Hallöchen, hier die Fortsetzung meiner
Ansichten zu Sponsels Ausführungen zum Gutachten von Blocher. Wie gesagt, es spiegelt meine Meinung/ Gedanken wider und muss nicht unkritisch hingenommen werden.
Es geht um Gliederungspunkt (5) aus Sponsels Abhandlung, wobei ich mich aus Zeitgründen der testdiagnostischen Ergebnisse hierzu an späterer Stelle widme - der folgende Part ist also noch nicht vollständig.
(5) Zirkuläre Selbstvalidierung Ergebnis Vorgutachten von prädestinierender Bedeutung
Dass gerade das nicht sach- und fachgerecht erstellte Vorgutachten von entscheidender Bedeutung für das nunmehrige Gutachten ist, ergibt sich klar aus folgenden Einlassungen (S. 56f):
"... Damals wurde festgestellt, dass Herr Kulac infolge einer Meningokokken-Meningitis 1980 (Blatt 2852/7 u. 2861 Band VI d. Akte) sowie eines Schädelhirntraumas, das sich gemäß den [>57] neu angeforderten Unterlagen 1992 ereignete und als leicht eingestuft wurde, eine organische Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F07.0) entwickelte, die zu einer pathologischen Veränderung in zahlreichen psychischen Funktionsbereichen führte. Betroffen waren dabei bei dem Probanden die intellektuelle Leistungsfähigkeit, die Persönlichkeitsausgestaltung sowie die Impulskontrolle. Diese Defizite hatten eine Einschränkung der sozialen Adaptabilität zur Folge, die wiederum die Umsetzung dysfunktionaler Strategien zur Bedürfnisbefriedigung nach sich zog, so etwa im sexuellen Bereich."
Im Vergleich dazu Sponsels Zitat aus Kröbers Gutachten:
"So führt Prof. Dr. Kröber in seinem Gutachten S. 110f aus: "Im Alter von zwei Jahren und zwei Monaten war der Proband zwar an einer durch Meningokokken bedingten Hirnhautentzündung (Meningitis) erkrankt und wurde fast sechs Wochen vom 21.02. bis 01.04.1980 stationär im Kinderkrankenhaus behandelt. Bereits nach der ersten Woche war unter Penicillin-Behandlung eine deutliche Besserung eingetreten, diese Erkrankung ist auch [>111] nach späteren kinderärztlichen Nachuntersuchungen folgenlos ausgeheilt. Es ist dies auch der typische, gutartige Verlauf bei Entzündungen der Hirnhaut (nicht zu verwechseln mit der Hirnentzündung, der Enzephalitis, die oftmals mit Restschäden ausheilt). Mehrere Nachuntersuchungen, zuletzt noch im September 1983, waren ohne Hinweise auf Erkrankungsfolgen (siehe dies Gutachten S. 8). "
Okay, dröseln wir den komplizierten Sachverhalt mal auf.
(1) Wie gesagt: Die Aussage Sponsels, dass ein Aktengutachten per sé "nicht sach- und fachgerecht" sei, ist so nicht haltbar. Darüber hinaus ist es zunächst und generell gesehen legitim, dass sich ein Gutachter auf seine eigenen gewonnenen Vorerkenntnisse bezieht, statt auf die eines anderen Gutachters. Insbesondere dann, wenn er aus fachlichen und belegbaren Gründen eine andere Hypothese vertritt.
(2) Anhand der Zitate Sponsels sowohl aus Kröbers Beurteilung als auch aus der Einschätzung, zu der Blocher kommt, ließe sich vermuten, dass beide Gutachter ihre Hypothese zur möglichen Ursache der geistigen Behinderung und dazu vorliegende Erkenntnisse unterschiedlich gewichteten. Beide Gutachter sind Fachärzte. Kröber scheint sich eher auf die objektive medizinische Krankengeschichte bezogen zu haben, während Blocher innerhalb der medizinischen Krankengeschichte eher die fremdanamnestischen Angaben stärker gewichtet zu haben scheint (was Sponsel erstaunlicherweise kritisiert, obwohl Blocher damit vollumfänglich der Kritik Rödels am Gutachten Kröbers Genüge getan hat:
Die Familie und auch die Betreuerin sind allerdings fest davon überzeugt, dass die Interpretation Prof. Dr. Kröbers falsch ist und dass Ulvi Kulac nach der Meningitis eindeutig und massiv verändert war. Er sei davor ein echter Wonneproppen ohne Auffälligkeiten gewesen.
(
http://www.sgipt.org/forpsy/Kulac/BZK-Freilassung/MKA_BGA.htm#im Widerspruch zu).
Grundproblem Nummer 1:
Wie Sponsel (ausnahmsweise mal) korrekt feststellt, besteht
Uneinigkeit der forensischen Psychiatrie hinsichtlicht der Fragen, woher die geistige Behinderung kommt und welche Diagnose vorliegt.
(
http://www.sgipt.org/forpsy/Kulac/BZK-Freilassung/MKA_BGA.htm#im Widerspruch zu).
Da leider kein ausreichendes medizinisches Datenmaterial zu UK vorliegt, bleibt meine Theorie dazu im Bereich der Vermutung angesiedelt, die ich zu dem mir vorliegenden Material habe.
Grob gesagt, sieht Kröber die Ursache der geistigen Behinderung NICHT in der erlittenen Meningitis (anders als Rödel + Familie das sehen). Rein medizinisch betrachtet muss tatsächlich an Hand der von Kröber vorgebrachten medizinischen Tatsachen (Anbehandlung, Ansprechen auf die Behandlung, Nachuntersuchung bzgl. Residuen = Folgeschäden) davon ausgegangen werden, dass seine Hypothese dazu sehr wahrscheinlich zutrifft, da bleibende Folgeschäden bei dieser Erkrankung erstens eher selten auftreten (v.a. bei der in diesem Fall raschen Anbehandlung + der Art seines Ansprechens auf die Behandlung), zweitens die Art der Folgeschäden eher atypisch im Vergleich zu den Auffälligkeiten Ulvis sind, sprich: nicht dazu passen.
Wie Kröber das Schädelhirntrauma als mögliche Ursache für die geistige Behinderung UKs bewertet, ist mir nicht bekannt.
Blocher hingegen stellt eine andere Hypothese zur Genese der geistigen Behinderung auf (s.o). Auch seine Hypothese hat ihre Berechtigung, wobei jedoch (mir persönlich) deutlich wird, dass Blocher seine Ableitungen unter Einbezug der Fremdanamnese der Angehörigen von UK (was Kröber völlig außen vor ließ) getroffen haben könnte/zu haben scheint und er in seinen o.g. Ausführungen die Behinderung vor dem Hintergrund der bekannten anamnestischen + fremdanamnestischen Daten erklärbar macht. Ausgehend von Beeinträchtigungsgraden + Funktionseinschränkungen der derzeitigen Behinderung erklärt er (rückwärts), wie diese durch Schädigungen im Zuge der Hirnhautentzüdung + SHT entstanden sein könnten. Er trifft eine (hypothetische) Ableitung.
Nochmal deutlicher: BEIDE Aussagen der Gutachter sind bis hierhin LEGITIM und BERECHTIGT, da sie Hypothesen zur Genese der Behinderung bilden und die Ursache aus der Krankengeschichte heraus NICHT EINDEUTIG GEKLÄRT ist.
Man muss sich Folgendes vor Augen halten: Es gibt nur
einen unumstößlichen, erwiesenen Fakt - und der besteht in Ulvis bestehender Oligophrenie. Diese kann angeboren oder erworben sein. Was davon zutrifft, ist unbekannt. Beide Gutachter müssen also in einer Art "Rückwärtsanalyse" erklärbar machen, wie es dazu gekommen sein könnte und dies schlüssig anhand der vorliegenden Informationen darlegen. Haben sie beide getan. (Und für alle Desillusionierten: Ja, auch die Medizin bedient sich hypothetischer Herleitungen und muss dies sogar tun, wenn notwendige medizinische Informationen und Belege zur Krankheitsgeschichte fehlen oder uneindeutig sind!)
Problematisch ist, dass sich die Fremdanamnese nicht mit der medizinischen Krankenakte UKs deckt.
Jetzt lehne ich mich weit aus dem Fenster, wenn ich meine Gedanken dazu darlege, warum sich beide Gutachter derart in ihren Herleitungen unterscheiden. Deutlich wird für mich, dass es in der Krankenakte erstens Lücken (warum keine Bezüge auf die prämorbide Entwicklung Ulvis in den U-Untersuchungen, die ab Geburt an erfolgen?) und zweitens Widersprüche zu der Fremdanamnese zu geben scheint.
Die Hypothese, dass Ulvis Behinderung im Zuge der Meningitis ERWORBEN sein müsse, wird einzig und allein durch die Angabe der Familie belegt - und deckt sich NICHT mit den objektiven medizinischen Ergebnissen und Langzeit-Beobachtungen, aus denen beispielsweise Kröber zitiert.
Dass Ulvi BIS zur erlittenen Meningitis GESUND gewesen sei, ist (nach meinem bisherigen Kenntnisstand) einzig und allein auf die Aussage der Familie gegründet.
Für mich wären 2 Informationen wichtig:
(1) Wie wurde UKs frühkindliche Entwicklung VOR der Meningitis kinderärztlicherseits eingeschätzt?
(2) Wie kommen die Unterschiede in Fremd- und medizinischer Anamnese zustande?
Es erscheint auch mir unwahrscheinlich (aber eben nicht unmöglich), dass die Behinderung auf die Meningitis zurückzuführen ist. Das bedeutet aber gleichzeitig: Entweder entwickelte sich bereits ZUVOR eine Behinderung oder NACH einem anderen Ereignis als der Meningitis. Da das Schädelhirntrauma, wenn ich richtig gerechnet habe, im 14.Lebensjahr Ulvis eingetreten ist, scheint auch hier unwahrscheinlich, dass dies die Ursache für die Behinderung ist, denn Rödel gibt hierzu Folgendes an:
"Mit sechs Jahren kam er in Naila in eine Diagnose-Schule. Dort wurde seinen Eltern nahegelegt, ihn nach Hof in das Therapeutisch-Pädagogische Zentrum (TPZ) der Lebenshilfe Hof zu bringen. "
http://www.nuernbergwiki.de/index.php/Ulvi_Kulac_(Gudrun_R%C3%B6del)#Kindergarten_und_Schule .
Ulvi war in seiner Entwicklung also bereits spätestens im 6. Lebensjahr auffällig, was das SHT so gut wie irrelevant macht.
Darüber hinaus gibt es Widersprüche zwischen den von Kröber herangezogenen medizinischen Akteninformationen zu den Nachuntersuchungen sowie zu folgenden Angaben Rödels aus UKs Biographie:
"Schwerbehinderung
Im Alter von fast drei Jahren erkrankte Ulvi an einer lebensgefährlichen Meningitis (Staphylokokken). Nach zwei Monaten wurde er schwerbehindert aus dem Krankenhaus entlassen. Er war geistig behindert, sein Mundwinkel hing schlaff herab, viel Speichel floß heraus. Sein rechtes Bein schleifte er nach. Die Ärzte gaben seinen Eltern keine Hoffnung, daß er wieder laufen und sprechen könne. Doch seine Eltern machten Übungen, Speichel schlucken, Buchstabe für Buchstaben neu sprechen zu lernen. Für den Buchstaben „R“ brauchte er zwei Jahre. Dazwischen gab es immer wieder Krankenhausaufenthalte. Aber seine Eltern gaben ihn nicht auf. Ulvi machte Fortschritte"
Widerspruch 1:
Während beide Gutachter von einer Meningokokken-Meningitis sprechen, spricht Rödel von Staphylokokken als Erreger. (Ein solcher Widerspruch ist mir ehrlich gesagt schleierhaft, da die Art des Erregers in den damaligen Krankenakten eindeutig identifiziert und dokumentiert gewesen sein müsste). Wer irrt hier?
Widerspruch 2:
Zwischen "folgenlos ausgeheilt", wie Kröber aus der medizinischen Akte zitiert und "schwerbehindert entlassen" (Rödel) liegen Welten. Wer irrt hier?
Ohne die vorliegenden Krankenakten bleibt da nur Raum für Spekulationen.
Irrte Kröber? Wenn ja: Woher hat er die Information, die Meningitis sei folgenlos ausgeheilt?
Irrte Blocher? Wenn ja: Woher hat er die Information, die Oligophrenie habe sich im Zuge der Meningitis und dem SHT entwickelt?
Irrte Rödel? Wenn ja, welchen Grund könnte es geben, darauf zu bestehen, die Oligophrenie sei keinesfalls angeboren, sondern - egal wodurch - erworben?
Irrte die Klinik und alle weiteren behandelnden Ärzte von Ulvi, die keine Folgeschäden beobachtet haben wollen? Wenn ja: Welchen Grund kann es haben, einen absolute Genesung zu dokumentieren, obwohl das Kind lt. Aussage Rödels schwerstbehindert, sprechgestört und schwerst pflegebedürftig entlassen wurde?
Vielleicht kann ein Blick auf die Testergebnisse ja etwas Erhellendes beitragen...
Fortsetzung folgt....