@JosefK1914-2 JosefK1914-2 schrieb:Bis man erkennen kann, ob ein Gutachten grob fahrlässig ist, ist eine umfangreiche Arbeit notwendig. Da man nicht wissen kann, wann der Kläger eine ausrechnende Kenntnis hatte, sollte man nicht sich jetzt schon Behauptungen aufstellen, dass der Anspruch verjährt sein soll. Rein theoretisch kann es natürlich sein, dass schon vor dem Freispruch entsprechende Informationen bereit lagen. Aber der Freispruch alleine ist hier nicht ausreichend, der er hat sich nicht mit der Frage des Fahrlässigkeit des ursprünglichen Gutachtens auseinander gesetzt.
1. Das Urteil des OLG Saarbrücken ist durchaus in weiten Teilen überzeugend, aber gerade bei der Feststellung der Verjährung nicht. Denn das Gericht stellt lediglich dazu Überlegungen an, ab wann denn der Kläger Kenntnis von der groben Fahrlässigkeit bei Erstellung des Gutachtens haben konnte. Auf die Frage, ob und ab wann denn mglw. grob fahrlässige Unkenntnis seitens des Klägers vorlag, geht das Gericht gar nicht ein.
2. Auch wenn in dem konkreten Fall des OLG Saarbrücken auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes eine Verjährung nicht eingetreten wäre, sprechen aber eben die konkreten Umstände im Fall UK für einen Verjährungsbeginn im Jahre 2013 oder 2014. Denn im Fall UK lag bereits 2013 eine kritische Erst-Analyse zu dem Gutachten von Kröber durch Sponsel vor. Mit der erfolgreichen Wiederaufnahme kann auch nicht mehr davon gesprichen werden, dass es für UK unzumutbar gewesen wäre, hier in irgendeiner Form tätig zu werden, insbesondere nachdem mit der "Erst-Analyse" von Sponsel bereits angebliche wesentliche Fehler des Gutachtens von Kröber aufgezeigt wurden. Mit der Freilassung aus der Psychiatrie 2015 sind dann auch wirklich alle irgendwie noch mit den Umständen aus dem Fall des OLG Saarbrücken vergleichbaren Situationen weggefallen. Wenn da jetzt noch Ende 2018 (oder vorher irgendwann) ein Mahnbescheid beantragt wurde, hat man mglw. rechtzeitig noch die Verjährung gehemmt, wenn man tatsächlich hier eine mE nicht gegebene Parallele zu der Situation des Klägers vor dem OLG Saarbrücken sehen will. Nach dem, was hier aber mitgeteilt wurde, sehe ich nicht, dass ein solcher Mahnbescheid eingereicht wurde. Daher halte ich eine Verjährung wenn nicht schon wegen Kenntnis seit 2013, so doch zumindest wegen fahrlässiger Unkenntnis für verjährt.
3. Die Entscheidung des OLG Saarbrücken entfaltet gegenüber anderen Gerichten keinerlei Bindungswirkung. Zwar geht - gerade ggü. Gerichten im Gerichtsbezirk des OLG Saarbrücken - von dem Urteil eine gewisse de-facto Bindungswirkung aus, aber auch diese sind von Gesetzes wegen nicht an die Entscheidung gebunden. Dies gilt erst recht für die Gerichte anderer OLG-Bezirke, denn andere OLGs sind logischerweise erst recht nicht an die Entscheidung gebunden. Zwar kann das Urteil, sofern es gut begründet ist, durchaus Signalwirkung entfalten, aber gerade dort, wo Schwächen in der Argumentation vorliegen oder bestimmte Umstände gar nicht berücksichtigt wurden, ist eine abweichende Entscheidung denkbar und kommt regelmäßig vor. Nicht selten kann dies sogar dazu führen, dass über längere Zeiträume das Recht in verschiedenen Regionen Deutschlands unterschiedlich ausgelegt wird - bis der BGH eben eine Entscheidung fällt (die auch nicht zwangsläufig bindend ist, aber meist doch die OLG-Rechtsprechung auf eine einheitliche Linie bringt).
4. Schließlich gilt für die Verjährung neben der dreijährigen Regelfrist auch noch eine sog. Ultimofrist, nach § 199 Abs. 1 BGB. Diese beträgt grundsätzlich 10 Jahre ab Entstehung des Anspruchs unabhängig von der Kenntniserlangung. Da die Entstehung auch nach dem Urteil des OLG Saarbrücken mit der Verurteilung gestützt auf das Gutachten vorliegt, beginnt diese Frist also 2004, hätte 2014 geendet. Berücksichtigt mannoch die verjährungshemmende Wirkung der Revision dann 2015, sofern man hier das WAV noch als verjährungshemmend heranzieht (strittig!), dann ggf. 2016. Hier käme man nur weiter, wenn man eine Frist nach § 199 Abs. 2 BGB annehmen würde. Das würde die Verletzung eines dort aufgezählten Rechtsguts voraussetzen. In Betracht käme da die Freiheit der Person. Das ist aber auch zumindest zweifelhaft, weil zwar eine entsprechende Verurteilung dazu vorlag, diese aber nie durch freiheitsentziehende Maßnahmen realisiert wurde.
Fazit: Selbst unter Berücksichtigung des saarbrücker Urteils sprechen die wesentlichen Argumente hier für eine Verjährung. Völlig ausgeschlossen werden kann es natürlich nicht, dass ein gericht hier auch anders entscheiden mag. Aber das Prozessrisiko ist hier schon enorm hoch.
Unabhängig davon ist es fraglich, ob und inwiefern überhaupt ein Anspruch besteht und wenn ja in welcher Höhe. Wie der Kollege
@Lichtenberg völlig zutreffend angemerkt hat, ist die geforderte Summe völlig überzogen. Zu beachten ist zunächst wieder, dass UK wegen des Mordes eben gerade nicht freiheitsentziehender Maßnahmen unterworfen war. Aber selbst wenn liegt die geforderte Summe weit über dem üblicherweise zuerkannten Schmerzensgeld in solchen Fällen.