Der Thread hat ein wenig geruht in letzter Zeit, aber mich lässt er nicht in Ruhe.
Das Merkwürdige an dem Fall - und sicherlich auch das Faszinierende - ist: Bei anderen Fällen haben wir verschiedene, einigermaßen plausible Hypothesen, aus Mangel an Informationen können wir aber nicht entscheiden, welche die richtige ist.
Hier verhält es sich umgekehrt: Es gibt relativ viele Informationen, aber bisher konnte niemand eine einigermaßen schlüssige Hypothese aufstellen, irgendetwas erscheint immer unlogisch. Das gilt auch für die Depot-Hypothese, die ich lange favorisiert habe, immer noch nicht ganz ausschließen möchte, aber auch sie hat zweifellos ihre Schwächen.
Der Fall hat einfach so viele mysteriöse Momente. Damit meine ich nicht einmal die kuriose Taxifahrt, die viele für so seltsam halten, denn die lässt sich noch erklären: Der Täter musste zurück zum Tatort, ein Zug ging nicht mehr, so wechselte er mehrmals das Taxi; das war ungeplant, er musste improvisieren, dabei unterliefen ihm - erwartungsgemäß - einige kleine Schnitzer (die allerdings folgenlos blieben). Ich meine auch nicht den Aufenthaltsort der Langendonks, über den sich einige wundern. Es war ein schattiger Waldrand an einem heißen Tag, vielleicht nicht der allerschönste, aber mehr brauchte es nicht für einen geruhsamen Mittagsschlaf.
Mit mysteriösen Punkten meine ich eher Folgendes:
- Dass der Täter anscheinend Anzug und Krawatte trug.
- Dass er - am Waldrand - wie aus dem Nichts aufzutauchen schien, und das in derartiger Kluft.
- Dass er einerseits sehr vorsichtig und umsichtig die Tatumstände verschleierte, Ablenkung vom Tatort, Motivverschleierung und Zerstörung fast aller Spuren (wie DNA und Fingerabdrücke) durch Verbringen des Wohnmobils und Abfackeln desselben, dass er aber zugleich so unvorsichtig war, einen Mord sozusagen auf offener Bühne zu begehen, in Sichtweite von Zeugen.
- Dass dem Täter so notwendig erschien, vom Tatort abzulenken. Als die Polizei aber den Tatort schließlich fand, brachte sie das dennoch keine Spur weiter!
In der "Ruhezeit" des Threads habe ich unter anderem folgende Überlegungen angestellt, aus gewissem Abstand sieht man manche Dinge ja etwas klarer:
Ich halte es z.B. mittlerweile für vollkommen abwegig, ja geradezu für absurd, dass die Kleidung des Taxigastes die von Herrn Langendonk sei. Es wurde ja vermutet, dass der Täter seine blutverschmierte Kleidung mit Kleidungsstücken des Opfers getauscht hat. Aber warum sollte der Mörder sich die Mühe machen, eine Krawatte umzubinden und ein Sakko anzuziehen, das ihm nach aller Wahrscheinlichkeit nicht einmal richtig passen würde? Ein praktisches Hemd oder so hätte für seine Zwecke doch völlig genügt - wenn er sich überhaupt in den Koffern von Herrn Langendonk zu schaffen machte. In der Hektik eine Krawatte zu finden und eventuell zu binden ist doch vollkommen überflüssig. Außerdem wusste er, dass er mit solcher Kleidung noch das Wohnmobil anzünden und damit durch irgendeinen Wald irren müsste. Und zurück in der "Zivilisation" wirkt er dann völlig derangiert und extrem auffällig. Ich schließe es also komplett aus, dass der Täter die Kleidung von Herrn Langendonk trug, was bedeutet:
Der Taxigast hat seine Kleidung ÜBERHAUPT NICHT gewechselt, er trug sie von Anfang an.
Aber was wollte er mit dieser Kleidung im Wald? Und hätte seine eigene Kleidung nicht blutverschmiert gewesen sein müssen, nachdem er zwei Menschen die Kehle durchgeschnitten und blutdurchtränkte Leichen herumgeschleppt hatte? Oder war der Taxigast nur ein Komplize des Mörders? Ich neige mittlerweile fast zu dieser Ansicht.
Und ähnliches gilt für die "Perückentheorie": Ich bezweifle ja schon, dass es solche Perücken überhaupt zu kaufen gab - außer billige für den Fasching. Wer kauft denn eine "Prinz-Eisenherz-Perücke"? Eine Perücke hat außerdem den Sinn, dass man ihr nicht ansieht, dass es eine Perücke ist. Hier dagegen: Viele sagen, so eine Frisur kann es doch nicht geben, das muss eine Perücke sein. Nein, gerade deswegen nicht. Einer Perücke sieht man es auf den ersten Blick nicht an, dass sie eine ist, und schon gar nicht durch das bloße Betrachten eines Phantombild. Die Taxifahrer äußerten anscheined auch keine solche Vermutung. Und außerdem: Wo hätte der Täter auf die Schnelle eine Perücke hernehmen sollen - im Wald?
Ich nehme also an, der Täter sah auf dem Phantombild völlig authentisch aus, sowohl bezüglich Kleidung als auch Haarpracht.
Dass ihn trotzdem keiner im Umkreis erkannte, liegt höchstwahrscheinlich daran, dass er Österreicher war, wie ja auch die Taxifahrer vermutet haben anhand seines Dialekts und seiner vielen Schillinge.
Da ich ja oben den Mangel an Hypothesen beklagt habe, will ich auch eine anbieten:
In Oberbayern trieb zur damaligen Zeit eine Bande ihr Unwesen, die sich auf das Aufbrechen von Wohnmobilen spezialisiert hatte. Dass die Öffentlichkeit davon nicht viel erfuhr, lag unter anderem daran, dass die Polizei aus Rücksicht auf den Tourismus es nicht für geboten hielt, das an die allzu große Glocke zu hängen.
Nun machten die Langendonks an jenem Tag eine Nachmittagsrast am Litzlwalchener Hölzl. Nach ausgiebiger Ruhe wollten sie sich noch ein wenig die Beine vertreten, bevor sie einen Campingplatz ansteuerten, und unternahmen einen kleinen Spaziergang.
Zu dieser Zeit fuhr ein Bandenmitglied die Landstraße entlang und sah am Waldrand ein möglicherweise verwaistes Wohnmobil stehen. Er bog selbst in den Feldweg ab, fuhr am Camper langsam vorbei, noch immer gewahrte er dort kein Lebenszeichen, und stellte sein Auto im Wald ab. Dann näherte er sich dem Camper zu Fuß und nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass sich niemand darin befand, machte er sich daran, das Fahrzeug aufzubrechen.
In dem Moment kamen die Langendonks von ihrem Spaziergang zurück. Nun war Herr Langendonk wohl keiner, mit dem in solchen Fällen gut Kirschen essen war, das hat mir ein von
@latte3 gepostetes Foto deutlich gemacht. Es kam zu einer Auseinandersetzung, bei der der Täter das Ehepaar töten "musste", aus seiner Sicht. Immerhin hatten sie wohl auch seinen versteckten Wagen gesehen und er hatte zu Fuß auch keine Rückzugsmöglichkeit.
Der Mörder schleppte die Leichen ins Wohnmobil und machte sich dann mit seinem Auto aus dem Staub.
Doch der Vorfall war zu schwerwiegend, er musste seinen Boss informieren. Der war höchst aufgebracht und außerdem der Meinung, dass das Wohnmobil so nicht stehen bleiben konnte. Immerhin hätte sich durch diesen Doppelmord der Fahndungsdruck auf die Wohnmobilknacker massiv erhöht und das ganze "Geschäftsmodell" wäre zusammengebrochen. Der Boss entschied also, dass das Wohnmobil mitsamt den Leichen aus dem Chiemgau verschwinden müsse und er kam ebenfalls zum Tatort. Dabei wurde er aus seiner Tätigkeit, zu der er den besagten Anzug und die Krawatte trug, herausgerissen.
Dieser steuerte dann auch das Wohnmobil nach Nürnberg. Warum er selbst das tat? Vielleicht, weil der Mörder sich das Fahren eines Wohnmobils nicht zutraute, weil er nicht clever genug war oder aufgrund der Tat zu sehr durch den Wind oder alles zusammen.
Den Fahrtwunsch Marquartstein könnte ich mir übrigens so erklären, dass der eigentliche Mörder in Marquartstein wohnte. Nicht der Taxigast, denn den hat dort ja niemand gekannt.
Was haltet ihr davon?