@jaska jaska schrieb:Sind das Erkenntnisse aus der praktischen Rechtsprechung? Die Unterscheidung von physikalischen und Erkenntnisse ist mir unbekannt, aber wie schon mehrfach betont bin ich da kein Profi.
Das StGB unterscheidet da nicht, soweit ich das laienhaft beurteilen kann:
Das StGB unterscheidet zwischen aktivem Tun und Unterlassen. Eine Tat, die nicht schon durch ihren objektiven Tatbestand als Unterlassungstat qualifiziert ist (bspw. unterlassene Hilfeleistung gm. § 323c StGB, Nichtanzeige einer Straftat gem. § 138 StGB), kann nur dann durch ein Unterlassen begangen werden, wenn die Person, die handeln könnte, zur Handlung rechtlich verpflichtet, eine sog. Garantenstellung innehat, § 13 Abs. StGB. Mit physischen Beweismitteln meinte ich damit nunmal Beweismittel, die sich durch aktives Tun den Nachforschungen der Strafverfolgungsbehörden entziehen lassen. Dazu gehören natürlich auch nicht so physische Beweismittel wie eine Datei auf einem Computer.
Um das Ganze nochmal anhand von Beispielen zu erläutern:
Die Freundin (F) kommt zu ihrem langjährigen Lebensgefährten (L) in blutgetränkter Kleidung spät nachts nach Hause. Sie erklärt L, dass das Blut von ihrem Boss (B) stammt, den sie - nachdem er zum wiederholten Male eine sexistisch angereicherte beleidigende Bemerkung über ihre Figur gemacht hatte - mit einem Brieföffner erstochen hat. L, der den B sowieso nie leiden konnte und schon gar nicht, wenn er F beleidigt, entsorgt heimlich die Kleidung der F in der örtlichen Müllverbrennungsanlage und vergräbt den Brieföffner im Wald.
-> Strafvereitelung durch die Vernichtung und Unterdrückung von Beweismitteln (aktives Tun).
Abwandlung wie oben:
F hat sich selbst um das Verschwinden der Beweismittel gekümmert. Sie erklärt L ihre Situation und bittet ihn darum, dass er der Polizei erzählt, dass sie den ganzen Abend zusammen waren. L kommt dieser Bitte nach und gibt F das gewünschte Alibi.
-> Strafvereitelung durch falsche Zeugenaussage (aktives Tun)
Die Hobbyermittlerin Helga (H) vermutet, dass Leon (L) ein Profikiller ist, der noch dazu ein kleines Mädchen namens Mathilda (M) zur Killerin ausbildet. H vermutet, dass L unvorsichtigerweise die Tatwaffe des letzten Mordes im Pflanzenkübel seiner (einzigen) Lieblingszimmerpflanze vergraben hat. H steigt heimlich in die Wohnung des L ein, als dieser außer Haus ist und findet tatsächlich die Waffe des L im Blumentopf. Wie sie es in so vielen Filmen gesehen hat, tütet sie die Tatwaffe fachgerecht in einen Beweisbeutel ein und plant irgendwann mit großem Trara damit an die Öffentlichkeit zu gehen.
-> Strafvereitelung durch die Unterdrückung eines Beweismittels (aktives Tun) (darüber hinaus außerdem Einbruchsdiebstahl und Hausfriedensbruch).
Der private Sicherheitsbeamte Sherlock (S) ist bei einem örtlichen Unternehmen zur nächtlichen Überwachung derer Anlagen eingestellt. Er sieht bei einem seiner Rundgänge, wie der Wartungsassistent Watson (W) mit einem Haufen Pakete ein Gebäude verlässt, zu dem nur die Chefetage Zutritt hat. S ist aber viel zu weit entfernt, um noch irgendetwas unternehmen zu können. Zudem wurde der Alarm gar nicht ausgelöst, was bei einem illegalen Eindringen eigentlich zu erwarten wäre. Erst ein paar Tage später vermeldet die Chefetage den Diebstahl wichtiger Protoypen aus genau diesem Gebäude. S unterlässt es, die Polizei über seine Beobachtung zu informieren.
-> Strafvereitelung durch Unterlassen der Mitteilung einer Erkenntnis, weil S hier eine Garantenstellung (Sicherheitsdienst, vertragliche Verpflichtung, das Eigentum des Vertagspartners zu schützen) zukommt.
Der Kreditmanager Kain (K) entdeckt zufällig auf dem PC seines Angestellten Abel (A) eine Datei, die kinderpornografische Bilddateien enthält. K ist entsetzt, aber aus falsch verstandenem Ehrgefühl für A einstehen zu müssen, löscht er die Datei mit Hilfe eines Shredder-Programms. Er erstattet keine Strafanzeige.
-> Strafvereitelung hinsichtlich des Löschens der Datei (aktives Tun), aber keine Strafvereitelung hinsichtlich des Unterlassens der Strafanzeige, da insofern keine Garantenstellung vorliegt.
Gegenbeispiele:
Abwandlung zu Fall 1:
L findet den blutverschmierten Brieföffner in einer Schublade unter der Unterwäsche der F. L lässt den Brieföffner, wo er ist, meldet diesen Fund aber nicht der Polizei.
-> keine Strafvereitelung durch Unterlassen der Meldung über diesen Fund (keine Garantenstellung des L).
Die Hobbyermittlerin H, die der Ansicht ist, dass in dem jüngsten Mordfall von der Polizei nicht korrekt ermittelt wird, befragt selbst einige Zeugen. Der Zeuge Zacharias (Z) erzählt ihr schließlich von einer brisanten Verbindung des Mordopfers zur lokalen Mafia, namentlich einem gewissen Toni (T). H leitet diese Erkenntnisse nicht an die Polizei weiter, obwohl aus den veröffentlichten Berichten zu dem Mord klar wird, dass die Polizei in eine völlig andere Richtung ermittelt.
-> keine Strafvereitelung durch Unterlassen der Weiterleitung dieesr Erkenntnisse an die Polizei, da H keine Garantenstellung innehat (Unterlassen).
Die Hobbyermittlerin H stellt umfangreiche Recherchen in einm Betrugsfall an. Im Rahmen ihrer "Ermittlungen" kopiert sie wichtige Unterlagen (auf Papier) sowie einige brisante Dateien einer Firma, in die sie sich eingeschmuggelt hat, die deren Betrügereien klar beweisen können. H liebt es aber sich selbst zu inszenieren und letet diese Erkenntnisse nicht an die Polizei weiter.
-> keine Strafvereitelung durch Unterlassen der Weiterleitung dieser Kopien (sowohl der physischen als auch der Dateien), da H keine Garantenstellung innehat.
Der Chemielehrer Walter (W) beobachtet wie sein volljähriger Schüler Jesse (J) im Stadtpark mit Drogen handelt. Er stellt keine Strafanzeige bei der Polizei.
-> keine Strafvereitelung durch Unterlassen der Strafanzeige, weil W keine Garantenstellung innehat.
Die Fotograf Franz Josef (F) macht in der Dämmerung mit seiner altmodischen Kamera einige Panoaramaaufnahmen. Nach der Entwicklung stellt er mit Entsetzen fest, dass auf einem der Fotos seine Geliebte Elisabeth (E) zu sehen ist, wie sie ihren Lackierer Luigi (L) erwürgt (vermutlich wgen des etwas zu grellen Pinktons ihres VW-Käfer). F leitet das Foto nicht an die Polizei weiter.
-> keine Strafvereitelung durch Unterlassen der Weiterleitung des Fotos an die Polizei, da F keine Garantenstellung innehat.
Die Hobbyermittlerin H erhält Akteneinsicht in die Polizeiakte. Sie behauptet, die Polizeiakte enthält Beweise, dass eine bestimmte Person die Straftat begangen hat, gibt aber nichts Näheres bekannt.
-> keine Strafvereitelung ... sollte offensichtlich sein, warum ...
Generell weitere Beispiele zu strafbaren Handlungen der Strafvereitelung:
- das Verwischen oder Zerstören von Spuren (bspw. Fingerabdrücke, Blut, DNA-Reste) oder Spurenträgern
- das Verstecken oder Vernichten der Tatwaffe/Tatwerkzeuge
- das Verstecken oder Vernichten der Beute
- die Falschaussage
- das Unterminieren der Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen
- die Verweigerung einer Zeugenaussage ohne Zeugnisverweigerungsrecht
All das ergibt sich im Wesentlichen aus der Unterscheidung zwischen aktivem Tun und Unterlassen. Es ist nur schwierig, "physische" Beweismittel durch reines Unterlassen zu Unterdrücken (zu denkbaren Konstellationen siehe oben), während dies bei "Erkenntnissen" eher die Regel ist. Ist das insgesamt jetzt besser erklärt und verständlich formuliert?
LG
G.