JosephConrad schrieb:Wie ist aber eine nichtfunktionale Aussage wie "Der Verdächtge hatte ein starkes Tatmotiv XY" zu bewerten?
Diese Aussage ist überhaupt nicht zu bewerten. Das Tatmotiv muss benannt sein und zur Tat passen. Wenn der angebliche Täter z.B. 100000 EUR Schulden bei einer Bank hat und Lösegeld erpresst, um seine Schulden zu bezahlen, dann ist das kein Motiv. Denn mit erpresstem Bargeld lassen sich keine Bankschulden bezahlen.
Andante schrieb:robernd schrieb:
Das große Problem ist, dass Richtern in der Regel nicht klar ist, wie hoch der Wahrheitsgehalt/Wahrscheinlichkeit einer Aussage überhaupt ist.
Wie kommst du denn auf die Idee, dass Richtern das nicht klar sein sollte? Allerdings kann man den Wahrheitsgehalt von Zeugenaussagen nicht mathematisch berechnen.
Hier habe ich mich ungeschickt ausgedrückt. Mit "Aussage" meine ich eine allgemeine logische Aussage, nicht unbedingt eine Zeugenaussage.
Andante schrieb:Oder redest du von Sachverständigengutachten, insbesondere Gutachten von Schriftsachverständigen?
Graphologische Gutachten habe ich nur erwähnt, weil sich die oben genannten Autoren auf über 70 Seiten gerade darüber ausgelassen haben. Bitte
dort nachlesen.
Andante schrieb:Wenn ein medizinischer Sachverständiger eindeutig eine Todesursache oder ein Kfz-Sachverständiger ebenso eindeutig einen Defekt am Fahrzeug feststellen kann, ist das was anderes, als wenn ein graphologischer Sachverständiger mit einem Wahrscheinlichkeitsgrad von sagen wir 90 Prozent sagen kann, ob die Schriftprobe von einer bestimmten Person stammt, die Unterschrift also mutmaßlich gefälscht ist oder nicht.
Genau deshalb habe ich den
Bericht weiter oben erwähnt. Auch Angaben über die Todesursache sind z.B. nicht so zuverlässig (vorletzter Absatz).
Zu Glaubwürdigkeit von KFZ-Gutachten: Ich kenne ein Gutachten über einen Verkehrsunfall, in dem der Gutachter aus der Länge der Bremsspur die gefahrene Geschwindigkeit (ca. 80 km/h) auf 3 Stellen hinter dem Komma berechnet hat. Jegliche Fehlerabschätzung fehlt. Dafür hat er Bremsproben an einem anderen Tag und bei anderen Straßenverhältnissen gemacht. Er verwendete ungeeichte Amateurgeräte für den Motorsport zur Messung der Bremsverzögerung. Radargeräte der Polizei sind geeicht aber (per Definition) weit ungenauer. Das Gericht hat den ojektiven Schwachsinn geglaubt.
Lichtenberg schrieb:Was konkret nun "Umgang mit Wahrscheinlichkeiten" bedeuten soll, bleibt rätselhaft. Hört sich aber immerhin toll an.
Das habe ich aufgeschrieben:
robernd schrieb:Auch der Umgang mit Wahrscheinlichkeiten ist nicht geläufig. Müssen sie bei mehreren Aussagen/Indizien addiert, multipliziert oder komplexer verrechnet werden? Voraussetzung dafür wäre eine logische Analyse des Zusammenhangs.
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Lichtenberg schrieb:robernd schrieb:
Auch bei Stimmenvergleichsgutachten sollten Angaben, die in Schriftgutachten üblich sind, nicht unmöglich sein.
Dieser Satz will sich mir nicht erschließen: Sind Stimmenvergleichsgutachten etwas (grundlegend) anderes als Schriftgutachten? Was sind denn Schriftgutachten? Und was(!) für Angaben sollten nicht unmöglich sein?
Der Texzauszug oben
(weißer Kasten) stammt nicht von mir sondern aus dem Gutachten einer Phonetikerin.
Das ist der Knackpunkt: Ich halte die beiden nicht für grundlegend anders. Trotzdem schließt eine Phonetikerin die (auch für andere Fachbebiete empfohlene) Wahrscheinlichkeitsskala der Schriftsachverständigen für ihr Fachgebiet aus.
Lichtenberg schrieb:Der Grund dafür ist, dass niemand weiß, wie viele Tafeln Schokolade sich (vorher) im Schrank befanden und ob nun eine fehlt.
Ein schönes Beispiel. Wie viel Bargeld bei CB eventuell vorhanden war, weiß niemand. Trotzdem wird behauptet, dass keines gestohlen wurde (zumindest nicht die im Raum stehende sehr hohe Summe).
Mark_Smith schrieb:Stellt sich nur schon die Frage, wie ein graphologischer Sachverständiger angeben will, wie hoch die Zuverlässigkeit im konkreten Einzelfall sein soll. Das erschliesst sich mir momentan noch nicht.
Auch das steht in der oben verlinkten Broschüre des BKA. Zumindest sollte ein Richter im Kopf haben, dass z.B. 90 % üblich sind.
Andante schrieb:Und was Sachverständigengutachten angeht, muss der Richter halt im Einzelfall auch entscheiden, ob das Gutachten ihn überzeugt oder nicht. wahrscheinlichkeitsrechnungen und Statistik sind dabei null Hilfe.
Sie sollten aber eine Hilfe sein. Wenn in einem Gutachten Fehler- und Wahrscheinlichkeitsabschätzungen völlig fehlen, sollte es dem Richter zumindest verdächtig sein. Er müsste dann zur Sicherheit ein weiteres beauftragen. Speziell dann, wenn es eine tragende Säule des Urteils ist.