Zum Deal im Strafverfahren, der hauptsächlich bei umfangreichen Wirtschaftsstrafsachen, die kompliziert und langwierig sind, stattfindet, aber kaum bei Kapitalverbrechen, hier etwas Ausführlicheres:
https://www.jura.uni-tuebingen.de/professoren_und_dozenten/heinrich/materialien/materialien-zur-vorlesung-strafprozessrecht-pdf-dateien/materialien-zur-vorlesung-strafprozessrecht-pdf-dateien/40-deal.pdfDas Bundesverfassungsgericht hat § 257 c StPO als nicht verfassungswidrig abgesegnet, allerdings die Vollzugsdefizite durchaus gesehen. Wie gesagt wird aber nicht über einen Angeklagten und seinen Verteidiger „hinweggedealt“, die beiden müssen schon mitmachen, und wenn sie es tun, haben sie Gründe dafür, manchmal eben auch den, dass ein Schuldiger mit weniger Strafe und vor allem auch weniger Gerichtskosten davonkommt. Nicht jedes Geständnis, das im Rahmen eines Deals abgelegt wird, muss falsch sein.
ErwinKöster schrieb:Andere sind zB
- Eingleisige Ermittlungen und Vernehmungen (eindimensional auf bestimmten Verdächtigen fokussiert)
- Unrichtige Zeugenaussagen
- falsche Sachverständigengutachten
- falsches Geständnis wird beweisgewürdigt (Pfaffinger)
Natürlich können diese Umstände Gründe für Fehlurteile sein. Ich selber wüsste spontan noch mehr solcher abstrakten möglichen Gründe. Ich möchte aber mal eine seriöse Statistik lesen, aus der sich ergibt, wie oft Fehlurteile am Ende in der Praxis wirklich vorkommen. Wissen tut das nämlich bisher niemand.
Ein Gericht fällt eigentlich nicht sooo oft auf falsche Zeugenaussagen oder falsche Gutachten herein. Und wenn doch, muss die falsche Aussage oder das falsche Gutachten nicht unbedingt eine tragende Entscheidungsgrundlage gewesen sein.
Jedes Jahr gibt es in D hunderttausende von Strafverfahren. Von Fehlurteilen hört man relativ selten.
ErwinKöster schrieb:Verschlimmert wird die Situation noch dadurch, dass gegen Urteile der Landgerichte keine Berufung inkl. Neuüberprüfung der Tatsachen möglich ist, sondern nur die Revision, bei der nur auf Rechtsfehler und Denkunmöglichkeiten geprüft wird.
Ja, da ist nun der Gesetzgeber gefragt. Der müsste die StPO so ändern, dass nach den Landgerichten noch eine weitere Tatsacheninstanz hinzukommt.
Das wird aber den Bundesländern, die für die Finanzierung der Justiz zuständig sind, soweit es nicht um die obersten Bundesgerichte geht, wohl zu teuer. Denn die Bundesländer müssten das zusätzliche Richter- und Staatsanwalts- sowie Folgepersonal, das für eine weitere Tatsacheninstanz notwendig wäre, samt Ausstattung (Büros, Sitzungssäle, Technik) bezahlen. Und das würden sie nicht mögen, so dass im Bundesrat dann eine solche Änderung der StPO vermutlich durchfallen würde.
Was die JustizPOLITIK angeht, also die Schaffung bzw. Änderung von Gesetzen, die die Gerichte anwenden müssen und auf deren Grundlage sie agieren, muss man sich also an den Gesetzgeber wenden, nicht an die Rechtsprechung.