guten abend,
...den eigenen horizont erweitern, gleichzeitig die womöglich brachliegende fantasie anregen, und zudem noch einen guten vorsatz für das neue jahr zu haben- dies alles gelingt mit:
"Erst googeln- dann schreiben!!"
in diesem sinne...
Die Autorin Monika Bormeth ist Redakteurin der PNP in Landau. Die Nacht im Wald kann sie nur empfehlen.
http://www.pnp.de/themen/2014/pnp_unterhaltung/913929_Wenn-es-Nacht-wird-im-Wald.html?em_cnt=913929 Parnkofen | 17.08.2013 | 05:00 Uhr
Selbstversuch: Eine Nacht allein im Wald
Wie fühlt es sich an, eine Nacht im Wald zu schlafen? PNP-Autorin Monika Bormeth machte den Selbstversuch. − Foto: Manuel Birgmann
Zirpen, flattern, knacken: Nachts hat der Wald 1000 Stimmen. Kann man so schlafen? Und welche Tiere begegnen einem? Der Selbstversuch – eine Nacht im Wald.
Es sind Abenteuerlust, Neugierde und die Geschichten meiner Kindheit, die mich in einer warmen Sommernacht hinaus in den Wald ziehen. Etwa das Märchen von Ronja Räubertochter, die in einer Bärenhöhle im Mattiswald hauste oder die Geschichten von Tina und Tini, die in einem dunklen Wald bei Mitternacht einen Schatz fanden. Mein Abenteuer beginnt um 21 Uhr. Eine Mücke umkreist mein Ohr. Grillen zirpen. Es wird Nacht im Wald. Ein bläulicher Schleier scheint sich in Zeitlupe über die Fichten zu legen. Ich bin allein – mit einer Campinglampe, einem Schlafsack und einem Block.
Wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagenAllein auf dem VR-Bank-Waldlehrpfad von Parnkofen (Landkreis Dingolfing-Landau). Dort, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, wenn es dunkel wird. Eine Szene, die man in der Nähe eines Fuchsbaus tatsächlich beobachten könnte – denn dort, wo der Fuchs wohnt, jagt er keine Hasen. Sonst würden die Tiere merken, wo sich sein Bau befindet. Burgfried nennt man dieses Verhalten. So hat es mir Tags zuvor Jäger Erich Dinzinger erklärt. Dass man beim ersten Gang in den Wald gleich einen Fuchs trifft, hat er aber für unwahrscheinlich gehalten. Dafür hat Forstdirektorin Margret Kolbeck "Rehe ohne Ende" auf der 42 Hektar großen Waldfläche versprochen.
Ich warte angespannt, sitze auf der breiten Stufe eines hölzernen Pavillons, der Wanderern untertags als Rastplatz dient. Keine Rehe. Ein Glühwürmchen tanzt durch die Dunkelheit. Irgendwo in der Ferne jault ein Hund. Das gleichmäßige Zirpen der Grillen erinnert an einen lauen Sommerabend auf der Terrasse. Viel Glück braucht man, um ein Reh zu entdecken, hat der Jäger bereits im Voraus angedeutet. Das Auto lieber ein Stück weit vom Nachtlager entfernt parken, hat er empfohlen. Sonst wittern die Tiere, dass jemand in der Nähe ist und lassen sich nicht blicken.
Noch ist es nicht vollständig dunkel. 22 Uhr zeigt das Handy, Netz kaum vorhanden. Auf dem leuchtenden Display landet ein riesiges Insekt. Lieber schnell ausschalten. Zwischen den Bäumen hängt ein zitronenförmiger Mond. Auf dem Holzboden des Pavillons – er hat ein Dach, aber keine Wände – kuschle ich mich in den Schlafsack. Soll ich schlafen? Oder weiter darauf warten, dass zwischen den Bäumen Bambi auftaucht und mich mit großen Rehaugen anschaut? Um die Campinglampe schwirren Nachtfalter. Ich drehe das Licht ab. Dunkelheit. Der Nachtfalter flattert am Holzdach entlang. Dann knallt es. Ich schrecke hoch. Kralle die Hände um die Lampe und möchte schreien. Laut hallt der Schuss durch die Nacht. Nach dem Schuss Stille – nur die Grillen zirpen. Jetzt haben sich mit Sicherheit alle Rehe versteckt.
Eine merkwürdige Mischung aus Ruhe und innerer Anspannung macht sich in mir breit. Müde starre ich in die Dunkelheit, fühle mich beruhigt von dem immer gleichbleibenden Zirpen der Grillen – aber gleichzeitig stets in Alarmbereitschaft ob der 1000 anderen Geräusche. Jedes Rascheln lässt den Puls in die Höhe schnellen, das Adrenalin gewaltiger durch die Adern jagen. Gerade jammert ein undefinierbarer Klagelaut durch die Nacht. Irgendwo in der Ferne scheint ihm ein Fiepen zu antworten. Gleich darauf knackt es im Gehölz. Und wieder. Und wieder. Jedes Mal kräftiger und lauter. Es klingt, als stapfe ein Riese durch das Unterholz und reiße mit seinen Schritten alles um, was ihm in die Quere kommt. Es sind 1000 Geräusche, die einen regelrecht überwach machen – vor allem, weil zu keinem Geräusch eine Auflösung folgt. Ich bin allein mit meinen Vermutungen: Ringelt sich etwa eine Schlange durch das Gras? Stapft da ein Rehbock heran? Oder ist es ein Eber mit gewaltigen Hauzähnen?
Mit Unbehagen denke ich daran, was der Jäger gesagt hat. Wildschweine werden immer zahlreicher. Mittels Fotofalle sind schon einige in diesem Waldstück gesichtet worden. Wenn ich Glück habe, sind sie bereits weiter gezogen. Bis zu 40 Kilometer legen sie laut Jäger pro Nacht zurück. Da ist es beruhigend, dass das einzige blutsaugende Tier unscheinbar klein ist: die Zecke, laut Erich Dinzinger das mit Abstand gefährlichste Tier für den Menschen im Wald.
Je dunkler es wird, umso stärker nimmt der Wald optisch an Tiefe ab. Ich fühle mich, als läge ich in einem Kreis und als hätte jemand ringsherum einen überdimensionalen schwarzen Scherenschnitt aufgestellt. Eine graue Fläche, an der sich schwarze Gestalten abzeichnen, umgibt mich wie ein Trichter. Der Mond hat sich hinter Wolken versteckt, nur ein paar farbige Schlieren lassen ihn noch erahnen.
Ich möchte schlafen – und kann nicht. Ich bin zu wach. Es ist fast drei Uhr früh. In der Ferne schlägt eine Kirchturmuhr. Die Luft ist kühl geworden. Jeder Atemzug fühlt sich nach Frische an. Die Minuten schleichen, jede Sekunde dauert eine Ewigkeit. Ich ziehe den Schlafsack über die Ohren, damit das leise Rascheln in der Nähe mich nicht nervös machen kann. Ich wälze die Gedanken hin und her. Theoretisch könnte ich heimfahren – aber das ist keine Option, denn in spätestens zwei Stunden geht die Sonne auf. Nicht nachdenken, befehle ich mir. Mein Kopf wird schwer. Es raschelt, der Wind rauscht. Stille.
Der Morgen bringt das RehWo bin ich? Leises Vogelgezwitscher dringt an mein Ohr. Ich schlage die Augen auf. Es ist hell. Es ist fünf Uhr morgens. Der Wald erwacht zum Leben – und ich habe tatsächlich geschlafen. Meine Nasenspitze ist kalt. Ich ziehe den Reißverschluss der Jacke ganz nach oben, kämpfe mich aus dem Schlafsack und marschiere der Sonne entgegen. Zwei grüngesprenkelte Kröten springen über den taunassen Waldboden. Und dann ist es da: Das Tier, auf das ich in der Dämmerung so lang gewartet habe. An der Lichtung steht ein Reh und hebt den Kopf in die Morgensonne. Ich schleiche näher, es knackt unter den Turnschuhen – und schon ist es verschwunden. Polternd jagt es über den Kiesweg davon. Jetzt kann ich nach Hause fahren. Ich habe mein Reh gesehen, und darüber hinaus erfahren: Auch auf die dunkelste und längste Nacht folgt ein Morgen – am schnellsten geht es, wenn man loslässt und die Augen zumacht.
Die Autorin Monika Bormeth ist Redakteurin der PNP in Landau. Die Nacht im Wald kann sie nur empfehlen.
mfg: domlau