Mark_Smith schrieb:Tatsache ist: Dass offenbar jedes 2. Tötungsdelikt nicht entdeckt wird, was natürlich auch nur eine Schätzung ist.
Das ist ein sehr unglücklich formulierter Satz: Ist die Schätzung eine Tatsache oder ist es Tatsache, dass jedes 2. Tötungsdelikt unerkannt bleibt? Diese Schätzung(!) geistert immer wieder durch die Medien. Woher sie kommt, weiß man nicht. Hin und wieder äußern sich einzelne Gerichtsmediziner dahingehend, dass etliche Tötungsdelikte aufgrund gewisser Umstände fälschlich als natürliche Todesursache eingeschätzt werden. Belegbar ist diese sehr hoch geschätzte Dunkelziffer jedenfalls nicht und eine persönliche Statistik basieren auf einer Annahme eines Gerichtsmediziners ist wenig aussagekräftig.
Mark_Smith schrieb:Ich denke, man sollte in Deutschland eine zweite Instanz installieren, wo ein Prozess eben vor einem höheren Gericht noch einmal vollumfänglich wiederholt werden kann.
In Deutschland gibt es eine Berufungsinstanz für alle vor dem Amtsgericht verhandelten Anklagen. Erstaunlicherweise machen nur sehr wenige Verurteilte davon Gebrauch (ich hatte hier schon mal eine Statistik veröffentlicht).
Totschlag und Mord werden vor einer großen Strafkammer verhandelt. Das Gericht ist mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt. Der Angeklagte hat meist mehr als einen Verteidiger, oftmals sogar drei. Die StA schickt für gewöhnlich zwei Staatsanwälte in die Verhandlung. Diese Staatsanwälte haben in aller Regel nicht die Ermittlungen zu dem Fall geführt und die Anklageschrift verfasst. Du siehst: Es sind sehr viele Menschen bei der Verhandlung von Totschlag und Mord involviert.
Wie müsste Deiner Ansicht nach also das nächst höhere Gericht als "Berufungsinstanz" besetzt sein, damit es die entsprechende Legitimation zur Neuverhandlung eines bereits abgeurteilten Falles erhält? Sechs Berufsrichter und vier Schöffen? Und wann denkst Du, ist wirkliche Gewissheit erreicht? Nach einer oder vielleicht sogar zwei Berufungsinstanzen? Wie viele Revisionen gewährleisten die Korrektheit eines Urteils? Und will man die StA vielleicht dazu zwingen, bei einer Berufung die Ermittlungen ebenfalls vollständig neu durchzuführen? Welche Beweise sollen weiterhin verwertbar sein und soll es vielleicht sogar Beweisverbote für die Berufung geben?
Im Fall des Angeklagten B.T. wurde über 90 Tage verhandelt. Zwei Jahre wurde ermittelt.
Wollten wir eine Berufungsinstanz einführen, dann machen wir (da bin ich mir sicher) den Erkenntnisgewinn nicht sicherer. Was aber passieren wird: Die erste Tatsacheninstanz verkommt zu einer Farce, die wohl kaum einer noch ernst nimmt.