Mordfall Charlotte Böhringer
01.04.2018 um 12:59
Bei der Rekonstruktion eines Tatmotivs muss man meines Erachtens nicht nur dem Aufmerksamkeit schenken, was sich BT vom Tod seiner Tante versprechen durfte. Denken muss man auch an das, wovon T sich durch den Mord zu befreien wünschte. Seine Tante war offensichtlich herrschsüchtig und sich der Macht, die sie über Familienmitglieder durch ihr Vermögen auszuüben vermochte, durchaus bewusst. Im Urteil wird immer wieder betont, dass BT finanziell vollständig von seiner Tante abhängig war und es keinen Plan B - jenseits der Zukunft als Leiter der Parkgarage und Böhringer-Erbe - für ihn gab.
CB, das geht aus dem Urteil deutlich hervor, dominierte das gesamte Leben von BT. Gegen sein eigenes Interesse musste BT sich für ein Jurastudium entscheiden und zu diesem, als er im Bewusstsein dieser Herausforderung nicht gewachsen zu sein, das Studienfach zwischenzeitlich gewechselt hatte, wieder zurückkehren. Diese Entscheidung führte schließlich zur jahrelangen Lebenslüge des BT, die er gegenüber seinem gesamten sozialen Umfeld peinlichst genau aufrecht erhielt und die zuletzt akut zu zerbrechen drohte.
Schließlich wollte CB auch das Privatleben ihres Neffen maßgeblich beeinflussen. Z.B. war sie mit großem Eifer gegen die Beziehung zwischen BT und seiner langjährigen Freundin. Dem Urteil lässt sich entnehmen, dass sie sich sogar mit Erfolg bei einem Makler einschaltete, der BT und seiner Freundin eine gemeinsame Wohnung vermieten wollte. Die beiden erhielten die Wohnung daraufhin nicht. Später zogen sie zwar zusammen, CB hatte sich aber insofern durchgesetzt, als dass BT ihr zugestand, einen Anwalt zu wählen und mit diesem einen Ehevertrag zu formulieren, den BT und seine zukünftige Ehefrau hätten unterzeichnen müssen. Ziel war es, das Böhringer-Vermögen zusammenzuhalten. Dass CB die Beziehung von BT zu seiner Freundin nachhaltig belastete, geht auch aus einem anderen Punkt des Urteils hervor. So wurde dort festgestellt, dass BT häufig mit seiner Tante ausgehen musste, woran seine Freundin, aufgrund der Abneigung seiner Tante, nicht teilnehmen konnte. Dies zeigt deutlich, dass CB den Alltag von BT und seiner Lebenspartnerin maßgeblich bestimmte und dabei einen dauernden Stein des Anstoßes,
auch in seinem Privatleben, darstellte.
Alles in allem wird deutlich, dass CB das Leben ihres Neffen in umfassender Weise kontrollierte und BT seinerseits nicht dazu in der Lage war, die finanzielle Abhängigkeit zu ihr zu überwinden und sich eine unabhängige Existenz aufzubauen. So kam es schließlich zu einer existenziellen Zuspitzung für BT, die das im Urteil geschilderte Tatgeschehen mehr als plausibel macht.
Wie man dem Urteil, nicht zuletzt vor diesem Hintergrund, vorwerfen kann, es sei reine Prosa, kann ich wirklich nicht im geringsten nachvollziehen. BT hatte
- ein glasklares Motiv,
- die Möglichkeit zur Tatbegehung,
- kein Alibi,
- war bei seiner Verhaftung im Besitz eines hohen Geldbetrages, den er nicht erklären konnte,
- seine DNA-Spuren wurden überall an den Tatorten (der Leiche, dem Flur, dem Büro) dort gefunden, wo sie ein Täter hinterlassen haben würde (nicht aber an anderen Stellen z.B. im Büro, die auch untersucht wurden),
- die Zeitungen der Tante wurden in seiner Wohnung gefunden,
- er hatte sich bereits im Vorfeld der Unterschlagung im Betrieb der Tante schuldig gemacht,
- ihm wurde die Schlüsselmacht entzogen,
- eine Woche vor dem Mord kam es zu einem großen Streit mit der Tante, die ihn hinauswarf,
- BT ist ein notorischer Lügner, der kurz vor der ultimativen Aufdeckung seiner großen Lebenslüge stand
uvm.