Wohnwagen gefunden."
(wie oben: Quelle)
Die Geige wurde also, anders als das Raubmordszenario, in der öffentlichen Berichterstattung, die sich maßgeblich aus Pressemitteilungen der Polizei speisten, kaum wahrgenommen bzw. thematisiert. Dazu passt, dass die Geige auch
nie in der polizeilichen Fahndungsmeldung oder den Beteiligungsaufrufen erwähnt wurde.
Deutlich wird in Letzteren dagegen, dass die Polizei, ebenso wie das oben vorgeschlagene Szenario, sehr wohl davon ausgeht, dass der Täter einen
Tatortbezug hatte. Das geht wiederum aus zahlreichen größtenteils gleichlautenden Pressemitteilungen hervor:
Wo kam der Täter her?"
Obwohl unzählige Befragungen von Anwohnern zu keinem Ergebnis kamen, geht die Polizei davon aus, dass der Täter gute Ortskenntnisse gehabt haben muss."
(wie oben:
http://www.infranken.de/regional/nuernberg/20-Jahre-nach-Doppelmord-in-Traunstein-Polizei-jagt-weiter-den-Taeter;art88523,2706577)
(
gleicher Wortlaut: Quelle)
"
Aus dem Verhalten des Täters lassen sich Rückschlüsse auf dessen Ortskenntnis in unmittelbarer Tatortnähe schließen. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Täter einen Ortsbezug hat bzw. hatte."
(
Quelle)
In den Presseberichten wird also deutlich, dass die Polizei davon ausgeht, dass der Täter aus dem räumlichen Umfeld des Tatorts stammt bzw. sich vor Ort bestens auskennt.
Einen - zugegebenermaßen -
uneindeutigen Hinweis, auf die
Nationalität des Täters, liefert der Aktenzeichen XY-Filmfall, der nur ca. 3-4 Monate nach der Tat aufgezeichnet wurde.
Aktenzeichen XY 24.10.97 holländisches Wohnmobil (Teil 1)
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Bei ca. 4:49 min. steigt der Täter in das zweite Taxi am Hauptbahnhof und bittet darum, mit
Schilling zahlen zu dürfen. Den spontanen Einspruch des Fahrers, der zunächst nicht begeistert scheint, quittiert er im Film mit der Aussage (sinngemäß): "Ich habe schon alle Fremdwährung ausgegeben!" Dieser Wortlaut macht im Kontext nur für einen Österreicher Sinn, für den (zum damaligen Zeitpunkt) natürlich
jede Währung, außer Schilling,
Fremdwährung darstellt(e). Falls die Worte tatsächlich so gefallen sind, liegt es daher nahe, anzunehmen, dass der Täter entweder Österreicher
ist oder
vorzugeben versuchte, Österreicher zu sein. Gemeinsam mit dem Umstand betrachtet, dass der Täter laut amtlichen Fahndungsaufruf entweder bayrischen
oder österreichischen Akzent gesprochen haben soll, macht dies die Herkunft aus Österreich immerhin ein wenig wahrscheinlicher.
Der Täter ist daher
möglicherweise österreichischer Herkunft und hatte
Ortskenntnisse am Tatort.
Wieso das Taxi?Nicht zuletzt aus dem Indiz der Ortskenntnis lässt sich auch erklären, wieso der Täter - wenn es ihm doch um das Geld ging - die teure Rückfahrt mit dem Taxi antrat. - Die Polizei sieht das Ganze so:
"
Warum der Mann mit dem Taxi fuhr und nicht den Zug nahm, erklären sich die Ermittler mit einem „Zeitproblem“. Der nächste Zug wäre erst am Morgen gegangen. „Er wollte wohl im Schutz der Dunkelheit zurückkommen.“"
(
wie oben: Quelle)
Der Täter hatte es also offensichtlich
eilig, wieder zurück an den Tatort zu gelangen, aus dessen unmittelbarer Nähe er offensichtlich auch stammte. Die Zugverbindungen ließen ihm dabei
keine andere Wahl als das Taxi. (Dies impliziert übrigens einen klaren Widerspruch zu der hier breit diskutierten völlig unwahrscheinlichen Annahme, es könne sich um
zwei Täter gehandelt haben!)
Und wie steht es mit dem...
Anzug? Von einem
Anzug, der hier ebenfalls in verschiedenste Szenarien eingebaut wurde, ist in der amtlichen Täterbeschreibung gar nicht die Rede. Dort heißt es genauer:
"
bekleidet mit dunklem, evtl. braunem Sakko, Hemd und Krawatte"
(
https://www.polizei.bayern.de/fahndung/personen/straftaeter/unbekannt/index.html/84355)
Angesichts der Tatsache, dass hier zuletzt regelmäßig sogar von einem
Geschäftsanzug die Rede war, trägt evtl. auch diese Korrektur ein wenig dazu bei, dem Rätselhaften einen Teil seiner Rätselhaftigkeit zu nehmen. Wie dem auch bei jedem einzelnen sein mag - Sakko, Hemd und Krawatte machen jedenfalls noch keinen "Business-Anzug".
Zusammenfassung: - Vermutlich liegt ein
Raubmord vor. Weder Geld noch Schmuck konnten im Wohnmobil sichergestellt werden.
- Der Täter interessierte sich
nicht für die Geige. Ihre verkohlten Überreste wurden im Wohnmobil gefunden.
(Ein Austausch ist mehr als unwahrscheinlich!) - Der Täter hatte
Ortskenntnis des unmittelbaren Tatorts und der Umgebung. Nach dem Anzünden des Wohnmobils hatte er es
eilig, wieder in diese Region zurückzukehren.
-
Möglicherweise handelt es sich bei dem Täter um einen
gebürtigen Österreicher.
- Da keine Zugverbindung existierte, musste er ein
Taxi nehmen,
um im Schutz der Dunkelheit/des frühen Morgens an seinen Ausgangspunkt
zurückkehren zu können.
- Der Täter trug
keinen Anzug, sondern ein Sakko mit Hemd und Krawatte.
Wenn man nun noch berücksichtigt, dass eine recht genaue Täterbeschreibung vorliegt, kann man zu dem Schluss kommen, dass über den Täter, sein Motiv und Nachtatverhalten sowie über das Tatgeschehen tatsächlich
sehr viele Informationen vorliegen und von
Rätsel bestenfalls noch in der Hinsicht gesprochen werden kann, dass der Täter nicht auch noch namentlich bekannt und dingfest gemacht worden ist. Aber auch in diesem letzten Punkt gibt es zumindest einen Schimmer Hoffnung: DNA-Spuren, die am Camper sichergestellt werden konnten, sind später - durch modernere Verfahren - auswertbar geworden, sodass heute (und bereits seit geraumer Zeit) ein DNA-Profil des Täters vorliegt, das theoretisch eine recht hohe Chance darstellt, den - ansonsten vermutlich unlösbaren Fall - evtl. doch noch einmal aufzuklären. Immerhin: ein objektiver Beweis für die Identität des Täters liegt damit vor und wartet nur auf den erfolgreichen Abgleich.
(
Quelle)