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Mordfall Charlotte Böhringer

28.687 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, München, 2006 ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mordfall Charlotte Böhringer

Mordfall Charlotte Böhringer

13.03.2019 um 10:43
Zitat von AndanteAndante schrieb:Hm, sehr viele Gesetze werden in Umsetzung von EU-Richtlinien geändert bzw. angepasst, da die EU-Mitglieder europarechtlich verpflichtet sind, diese Richtlinien in nationales Recht umzusetzen
Und andere Gesetzesänderungen passieren, weil neue Bundes- bzw. Landesregierungen mit geänderten Bundestags- bzw. Landtagsmehrheiten da sind. Da werden dann eben die neuen politischen Ziele durchgesetzt.
Das ist natürlich richtig und beißt sich ja nicht mit meiner Aussage:
Zitat von jadajada schrieb:Daher werden Gesetzestexte auch fortlaufend geändert, angepasst bzw. verbessert.
.

Ich denke, dass Gesetzestexte aber auch angepasst oder detaillierter werden, weil eben die Auslegung des Textes nicht eindeutig war.


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13.03.2019 um 10:57
Zitat von meerminmeermin schrieb:In diesem Filmbeitrag spricht der Staatsanwalt übrigens auch gleich mehrmals darüber, dass aus seiner Sicht die Gesamtschau der vorliegenden Indizien das Belastende für Bence Toth ausgemacht hätte, nicht die einzelnen Indizien für sich.
ja, diese Aussagen haben mir auch zu denken gegeben. Ich habe die Aussage des Staatsanwaltes so interpretiert, dass die Einzelnen Indizien nicht wirkliche nachgewiesene "belastende Indizien" sind. (Die Verteidigung konnte ja auch viele entkräften bzw. erklären).
Nur in der "Gesamtschau" in einem "erdachten Ring" werden die Indizien zu belastenden Indizien.

Das finde ich nicht richtig. Wenn kein einzelnes Indiz für sich ein "belastendes Indiz" war , dann wäre doch ein Freispruch zwingend, bzw. es hätte doch gar nicht zur Anklage kommen dürfen, da erst wirkliche belastende Indizien hätten ermittelt werden müssen.


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13.03.2019 um 11:04
@Rosenmontag
Und dass man viele Auffälligkeiten erklären muss, macht dich nicht stutzig? Sollen wir alle freilassen, die sich für jedes Indiz eine neue Lüge einfallen lassen?
Dann wären viele Gefängnisse auf einen Schlag leer.
Tut mir leid, aber deine Denkweise ist etwas naiv.


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13.03.2019 um 11:06
Zitat von LichtenbergLichtenberg schrieb:Mein Frage bezog sich darauf, was Du denkst welche Legitimation Herr Petermann hat. Meine Vermutung ist, dass Du dir nicht bekannt ist, dass Herr Petermann als Privat(!)Person im Auftrag einer Privatperson was auch immer untersucht. Er darf also im Rahmen seiner "Untersuchungen" nicht weniger, aber gewiss auch nicht mehr, als jeder andere, der was auch immer zu ermitteln gedenkt.

Man sollte das mal erwähnt haben, weil Du hier regelmäßig behauptest, dass die Feststellungen eines Gerichts gleichbedeutend seien mit den "Ermittlungen" privat beauftragter Gutachter.
Du sprichst in der Tat eine Thematik an, an die ich wirklich nicht gedacht habe. Könnte es also sein, dass das Gericht darauf bestünde, die neuerlichen Untersuchungsergebnisse gar nicht anzuerkennen und darauf zu bestehen, dass die ursprünglichen, im Gerichtsurteuil zum Tragen gekommen Untersuchungsergebnisse der Spuren richtig seien? Wäre das rechtsmässig?

Welche Möglichkeiten der Korrektur wären aber dann bei Fehlern und Irrtümern bei der Spurenerfassung von staatlicher Seite und der Gesetzgebung her noch möglich?

Können Ergebnisse wie die, die jetzt von Herrn Pertermann und der Verteidigung aufgrund von neueren Untersuchungen vorgelegt wurden, einfach ignoriert werden? Gibt es keine Instanz, die berechtigt und angewiesen ist in einem solchen Fall zu überprüfen, ob wirklich Fehler gemacht wurden? Wenne es sich so verhalten würde wie du sagst, dann würde das mein Weltbild ziemlich erschüttern, ich bin naiverweise davon ausgegangen, dass Fehler, wenn sie gemacht wurden korrigiert werden müssen und dürfen, vor allem wenn es um Fehler geht, die in ein Gerichtsurteil einfliesen und schwerwiegende Konsequenzen für einen Menschen haben können.

Und an Dich die Frage: Meinst du, dass es Handschuhspuren an der Tür in Spionnähe gab? Denkst du, dass bei der Untersuchung des Jackets des Opfers alles richtig gemacht wurde?


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13.03.2019 um 11:12
Zitat von JamegumbJamegumb schrieb:Und dass man viele Auffälligkeiten erklären muss, macht dich nicht stutzig? Sollen wir alle freilassen, die sich für jedes Indiz eine neue Lüge einfallen lassen?
Dann wären viele Gefängnisse auf einen Schlag leer.
Tut mir leid, aber deine Denkweise ist etwas naiv.
auch eine "Lüge" muss bewiesen werden.
Das ist die "denke" eines Rechtsstaates!


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13.03.2019 um 11:23
@Rosenmontag

Welche Lüge wurde dir denn nicht ausreichend widerlegt? Dass das Geld aus Sportwetten stammte? Dass die Zeitungen in der Tankstelle "entliehen" wurden? Dass er seinen Kumpel in Augsburg besuchen wollte, ohne Navi, ohne Ortskenntnisse, ohne Anmeldung und ohne überhaupt Zeit dafür zu haben? Das wurde alles haarklein widerlegt.


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13.03.2019 um 11:23
Zitat von RosenmontagRosenmontag schrieb:auch eine "Lüge" muss bewiesen werden.
Das ist die "denke" eines Rechtsstaates!
Es herrscht die "freie richterliche Beweiswürdigung". Es gibt kein objektives Kriterium, wann ein Beweis ein Beweis ist. Es reicht, wenn man es als glaubhaft oder unglaubhaft erachtet. :-)


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13.03.2019 um 11:31
Zur Frage, welche Beweismittel im Strafprozess zugelassen sind, was ein Strengbeweis und was ein Freibeweis ist und was richterliche Beweiswürdigung bedeutet, hier eine allgemein verständliche kurze Zusammenstellung des ehemaligen BGH-Strafsenatsvorsitzenden Dr. Fischer.

https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-09/strafprozessrecht-beweis-ueberzeugung/seite-3


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13.03.2019 um 11:36
Zitat von meerminmeermin schrieb:Du sprichst in der Tat eine Thematik an, an die ich wirklich nicht gedacht habe. Könnte es also sein, dass das Gericht darauf bestünde, die neuerlichen Untersuchungsergebnisse gar nicht anzuerkennen und darauf zu bestehen, dass die ursprünglichen, im Gerichtsurteuil zum Tragen gekommen Untersuchungsergebnisse der Spuren richtig seien? Wäre das rechtsmässig?

Welche Möglichkeiten der Korrektur wären aber dann bei Fehlern und Irrtümern bei der Spurenerfassung von staatlicher Seite und der Gesetzgebung her noch möglich?
Es gibt eine "Wahrheit", die wir hier erörtern. Und es gibt eine "strafprozessuale Wahrheit", die durch das LG rechtskräftig festgestellt wurde. Die steht im Urteil und gilt so lange, wie dieses Urteil nicht abgeändert worden ist. Egal, was danach Zeugen, Gutachter, Medien und Öffentlichkeit feststellen. Rechtskraft bedeutet im Grundsatz Unabänderlichkeit.

Für absolute Ausnahmefälle gibt es aber ein Türchen: Das Wiederaufnahmeverfahren. Ein Antrag wurde im Falle BT erst kürzlich gestellt.

Sollen also die Erkenntnisse von Herrn Petermann Gewicht bei der strafprozessualen Wahrheitsfindung erlangen, müssen sie als Beweismittel eingebracht und gerichtlich bewertet werden. Das geht nur über ein erfolgreiches Wiederaufnahmeverfahren mit anschließenden neuen Prozess.


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13.03.2019 um 11:56
Zitat von meerminmeermin schrieb:Könnte es also sein, dass das Gericht darauf bestünde, die neuerlichen Untersuchungsergebnisse gar nicht anzuerkennen und darauf zu bestehen, dass die ursprünglichen, im Gerichtsurteuil zum Tragen gekommen Untersuchungsergebnisse der Spuren richtig seien? Wäre das rechtsmässig?
Ja, klar. Die „Erkenntnisse“ der Sachverständigen sind ja lediglich eine andere Interpretation der Spurenlage. Ob diese abweichende Interpretation a) wirklich neu und b) überzeugender ist als die bisherige und welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, sind Überlegungen, vor denen das LG Augsburg steht.
Ich persönlich gehe fest davon aus, dass die damaligen Sachverständigen sehr gute Arbeit geleistet haben, dass die Tatversion, von der das Gericht ausgegangen ist, dem wahren Ablauf entspricht und die Sachverständigen der Verteidigung es daher sehr schwer haben, die Tatsachen anders zu deuten und für ihre Deutung nicht angreifbare Nachweise zu liefern.


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13.03.2019 um 11:56
Zitat von JamegumbJamegumb schrieb:Das wurde alles haarklein widerlegt.
Widerlegt wurde da gar nichts. Es wurde einfach nicht geglaubt. Das ist zwar im Rahmen der freien Beweiswürdigung formaljuristisch okay, aber doch etwas anderes als "widerlegt".


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13.03.2019 um 12:32
Zitat von meerminmeermin schrieb:Gibt es keine Instanz, die berechtigt und angewiesen ist in einem solchen Fall zu überprüfen, ob wirklich Fehler gemacht wurden? Wenne es sich so verhalten würde wie du sagst, dann würde das mein Weltbild ziemlich erschüttern, ich bin naiverweise davon ausgegangen, dass Fehler, wenn sie gemacht wurden korrigiert werden müssen und dürfen, vor allem wenn es um Fehler geht, die in ein Gerichtsurteil einfliesen und schwerwiegende Konsequenzen für einen Menschen haben können.
Es gibt natürlich keine staatliche Instanz, die VON SICH AUS (womöglich noch täglich) überprüft, ob rechtskräftig abgeschlossene Gerichtsverfahren fehlerhaft durchgeführt wurden und ob Gründe für die Wiederaufnahme dieses erledigten Verfahrens vorliegen.

Die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens erfolgt stets nur auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten. Im Antrag müssen ausreichende gesetzliche Gründe für die Wiederaufnahme vorgenracht werden. Das können neue Gutachten sein, die der Antragsteller dann natürlich privat hat anfertigen lassen (hier Petermann und Co.) oder anderes. Sind im Antrag aber keine dem Gesetz entsprechenden ausreichenden Wiederaufnahmegründe enthalten, wird der Antrag auf Wiederaufnahme abgelehnt.

Dann gibt es keine Wiederaufnahme des abgeschlossenen Verfahrens, es bleibt bei dem rechtskräftigen Urteil.


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13.03.2019 um 12:58
Ergänzung:

Der Antrag auf Wiederaufnahme kann von dem Verurteilten gestellt werden (wie hier durch BT). Antragsrechtberechtigt sind auch die StA, Privat- und Nebenkläger.

Der Antrag auf Wiederaufnahme, also hier der Antrag von BT, der leider bisher nicht veröffentlicht ist, obwohl der Veröffentlichung kein gesetzliches Verbot entgegensteht, muss den gesetzlichen Grund für die Wiederaufnahme sowie die Beweismittel nennen. Dies prüft das zuständige Gericht im sog. Aditionsverfahren. Bei Unzulässigkeit des Antrags wird die Wiederaufnahme verworfen. Andernfalls ergeht ein Zulassungsbeschluss. Im anschließenden sog. Probationsverfahren wird die Begründetheit des Wiederaufnahmeantrags geprüft.

Der Antrag auf Wiederaufnahme wird ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen, wenn die im Antrag aufgestellten Behauptungen keine genügende Bestätigung gefunden haben (§ 370 Abs. 1 StPO).

Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Antrag begründet ist, ordnet es durch Beschluss die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an. In der Regel folgt nun eine neue Hauptverhandlung vor dem dann zuständigen Gericht.


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13.03.2019 um 13:16
@Andante
Vielen Dank für den Link zur Kolumne von Thomas Fischer

Die Differenzierung zwischen Strengbeweis und Freibeweis war mir nicht bekannt.
Eine strafrechtliche Verurteilung darf also nicht auf "Freibeweise" gestützt sein , das entspricht auch meinem laienhaften Rechtsempfinden.

Eine strafrechtliche Verurteilung kann nur auf Strengbeweise gestützt werden.
Strengbeweise sind Zeugen, Sachverständigengutachten, Urkunden, Augenschein, im Strafprozess auch Geständnisse

Die Verurteilung von BT wurde von einem " Indizienring" gestützt, der mMn zu den Freibeweisen gehört und nicht zu einer Verurteilung hätte führen dürfen.


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13.03.2019 um 13:29
Zitat von RosenmontagRosenmontag schrieb:Die Verurteilung von BT wurde von einem " Indizienring" gestützt, der mMn zu den Freibeweisen gehört und nicht zu einer Verurteilung hätte führen dürfen.
Hätte es einen solchen Verfahrensfehler gegeben, wäre das Urteil in der Revision kassiert worden. Man kann also davon ausgehen, das insoweit kein Fehler vorgelegen hat. Dass Strengbeweise en masse (Zeugen, Sachverständige, Urkunden) erhoben wurden, lässt sich ja nicht leugnen.

Eine ganz andere Frage ist, ob man selber als Richter nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung der Strengbeweise zu eine anderen Entscheidung gekommen wäre.


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13.03.2019 um 13:40
Zitat von AndanteAndante schrieb:Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Antrag begründet ist, ordnet es durch Beschluss die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an.

Ich kann mir vorstellen, dass der WA-Antrag gar nicht zulässig sein wird, eben weil keine neuen Beweise vorliegen, sondern „nur“ weitere Sachverständige mit anderer Meinung eingebracht werden, die nun mal nicht zwangsläufig ein neues Beweismittel im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO sind.

Es geht um den Todeszeitpunkt, die DNA-, die Handschuh- und Blutspritzer-Spuren. Mehr ist momentan meines Wissens nicht bekannt.
Alle diese Aspekte wurden bereits ausgiebig durch entsprechende Fachgutachten und anschließend im Urteil gewürdigt. Insofern liegt hier zunächst mal gar kein neues Beweismittel vor. Überlegene Forschungsmittel sind auch nicht zu erkennen. Unzureichende Sachkunde möchte ich bezweifeln, ebenso unzutreffende tatsächliche Grundlagen und auch neue Anknüpfungspunkte werden, soweit erkennbar, nicht vorgetragen.

Es handelt sich also lediglich um eine andere Interpretation:

Die Spuren, die damals als Handschuhspuren gewertet wurden, werden jetzt anders interpretiert. Das reicht nicht.

Die Blutspitzer sind immer noch an derselben Stelle, sie werden nur in Bezug auf den ersten Angriff anders ausgelegt. Das reicht nicht.

Die DNA-Analyse ist immer noch die gleiche, sie wird nur mit anderer Wahrscheinlichkeit ausgewertet. Das reicht nicht.

Die Fakten, die den Todeszeitpunkt eingrenzen werden anders bewertet / berechnet mit dem Ergebnis der Verschiebung des möglichen Zeitfensters. Auch das reicht nicht.

Selbst wenn Novität doch zu bejahen wäre, fehlt es immer noch an der Geeignetheit der Beweise zum Freispruch oder zur milderen Bestrafung. Hierfür wird bekanntermaßen von Petermann ein alternatives Tathergangskonstrukt mit einem bereits in der Wohnung anwesenden Täter herangezogen, dass aber insgesamt in meinen Augen nicht sehr wahrscheinlich ist.

Ich sehe ehrlich gesagt nicht allzu viel Chancen. Wenn Strate bei Darsow erfolgreich sein sollte, überlege ich's mir nochmal, ansonsten sehe ich einen parallelen Verlauf.


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13.03.2019 um 13:48
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Ich kann mir vorstellen, dass der WA-Antrag gar nicht zulässig sein wird, eben weil keine neuen Beweise vorliegen, sondern „nur“ weitere Sachverständige mit anderer Meinung eingebracht werden, die nun mal nicht zwangsläufig ein neues Beweismittel im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO sind.
Eben, das ist der springende Punkt. Beim Wiederaufnahmeantrag muss folgendes gefragt werden:

Sind darin NEUE Strengbeweismittel enthalten, die, wenn sie dem Gericht schon damals bekannt gewesen wären, zu einer anderen Entscheidung geführt hätten?
Insofern dürfte es nicht ausreichen, dass neue Privat-Sachverständige aufgeboten werden, die die längst bekannten Spuren bloß anders interpretieren als die damals vom Gericht bestellten Gutachter. Ansonsten gäbe es nämlich andauernd erfolgreiche Wiederaufnahmeverfahren, was aber nicht der Fall ist.


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13.03.2019 um 14:18
Zitat von AndanteAndante schrieb:Hätte es einen solchen Verfahrensfehler gegeben, wäre das Urteil in der Revision kassiert worden. Man kann also davon ausgehen, das insoweit kein Fehler vorgelegen hat. Dass Strengbeweise en masse (Zeugen, Sachverständige, Urkunden) erhoben wurden, lässt sich ja nicht leugnen.
das stimmt natürlich. Es wurden en masse Stengbeweise (Zeugen, Sachverständige, Urkunden) erhoben, aber die Verurteilung wurde mit dem konstruierten Indizienring begründet. Darin sehe ich noch einen kleinen Unterschied!
Grade bei einem Wiederaufnahmeantrag wird es kaum Strengbeweise geben können, die den Indizienring widerlegen können der auf der richterlichen freien Beweisführung geruht.
Wahrscheinlich könnte nur ein Geständnis des Täters, möglichst mit glaubhaften Zeugenaussagen den Indizienring widerlegen.

Diese Art der Prozessführung und Urteilsbegründung halte ich für unfair.


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13.03.2019 um 14:32
Zitat von RosenmontagRosenmontag schrieb:Stengbeweise
Ist das ein Fachbegriff aus der Juristerei? Wie „konstruierter Indizienring“?
Google gibt nichts her.


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13.03.2019 um 14:48
Zitat von RosenmontagRosenmontag schrieb:Diese Art der Prozessführung und Urteilsbegründung halte ich für unfair.
Das kann man so nicht sagen.

Strengere Beweisregeln oder Anforderungen an die freie richterliche Beweiswürdigung würden jedenfalls dazu führen, dass es wesentlich mehr Freisprüche gäbe. Auch in Fällen, in denen man das gar nicht möchte.

Bei einem Fall, bei dem die Verurteilung allein aufgrund eines Strengbeweises (nur die gibt es im Strafverfahren als Grundlage für einen Schuldspruch) erfolgte (Zeugenaussage als Beweis), ist die Widerlegung auch nicht einfacher wie im Falle BT:

Wenn das Gericht den Zeugen für glaubwürdig hält und die Aussage für glaubhaft - und die Verteidigung gegenteiliger Ansicht ist ("notorischer Lügner" und "es war am Tatort viel zu dunkel"), dann kann dennoch verurteilt werden (freie richterliche Beweiswürdigung). Soll es nun eine Wiederaufnahme geben, müsste die Verteidigung a) einen neuen Beweis erbringen, der b) die Zeugenaussage wiederlegt. Das ist nicht einfach. Tatsachen, die Glaubwürdigkeit des Zeugen oder Glaubhaftigkeit seiner Aussage erschüttern, die reichen nicht aus. Es müsste z.B. ein Dokument sein, mit dem zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass der Zeuge gar nicht am Tatort gewesen sein kann und gelogen hat. Oder der Zeuge gibt (glaubhaft) zu, gelogen zu haben.

Bei einer "Konstruktion" wie im Falle BT müssten die tragenden Indizien ("Steine" der Konstruktion) so wiederlegt werden ("herausgeschossen"), dass das ganze Gebäude nicht mehr haltbar ist. Das erfordert - in der Tat - mehr neue Beweise, wie in meinem oben dargestellten Beispiel. Denn der richterliche Spielraum ist größer, wenn die Indizien nicht nur da liegen, sondern auch interpretiert, geordnet, gewichtet und die Tat aus ihnen rekonstruiert werden muss. Würde man die Wiederaufnahme in solchen Fällen erleichtern, würde man durch die Hintertüre die freie richterliche Beweiswürdigung aushebeln.

Letztlich ist es die Wirklichkeit, die einen Beweis einfacher oder schwerer macht, nicht das Recht.

Unfair ist das juristisch alles nicht, weil diese Regeln über Jahrzehnte Grundlage von Strafprozessen sind, dem "Fair Trial"-Grundsatz entsprechen und verfassungsrechtlich nicht angezweifelt werden.


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