@christian01 Man muss eben auch sehen, dass zwischen seinem Abitur im Jahr 1996 und seiner Verhaftung ganze zehn Jahre dazwischen lagen. Es ist nicht schlimm, wenn man im Studium scheitert, aber es ist schlimm, wenn man in diesen zehn Jahren nichts zustande bringt (oder wenigstens etwas beginnt), was Perspektive hat. Indem er sein gesamtes Umfeld belogen hat und sogar noch einiges draufsetzte (Aussicht auf Promotion, Job in einer Finanzberatung), gefährdete er auch seine Partnerschaft. Seine damalige Verlobte war mit dem Referendariat fertig (oder kurz davor) und wäre dann in der komfortablen Situation gewesen, mal über Anhebung des Lebensstandards oder Familiengründung zu reden. Das alles ist aber nicht machbar mit einem Lügner, der
- zehn Jahre nach dem Abitur berufstechnisch auf demselben Stand ist wie ein frischer Abiturient
- in diesen zehn Jahren kein Lebensziel erreicht hat
- finanziell komplett von anderen abhängig ist
- sogar bereit ist, einfach Geld vom Konto seiner Verlobten abzuheben, nachdem seine Diebstähle aufgeflogen sind.
Der Begriff "Versager" hat ja nicht unbedingt nur eine absolute Komponente, sondern auch eine relative. Jemanden mit Hauptschulabschluss, der eine Ausbildung abschließt, fleißig und kontinuierlich spart, vielleicht eine Familie gründet, den würde ich auf keinen Fall als Versager bezeichnen. Hier haben wir aber jemanden, der
- arrogant auftritt (hat sogar sein bester Kumpel Matti gesagt; in aktuelleren Interviews bezeichnete er seine Mithäftlinge als Abschaum, die nur Sex und Drogen im Kopf hätten, während er angeblich Philosophiebücher laß)
- während seines Studiums finanzielle Unterstützung von seiner Tante erhalten hat, von der andere nur träumen können (andere Studenten müssen arbeiten gehen, um Miete und Essen zu bezahlen); d.h. er hätte sich voll auf das Studium konzentrieren können
- Möchtegern-Bildungssprache benutzt
- ein sehr großes Ego hat und ihm Erfolg wichtig ist (Lügen um Aussicht auf Promotion, Finanzberater-Job)
Ich finde es daher schon akkurat zu sagen, dass er nach seinem Abi auf ganzer Linie in jeder Hinsicht versagt hat. Mit seinem Mord hat er sein Leben restlos gegen die Wand gefahren. (Ok, wenn sein Bruder nett ist, wird er trotzdem vermögender sein als die meisten Menschen...) Aus seiner Sicht hatte er aber keine Wahl. Das Risiko, Erbe, Verlobte, ein paar Freunde und ANSEHEN zu verlieren, war ihm wohl zu groß. Er hatte wohl geglaubt, dass er nach dem Tod seiner Tante einfach Geschäftsführer werden kann, niemand mehr nach Zeugnissen oder seinen angeblichen Plänen von Promotion, Finanzberatung usw. fragt, weil er sich ja für die Familie aufopfern muss. Sein Plan ist nicht aufgegangen. Entweder, weil er selbst zu dumm war (gestohlene Zeitungen zuhause in den Papiermüll werfen und dann behaupten, er wollte sie nur ausleihen -> LOL) oder weil er als Abiturient Polizisten mit Realschulabschluss für total dämlich hält (Augsburgfahrt usw.). Wahrscheinlich beides.
Und natürlich hätte er schöne Alternativen gehabt (z.B. Ausbildungen im gehobenen Dienst), aber dazu hätte er seine große Lüge platzen lassen müssen. Und vom hohen Ross absteigen müssen.