Pkj schrieb:In jedem Fall wäre, von dem was die Öffentlichkeit weiss, eigentlich MS eindeutig tat- bzw. mordverdächtig. Trotzdem haben Amts- und Landgericht einen dringenden Tatverdacht jedoch verneint – wie passt das zusammen?
Man muss hier unterscheiden zwischen dem
dringenden Tatverdacht, der erforderlich ist, um jemanden wegen des Verdachts einer bestimmten Tat in Untersuchungshaft zu nehmen, und dem
hinreichenden Tatverdacht, der benötigt wird, um deswegen gegen jemanden strafrechtlich zu ermitteln.
Dringender und hinreichender Tatverdacht sind mithin
nicht dasselbe. Im dringenden Tatverdacht ist immer hinreichender Tatverdacht enthalten, umgekehrt gilt das nicht. Bei MS ist dringender Tatverdacht für eine Untersuchungshaft verneint worden, aber natürlich nicht der hinreichende Tatverdacht, so dass gegen MS weiter ermittelt wird und werden kann, nur eben muss er nicht in U-Haft.
Diese Entscheidung des LG Bayreuth ist mE auch richtig, wenn man sich vor Augen führt, dass staatlich angeordnete Freiheitsentziehung durch Untersuchungshaft regelmäßig ein erheblicher Eingriff in Grundrechte des Betroffenen bedeutet. Es muss also immer die Verhältnismäßigkeit zwischen dem Tatverdacht und der Freiheitsentziehung gewahrt bleiben. Daher sind die Hürden ziemlich hoch, wenn U-Haft angeordnet werden soll.
Das Bundesverfassungsgericht hat dazu in aller Deutlichkeit ausgeführt:
Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist stets das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Grundsätzlich darf nur einem rechtskräftig Verurteilten die Freiheit entzogen werden. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358 <370 f.>), nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. grundlegend BVerfGE 19, 342 <347> sowie BVerfGE 20, 45 <49 f.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>; BVerfGK 15, 474 <479>;
Bei MS ist bisher absolut nicht klar, ob der Mordverdacht gegen ihn gerechtfertigt ist. MS kann durchaus an der Tötung von Peggy beteiligt gewesen bzw. für ihren Tod ursächlich geworden sein, aber man hat an Fakten bisher viel zu wenig, um zu wissen, ob die Tötung vorsätzlich oder eine Verkettung unglücklicher Umstände war, ob überhaupt ein Mordmerkmal vorliegt etc. Es ist daher mE richtig, die Ermittlungen gegen ihn energisch weiterzuführen. U-Haft ist aber nach jetzigem Kenntnisstand nicht gerechtfertigt, da unverhältnismäßig.