jaska schrieb:Danke, das bestätigt meine Einschätzung, dass das Gericht sich in vielen Punkten auf die bisher angefallenen Akten bzw. festgehaltenen Aussagen vom ersten Prozess beziehen kann/bezieht. Denn bisher scheint der aktuelle Prozess "lediglich" dazu zu dienen, sämtlichen Widersprüchen und Ungereimtheiten nachzugehen. Lediglich ist das falsche Wort, denn allein diese Aufgabe ist extrem schwierig.
Allein darauf beschränken darf es sich nicht und es sind ja schon einge Zeugen gehört worden, welche die Sicht erweitert haben.
Und es wird eben darauf ankommen, wie das Gericht den Stand sieht. Sollte beispielsweise Herr Euler den Vater als Zeuge für die Widerlegung der Verion anbieten, dass angeblich er die Leiche beseitigt haben soll, so muss das Gericht ihn befragen, wenn das Gericht davon ausgeht, dass er das Opfer weggeschafft hat. Andernfalls würde rechtliches Gehör verletzt.
Das sich das Gericht - falls es zu einer Verurteilung kommt - vorher mit dem Wegschaffen der Leiche beschäftigen muss, liegt auf der Hand. Und hier müsste bei einer Verurteilung das Gericht ein plausibles nicht weltfremdes Szenario vorweisen können. Und selbst die StA geht davon aus, dass der Angeklgte es nicht selber machen konnte. Und es gibt letztendlich allenfalls extrem wenig nicht weltfremde Szenarien.
jaska schrieb:Bislang sind die Sensationen ausgeblieben
Man braucht keine Sensationen für einen Freispruch, da es nicht Ziel dieses Verfahrens ist, den wahren Täter zu ermitteln. Es wird auch u.U. nicht festgestellt, ob das Opfer wirklich tot ist.
Und was man als Sensation bezeichnet, ist vollkommen subjektiv, das sieht jeder anders. Ich z.B. empfinde das schon in den wenigen Prozesstagen bekannt gewordene sensationell genug. Andere verstehen darunter, dass der wahre Tâter ermittelt wird, das ist aber äuśerst unwahrscheinlich.
Aber was man bisher bekannt geworden ist, ist aber schon sehr aussagekräftig. Man hat die Distanz nicht gewahrt und damit Herrn Kulac etwas vor gemacht. Dass er sich mit einer Erzählung selber belastet, wurde ihm letztlich nicht klar gemacht, das ist aus den vielen Äußerungen der Ermittler sehr deutlich geworden. Hier haben vermutlich unbewusst die Schwäche von Herrn Kulac ausgenutzt. Ob die Erzählung nun war oder unwahr ist, spielt in einem solchen Fall keine Rolle mehr. Das Geständnis dürfte dann nicht verwendbar sein.
Was verwendbar gewesen wâre, wären Tatsachen, welche man auch über andere Wege hätte ermitteln können. Wäre beispielsweise die Leiche gefunden worden, hätte man diese trotzdem hernehmen können, da man diese auch auf anderem Wege hätte finden können. Aber so etwas in dieser Art hat die Erzählung nicht gebracht.
Prinzipiell könnte allein schon damit das Gericht ein Verwertungsverbot begründen. Es wäre jedoch wenig befriedigend. Daher werden Gerichte in einem solchen Fall versuchen u. U. zusätzlicher noch die Unglaubwürdigkeit zu belegen.
Frau.N.Zimmer schrieb:Ein Gewinn wäre wenn das Schicksal dieses Kindes geklärt würde und das sehe ich nicht. Mag sein sie sprechen U.K. frei dann wissen wir trotzdem nicht was geschehen ist und an seiner Unterbringung ändert es auch nichts.
Nein, ein Gewinn ist es in jedem Fall.
Zum einen für den Rechtsstaat
Und zum anderen für den Fall.
Wären nicht soviel Zweifel gekommen, hätte die StA niemals weiter ermittelt. Der Fall wäre zu den Akten gekommen und einem evtl. Unschuldigen wäre diese Tat zugewiesen worden.
Sollte ein Freispruch erfolgen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass der Fall noch mehrfach angegangen wird.
Sollte doch noch ein Schuldspruch erfolgen, wird dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit klarer begrúndet sein und die Zweifel weiter ausgräumt sein. Ob das dann wirklich die Wahrheit ist, steht dann natürlich auf einem anderen Blatt.
Sollte festgestellt werden, dass die Ermittler mit dem Umgang eines geistig Behinderten zu viele Fehler begangen haben, bietet sich dieser Fall - gerade wegen der starken Publizität - anderen Ermittlern als Lehrstoff an.
Aus meiner Sicht ist dieser Fall und das neue Verfahren daher von hohem Nutzen. Er reiht sich in den Fall Rupp ein, wo man keine adäquate Befragungstechnik angewendet hat. Und daraus ist zu lernen und ist nur zum Vorteil fúr unseren Staat.