ErwinKöster schrieb:Eine Frage vorweg: Ich dachte die Tante wusste schon aus eigenen Stücken Bescheid?War nicht einer der Gründe für den Krach in der Parkgarage, der mit dem Goetz-Zitat endete, das abgebrochene Studium?
Bence Toth hat ausgesagt er hätte es der Tante erzählt. Sie habe sich dann kurzzeitig aufgeregt, danach sei aber alles wieder ok gewesen, vermutlich weil sie auch ihr eigenes Studium abgebrochen hatte. Auch andere Zeugen sagten aus, er habe den Abbruch des Studiums der Tante gebeichtet. Allerdings gibt es auch andere Zeugenaussagen (u.a. von dem Zeugen und offenbar im Testament bedachten R.) die so etwas bestreiten und er hatte diesen Studienabbruch auch nicht der Familie und Freunden gesagt. Dort behielt er sein Schauspiel bei.
ErwinKöster schrieb:Musste er die Tante zwangsläufig umbringen weil sein Lügengebäude unhaltbar geworden war? Oder hätte es eine andere Lösung gegeben?
So behauptet es das Urteil. Eine andere Lösung gibt es im Grunde immer. Die einfachste Lösung war, sich trotz Studienlüge mit der Tante zu versöhnen - wie er es zuvor schon oft getan hatte. Kurz gesagt: Wegen einem Streit wird man nicht enterbt. Und an Streitereien waren beide Seiten eh schon gewöhnt. Das Urteil erzählt hier meines Erachtens eine fiktive, dramatische Geschichte die einfach nur an den Haaren herbeigezogen ist.
ErwinKöster schrieb:Ich halte wie gesagt die Indizienkette zur Tat schon für schlüssig, aber das rechtfertigt nicht die Strategie des Dämonisierens. Immerhin war Toth unbescholten und hätte ohne Notlüge alles verloren, ein florierendes Parkhaus um zig Millionen, ein lebenslanges Auskommen als GF, ein Fixplatz in der Society. Ich bin mir nicht sicher ob ich da nicht auch versucht hätte die Fassade aufrechtzuerhalten. Ist man deswegen gleich ein "Hochstapler"?
Ich hielt die Indizien auch erst für relativ schlüssig, bei genauerem Hinsehen sind viele Indizien aber einfach nur zusammenfantasiert.
Motiv zur Tat: Angst vor der Enterbung; Aufdeckung der StudienlügeWie gesagt hatte er immer schon Stress mit der Tante und man hat sich immer wieder vertragen. Man wird wegen einem Streit auch nicht einfach enterbt. Im Zweifel geht man zur Tante und räumt die Probleme aus dem Weg. Das, so gibt er an, habe er am Muttertag gemacht. Das Urteil erzählt hier eine hanebüchene Geschichte, die es so darstellt, als habe es für Bence Toth keinen Ausweg mehr gegeben.
500er in BrieftascheEr hatte mehrere 500er in der Brieftasche, die er laut Urteil dem Opfer gestohlen haben soll. Er selbst gab an, das seine Tante ihm 1000€ für ein Fahrrad geschenkt habe, weil er zu dick geworden sei. Auch seine Freunde bestätigen, das er ein geliehenes Fahrrad zurückgeben musste und die Tante Freunden erzählte das ihr Neffe zu dick geworden sei. Einzig die Geldsumme an sich hätte hier Potential zu größerer Skepsis.
AugsburgfahrtAm Tattag unternahm er einen Abstecher nach Augsburg um einen Freund spontan zu besuchen. Allerdings kam es nicht dazu und er fuhr wieder zurück. Es wird so dargestellt das diese Fahrt dem Entsorgen der Tatmittel diente. Es ist aber gleichermaßen möglich, das Toth einfach nur ein Chaot war.
ÜbertötungDas Urteil behauptet Bence Toth habe seine Tante in seinem überlodernden Hass mit 24 Schlägen gegen den Kopf erschlagen. Allerdings konnte kein Zeuge an Toth irgendwelche aggressiven Neigungen feststellen; im Gegenteil war er meist sehr charmant, gut gekleidet, freundlich, aufmerksam, etc. Es gibt auch keine Vorstrafen wegen irgendwelchen Gewaltdelikten.
ZeitungenDas Urteil behauptet, Bence Toth habe Zeitungen von der Wohnungstür der Tante entnommen, damit seine Tante erst später aufgefunden wird. Es wurden wohl an ihrer Wohnungstür gegen 8:30 Zeitungen entwendet. Allerdings kam Bence Toth erst mit dem Fahrrad um 9 Uhr am Parkhaus an. Man fand zwar 3 Zeitungen bei ihm, die allerdings nicht vollumfänglich passten (andere Stadtteilausgabe), an denen es keine humanbiologischen Spuren der Tankstellenmitarbeiter gab und es fand sich auch die Tüte nicht.
DNA SpurenDas Urteil behauptet Bence Toth sei nach dem Erschlagen seiner Tante hoch ins Büro, hat dort alles zum Schein durchwühlt, zog dann die Tathandschuhe aus, öffnete einen Umschlag mit dem Testament, las es, verschloss den Umschlag erneut und radelte nach Hause. Man fand auch seine DNA Spuren am Sakko der Tante und am Testament - dabei muss man aber wissen das der Ursprung der Spuren am Sakko nicht klar sind und das Testament seit Monaten oder Jahren dort im Büro lag und mehrfach geöffnet/verschlossen wurde. Es ist naheliegend, das er da mal reinschaute, zumal auf dem Umschlag sein Name stand.
Man sieht also... die Indizien wurden immer zum Nachteil des Angeklagten ausgelegt. Alle anderen Spuren (Spur-Spur-Treffer, fremde Fußspuren am Tatort, etc) hat man einfach für irrelevant erklärt.
ErwinKöster schrieb:ich bekomme den Eindruck, dass es in Bayern gerade bei Indizienprozessen gegenüber Angeklagten, die eine schwierige, unsympathische oder eigentümliche Persönlichkeit besitzen, keine Seltenheit zu sein scheint deren negative Persönlichkeitsmerkmale über Gebühr darzustellen, um damit das Urteil zu untermauern.
So sehe ich das auch.