@jaska jaska schrieb:Du gehst wirklich davon aus, dass hunderte von Ermittlern, die Staatsanwälte und die Richter aus Bequemlichkeit ein Bauernopfer suchen und womöglich lebenslang einsperren?
Nein, ich glaube es nicht eine Frage der Bequemlichkeit. Hier steckt schlicht und einfach der nachvollziehbare Wunsch eines jeden Menschens seiner Aufgabe gerecht zu werden. Und ich glaube es ich für Ermittler manchmal schon frustrierend, wenn sie in einem Fall nicht von der Stelle kommen und ihn nicht lösen können. Der Druck von Außen, der in dem vorliegenden Fall erfolgt ist, macht die Situation dann für diese auch nicht besser. Dass sich manchmal die Ermittler dann nach nicht tragenden Strohalmen greifen, dürfte in der Natur der Sache liegen. Hier wird man dann quasi Opfer seiner selbst. Den Drang zum Erfolg darf man nicht unterschätzen. Selbst Wissenschaftler verfälschen manchmal Ihre Daten um ihre Theorie zu bestätigen, weil sie zutiefst überzeugt sind, dass ihre Theorie die richtige ist. Dabei nehmen sie die die komplete Zerstörung ihres Rufes in Kauf. Bei Ermittlern und Richtern ist Selbstbetrug mit einem viel einfacheren Mittel möglich. Negative Folgen gibt es für Sie kaum. Der Weg nennt sich die Interpreation der Glaubwürdigkeit eines Zeugens oder von Spuren.
Bzgl. der Interpretation von Spuren zeigt dies deutlich der Fall Daniela Kammerer, da waren Ermittler, StA und sogar erstmal auch der Haftrichter so davon überzeugt den richtigen Täter zu haben, dass sie 0815-Spuren in die falsche Richtung interpretiert hatten und - wie peinlich - das auch noch lauthals verkündet hatten. Später stellte sich dann die Unhaltbarkeit dieser Interpretation heraus.
Und auch eine Möglichkeit ein Fall zu lösen, ist natürlich ein Geständnis zu erlangen. Und der Drang ein solches zu erlangen war im vorliegenden Fall wohl sehr hoch, denn andernfalls ist die Verwendung von illegalen Mitteln (hier Latzhose angeblich mit Blut der Vermissten) ein solches zu erhalten, nicht zu erklären.
Wenn Sie Erfahrungen ansprechen, ja diese Erfahrungen macht man doch eigentlich tagtäglich selber. Wenn man unter Druck ist und eine Aufgabe termingerecht lösen will, so passiert es jedenfalls mir, dass ich u.U. ein gewisse Möglichkeit eines Problems sehe, aber mir dann manchmal sage "Wird schon gut gehen". Bei meiner Arbeit ist das nicht weiter tragisch, da bessert man dann später nach. In der Regel kann man mit dem Ergebnis erstmal ganz gut leben, aber in manchen Fällen kann es eben passieren, dass genau das Ignorieren dieses Problems das Ergebnis unbrauchbar macht.
Genau das gleiche wird bei der Lösung von Kriminalfällen passieren, in der Regel führen diese Fehler trotzdem zu einem vernünftigen Ergebnis. Aber wenn es hart auf hart kommt, ist das Ergebnis vollkommen unbrauchbar. Nachbesserung gibt es in der Justiz leider nicht - der BGH überprüft gerade diese Interpretationen nicht - bzw. nur unter sehr hohen Hürden, welche seltens - wie im vorliegenden Fall - übersprungen werden können.