@emz Ein Anwalt ist gar nicht berechtigt, jemanden zwecks einer Zeugenaussage zu befragen [...] Dir scheint hierbei entgangen zu sein, dass es um die Aussage eines Zeugen zugunsten des Angeklagten/Mandanten geht.
@MaryPoppins MaryPoppins schrieb:Anwälte könnten dann ja im Vorfeld eines Prozesses gegnerische Zeugen und Opfer beeinflussen oder sogar zur Falschaussage "schmieren". Wozu gibt es ein unabhängiges Gericht? Um genau solchen Befragungen und "Urteilsfindungen" vorzubeugen. Wir leben in einem Rechtsstaat und nicht mehr im Mittelalter.
@lawine lawine schrieb:wir leben in einem Rechtsstaat, wo RA nicht willkürlich Zeugen oder ausgesuchte Zeugen zu einem Sachverhalt "befragen" dürfen.
dir scheint nicht klar zu sein, dass das Monopol zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten beim Staat, und damit in unabhängiger Hand liegt?!
einem Anwalt steht dieses Recht außerhalb von einem Verfahren nicht zu.
Diese Aussagen sind völlig unzutreffend. Natürlich steht dem Anwalt nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur ein Recht zu eigenen Ermittlungen auch schon vor dem Hauptverfahren zu. Das schließt auch und gerade Zeugenbefragungen mit ein. Neuhaus, im Münchner Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, § 15 Rn. 12 mwN:
"Die Beistandspflicht des Verteidigers endet nicht im Ermittlungsverfahren. Deshalb sind, was heute
unbestritten ist, eigene Beweiserhebungen des Verteidigers in allen Verfahrensabschnitten zulässig.
Ohne dieses Recht wäre es ihm in vielen Fällen nicht möglich, eine sachgerechte Verteidigung zu führen. [...] Dabei unterliegt er keinen sachlichen Beschränkungen, darf also seine Recherchen auf alle Arten von Beweismitteln
erstrecken. Neben den „klassischen“ Beweismitteln, namentlich der Befragung von Zeugen,
Mitbeschuldigten oder Sachverständigen, kommen auch Rekonstruktionen, Experimente, Fahrversuche
usw. in Betracht. Dass die eigenen Erhebungen zu einem Informationsvorsprung der Verteidigung
führen können, liegt in der Natur der Sache, und ist deshalb selbstredend nicht zu beanstanden."
Dieses Recht erstreckt sich auch auf die Vorbereitung des Wiederaufnahmeverfahrens (Neuhaus, aaO, Rn. 11).
Das ergibt sich nicht nur aus dem Grundsatz der Waffengleichheit, sondern auch und gerade aus Art. 12 Abs. 1 GG. Einschränkungen der Berufsausübung durch den Anwalt unterliegen dem Gesetzesvorbehalt. Solange es kein konkretes in ein Gesetz gegossenes Verbot anwaltlicher Ermittlungen gibt, darf der Anwalt diese auch führen (s. auch Neuhaus, aaO, Rn. 9, mwN). Im Detail erlaubt das dem Anwalt wesentliche Ermittlungsmaßnahmen: "Das Aufsuchen des Zeugen zu Hause ist ebenfalls nicht untersagt. Derartiges sollte aber grundsätzlich nach vorheriger Absprache mit dem Zeugen erfolgen. Die Befragung in der Kanzlei sollte die Regel sein. Bei allem besteht kein Erstermittlungsprivileg der Staatsanwaltschaft. Der Verteidiger darf sich also auch an Zeugen wenden,
die der Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt sind. Die Befragung eines bereits vernommenen
Belastungszeugen ist ihm ebenso wenig verwehrt." (Neuhaus, aaO, Rn. 27).
Natürlich kann ein Anwalt einen Zeugen nicht zu einer Aussage zwingen. (Das kann übrigens auch die Polizei nicht, nur die StA und das Gericht hat hier entsprechende Zwangsbefugnisse.)
Instruktiv ist auch dieses Urteil des BGH zu einem Fall, den ich selber noch während meines Studiums mitverfolgen konnte. Hier werden sehr schön die Möglichkeiten und Grenzen anwaltlicher Zeugenbefragungen aufgezeigt:
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/00/1-106-00.php3Und hier noch ein Link, wer noch mehr Details wissen will:
http://www.kanzlei-bockemuehl.de/resources/Festschrift+Beulke$2C+647+ff.pdf